BQ und BU

Neue dominante Subvarianten für den Herbst?

Stuttgart - 29.09.2022, 09:15 Uhr

Das SARS-CoV-2-Virus erscheint in immer wieder neuen Mutationen. Werden die Omikron-Subtypen BU und BQ den kommenden Herbst prägen? (Foto: peterschreiber.media / AdobeStock)

Das SARS-CoV-2-Virus erscheint in immer wieder neuen Mutationen. Werden die Omikron-Subtypen BU und BQ den kommenden Herbst prägen? (Foto: peterschreiber.media / AdobeStock)


US-Virologen vermelden den Fund zweier neuer Subtypen der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 in Abwasserproben. Sie vermuten, dass sich BU und BQ im Herbst zu den dominanten Virusstämmen entwickeln könnten, da sie neue Mutationen tragen.

Marc Johnson ist Virologe und Professor für molekulare Mikrobiologie und Immunologie an der Universität von Missouri. Außerdem nennt er sich selbst unter anderem in seinem Twitter-Account „Abwasser-Detektiv“. Seit dem Jahr 2020 beschäftigt sich der Forscher und sein Team unter anderem damit, in Abwasserproben neuen Mutationen des COVID-19-Erregers SARS-CoV-2 auf die Spur zu kommen. Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler unter anderem zuletzt im Juni auf dem Preprint-Server MedRxIV.  

Seit Mai 2020 stoßen die Forscher dabei immer wieder auf neue „kryptische Mutationen“ – solche, die sich keinen bislang bekannten zuordnen lassen. Insbesondere immer neue zusätzliche Mutationen im Spike-Protein der weltweit dominierenden Omikron-Variante fielen dabei den Forschern auf – und sie warnen so aktuell besonders vor zwei Subtypen namens BU und BQ, die nach Meinung der Virologen in naher Zukunft dominierend werden könnten. 

„Konvergente Evolution auf Steroiden“ nennt es Johnson in einem Twitter-Kommentar zu einer Übersicht der gefundenen Mutationen. Die Forscher vermuten, dass es sich dabei um Mutationen handelt, die in infizierten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem neu entstehen. Über das Abwasser lassen sich die neuen Subtypen dann finden, ohne dass eine genaue Quelle bekannt wäre. 

Bis zu fünf neue Aminosäureaustausche im Spikeprotein

Die Omikron-Subtypen, die den Forschern nun dabei für den Herbst Sorgen bereiten, tragen gegenüber der aktuell unter anderem in Deutschland und weltweit dominierenden BA.5-Subvariante vier beziehungsweise fünf neue Mutationen, die zu Aminosäureaustauschen innerhalb des Spikeproteins geführt haben. Das sind die Austausche K444T, L452R, N460K und F486V sowie bei der weiteren Subvariante BQ.1.1 zusätzlich R346T (also Lysin statt Threonin an Position 444, Leucin statt Arginin an Position 452, Asparagin statt Lysin an Position 460, Phenylalanin statt Valin an Position 486 und Arginin statt Threonin an Position 346). 

Er wisse nicht, ob BQ und BU einen Anstieg der totalen Fälle verursachen würden – „aber falls nicht irgendetwas ganz Neues passiert, sage ich vorher, dass sie die dominanten besorgniserregenden Varianten (VOC) in den kommenden Monaten werden“, sagt Johnson in einem Tweet

Weltweit sind diese Sequenzen bereits in mehreren Ländern gefunden worden und es gibt einen Anstieg in der Zahl der Nachweise, berichtet der Forscher. Sorgen bereite ihm dabei besonders, dass es sich wohl um Immun-Escape-Varianten handelt, die wahrscheinlich in immungeschwächten Menschen entstanden seien, die gegen COVID-19 immunisiert worden seien. Bereits im Februar hatte Johnson auf neue Subvarianten im Abwasser der Millionenstadt New York hingewiesen.

BU und BQ in Abwasserproben aus St. Louis gefunden

Der N460K-Austausch war auch in der „Centaurus“ genannten Linie B.2.75 entdeckt worden, die derzeit in Indien dominiert. Die US-Forscher hatten ihre Funde allerdings bereits vor rund anderthalb Jahren im Abwasser der US-amerikanischen 300.000-Einwohner-Stadt St. Louis gemacht. Die aktuellen Anteile der Subvarianten liegen insgesamt im niedrigen einstelligen Prozentbereich, steigen aber an. Aktuell dominiert in Deutschland laut dem Robert-Koch-Institut die Subvariante BA.5 mit einem Anteil von 96 Prozent in der Kalenderwoche 36 (5. bis 11. September 2022). Dem folgt die Subvariante BA.4 mit einem fallenden Anteil von 3 Prozent. Alle anderen liegen jeweils unter einem Prozent. 

Einen signifikanten Anstieg einer besonderen Subvariante oder gar einer ganz neuen Variante beobachtet die Weltgesundheitsorganisation WHO aktuell dagegen nicht, als VOC betrachtet man offiziell derzeit nur Omikron mit all seinen Untertypen. Weltweit dominiert mit 76,6 Prozent BA.5. Mehrere Untervarianten von BA.5 mit zusätzlichen Mutationen, unter anderem dem K444-Austausch, stehen unter Beobachtung und seien in den vergangen vier Wochen angestiegen, heißt es im jüngsten wöchentlichen Update der WHO vom 21. September. 

Die Evolution des Virus geht weiter

Konkret lässt sich also bislang nur sagen, dass die Evolution des Virus weitergeht und sich beständig neue Subtypen bilden. Ob und wie sehr sie bereits Geimpfte oder Genesene infizieren können, lässt sich noch nicht konkret sagen – allgemein nehmen die Experten an, dass bei Menschen ohne besondere Vorbelastungen der Impf- und Immunschutz auch gegen die neuen Untertypen zumindest vor einer schweren Erkrankung schützt. Eine jüngst veröffentlichte Studie britischer Forscher hat erhoben, welche Risikofaktoren für einen fatalen Verlauf trotz dreifacher Impfung bestehen. Demnach ist hohes Alter der wichtigste Faktor, gefolgt von schweren kombinierten Immundefekten. Die Studie bezog sich allerdings nur auf die Varianten Delta und Alpha sowie nur auf Daten aus England und Wales.  

Wie beim damals recht plötzlichen Auftauchen der Omikron-Variante, die gegenüber ihren Vorgängern eine große Zahl von Aminosäureaustauschen aufweist und sich nicht von Alpha, Delta oder Gamma ableitet, ist es im Prinzip aber auch jederzeit wieder möglich, dass aus einem unbekannten Reservoir unvermittelt eine völlig neue dominierende Variante auftritt. 


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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