Einschätzungen des PEI und der AkdÄ

Erhöht eine COVID-19-Impfung das Risiko für Herpes Zoster?

Stuttgart - 06.10.2022, 10:45 Uhr

Fallberichte deuten darauf hin, dass nach einer COVID-19-Impfung ungewöhnlich häufig jüngere Patient:innen von einer Gürtelrose betroffen sind. Das absolute Risiko ist aber gering. (s / Foto: IMAGO / piemags)

Fallberichte deuten darauf hin, dass nach einer COVID-19-Impfung ungewöhnlich häufig jüngere Patient:innen von einer Gürtelrose betroffen sind. Das absolute Risiko ist aber gering. (s / Foto: IMAGO / piemags)


Das Paul-Ehrlich-Institut konnte für ein Auftreten eines Herpes Zoster nach einer Corona-Impfung in Deutschland bislang kein Risikosignal erkennen. Dennoch wurde seit Pandemie-Beginn immer wieder ein Zusammenhang in der Öffentlichkeit diskutiert. Mittlerweile gibt es einige Studien und Fallberichte zu dem Thema. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat diese zusammengetragen. Tatsächlich erscheint ein Zusammenhang möglich – doch sollte man deshalb verstärkt gegen Gürtelrose impfen?

„Lösen Corona-Impfungen Gürtelrose aus?“, diese Frage haben sich seit Beginn der Impfkampagnen gegen COVID-19 bereits einige Menschen in den sozialen Medien, aber auch Fachkräfte in der Arztpraxis und der Apotheke gestellt. Könnte tatsächlich ein Zusammenhang bestehen, und die Impfung den Ausbruch eines Herpes Zoster begünstigen? „Das Paul-Ehrlich-Institut winkt ab“, schrieb dazu die „Deutsche Welle“ im Februar 2022 – allerdings unter Berufung auf den Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 20. September 2021. Darin heißt es, dass sich für Herpes Zoster „aufgrund der Zahl der Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut kein Risikosignal innerhalb von 14 bzw. 30 Tagen nach allen vier zugelassenen COVID-19-Impfstoffen“ ergeben habe. Im aktuellen PEI-Bericht zu möglichen Nebenwirkungen von COVID-19-Impfstoffen wird Herpes Zoster gar nicht erwähnt. 

Erhöht COVID-19 das Risiko für Herpes Zoster – und nicht die Impfung dagegen?

Am 13. September 2022 hat nun die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) online in ihrer Publikation „Arzneiverordnung in der Praxis“ das Thema „Herpes zoster nach COVID-19-Impfung“ weitergehend beleuchtet. Dort verweist der Autor Prof. Dr. med Axel Schnuch auch auf das PEI: „Das Paul-Ehrlich-Institut führte im Dezember 2021 im Rahmen des Sicherheitsberichts zu COVID-19-Impfstoffen eine Observed-versus-Expected-Analyse zu Herpes zoster (HZ) unter den COVID- 19-Impfstoffen. Berücksichtigt wurden die Meldungen bis zum 30. November 2021 unter den vier damals verfügbaren Impfstoffen: Comirnaty®, JCOVDEN® COVID-19 Vaccine Janssen, Spikevax® und Vaxzevria®. Die berichtete Anzahl von HZ nach 14, 30 und 42 Tagen nach dem Impfen war niedriger als auf Basis der verwendeten Hintergrundrate statistisch zufällig zu erwarten wäre“, heißt es.

Mehr zum Thema

Ist also nichts dran, an den vermeintlich beobachteten Häufungen von Herpes Zoster nach COVID-19-Impfung? Oder hängt die beobachtete Häufung von HZ nicht mit der Impfung, sondern der Erkrankung COVID-19 selbst zusammen? Schnuch nennt eine aktuelle Studie aus den USA, die für diese Theorie sprechen könnte. Sie soll zeigen, dass Personen mit einer COVID19-Diagnose ein 15 Prozent höheres Risiko für HZ hatten als Personen ohne COVID-19 (adjusted incidence rate ratio (aIRR): 1,15; 95 % Konfidenzintervall [CI] 1,07–1,24; p < 0,001). Die Autor:innen der Studie kommen zu dem Schluss, dass die COVID-19-Diagnose bei über 50-Jährigen mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung von HZ verbunden war. 

Herpes-Zoster-Viren können sich in den Ganglien verstecken

Bitte nicht wecken!

Doch Schnuch führt auch zwei weitere Studien auf, die eher für einen Zusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19 sprechen: Eine davon wurde im September 2021 im NEJM veröffentlicht. Darin wurde in Israel die Sicherheit des ersten Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer untersucht. „Für eine HZ-Infektion ergab sich eine signifikante Risikoerhöhung (Risk Ratio (RR), 1,43; 95 % CI 1,20–1,73), wohingegen die COVID-19-Erkrankung selbst in dieser Analyse nicht mit einem erhöhten HZ-Risiko assoziiert war“, erläutert Schnuch. 

Vor allem Jüngere von Gürtelrose betroffen?

Die andere umfangreiche Studie wurde im April 2022 im Lancet veröffentlicht. Es handelt sich um eine Fall-Kontroll-Studie aus Hongkong, die die HZ-Hospitalisierung nach Impfung untersucht hat. Geimpft wurden die Menschen entweder mit dem chinesischen CoronaVac- oder mit dem Biontech-Präparat. In der Folge „waren die Risiken für eine Hospitalisierung wegen HZ signifikant erhöht“, erklärt Schnuch. Im Ergebnis schätzten die Autor:innen der Studie, dass es für die Biontech-Impfung zu einem Exzess von sieben Hospitalisierungsfällen wegen HZ pro einer Million Impfdosen kommen könne. Jedoch sei das absolute Risiko für eine HZ-Hospitalisierung sehr gering, der Nutzen der Impfung gegen COVID-19 überwiege also.

Das wichtigste zur Gürtelrose

  • Herpes Zoster ist eine Infektionskrankheit, bei der es zur Reaktivierung von in Ganglien ruhenden Varizella-Zoster-Viren kommt.
  • An Gürtelrose kann nur erkranken, wer vorher bereits eine VZV-Infektion hatte (Windpocken).
  • Charakteristisch ist ein einseitiger Hautausschlag.
  • Häufigste Komplikation ist die postzosterische Neuralgie.
  • Die Standardtherapie erfolgt mit antiviralen Wirkstoffen, eventuell in Kombination mit Schmerzmitteln.
  • Ab 60 Jahren ist die Prävention mit Shingrix® als Standardimpfung empfohlen.

[Quelle: DAZ 18/2021]

Bekanntermaßen steigen die Inzidenz und die Schwere der HZ-Erkrankung mit zunehmendem Alter, vor allem ab 50 Jahren. Laut Schnuch deuten zahlreiche Fallberichte jedoch darauf hin, dass nach einer COVID-19-Impfung ungewöhnlich häufig jüngere Patient:innen von HZ betroffen sind. Welcher Pathomechanismus dahinterstecken könnte, wäre jedoch noch zu klären.

Schützt die Impfung gegen Herpes Zoster?

Warum kam – angesichts solcher Daten – das PEI nun aber für Deutschland zu dem Schluss, dass HZ nach Impfung gegen COVID-19 nicht vermehrt auftritt? Schnuch vermutet, dass „die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für eine Impfung gegen HZ bei älteren Menschen und Risikopatienten“ ein Grund dafür sein könnte, dass das PEI in Deutschland kein Sicherheitssignal erkennen konnte.

In der Ausgabe 6/2022 der Zeitschrift „Deutsche Dermatologie“ ist im Juni eine Fortbildung zum Thema Gürtelrose nach Coronaimpfung erschienen. Darin heißt es, dass eine Reaktivierung von Varicella-Zoster-Viren „inzwischen für viele unterschiedliche Impfungen beschrieben“ sei, „etwa gegen Gelbfieber, Infuenza, Hepatitis und Tollwut“. Der Artikel bezieht sich auf eine aktuelle Auswertung der globalen Datenbank „TriNetX“, unter anderem durch Wissenschaftler:innen an der Charité in Berlin. Auch diese Auswertung spricht für ein erhöhtes Risiko für HZ nach einer COVID-19-Impfung. Allerdings betonen die Autor:innen der Untersuchung, dass neben Impfungen auch Infektionen zu einer Varicella-zoster-Reaktivierung führen können und auch sie verweisen auf das geringe absolute Risiko. Als Fazit heißt es: „Wer aus Angst vor solchen Nebenwirkungen auf die Impfung verzichtet, hat nicht viel gewonnen. Besser wäre es, Patienten mit einem hohen Risiko für Herpes Zoster auch gegen Gürtelrose zu impfen.“

Allerdings wurden der AkdÄ auch schon Fälle über zoster-artige Hautläsionen berichtet, die in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer Impfung mit Shingrix® aufgetreten sind – also nach der Impfung gegen Herpes Zoster. Auch wenn der kausale Zusammenhang auch in diesem Fall (noch) nicht erwiesen ist, wurde speziell in diesem Zusammenhang bereits über mögliche Pathomechanismen nachgedacht: Da es sich bei der Shingrix®-Impfung um eine rekombinanten Untereinheiten-Impfstoff handelt, kann sie – anders als ein Lebendimpfstoff – nicht unmittelbar einen HZ hervorrufen. Vorausgesetzt also, dass es sich tatsächlich in einigen Fällen um einen HZ handelt, sei aber denkbar, dass CD4-positive T-Lymphozyten VZV-Reservoirzellen (Varizella-Zoster-Virus) angreifen und Mechanismen aufheben, die den Latenzzustand stabilisieren. 

Das PEI hat im März 2020 eine Beobachtungsstudie zu der Frage nach einem Zusammenhang von HZ und Shingrix®-Impfung begonnen – das Ende war für April 2021 geplant, veröffentlicht sind die Ergebnisse noch nicht. Das Thema einer möglichen Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus nach Impfungen wird also erforscht, bis man wirklich eindeutige Aussagen treffen kann, wird es aber wohl noch etwas Zeit brauchen. Und: So interessant die Fragestellung aus wissenschaftlicher Sicht ist, sie sollte nicht dazu verleiten, sich deshalb nicht impfen zu lassen. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Gürtelrose teils schwer zu diagnostizieren

Herpes zoster nach Impfung?

Zusammenhang zwischen Herpes-Zoster-Impfung und Reaktivierung von Gürtelrose wird geprüft

PEI startet Shingrix-Studie

Paul-Ehrlich-Institut zu Impfnebenwirkungen

Kein Signal für eine Reaktivierung des Herpes zoster

Kein kausaler Zusammenhang mit Vakzinierung gegen Varizella-Zoster-Viren

Herpes zoster nach Impfung?

Herpes-Zoster-Viren können sich in den Ganglien verstecken

Bitte nicht wecken!

2 Kommentare

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Impfung und Herpes über Vitamin-D Spiegel im Blut

von Christian Wiechering am 07.10.2022 um 18:40 Uhr

Sowohl eine Covid-19 Infektion als auch eine Impfung können das Risiko für Herpes Zoster erhöhen,
da durch beides der Vitamin-D Spiegel im Blut sinkt.

Nach einer COVID-19 Infektion wird oft ein niedriger Vitamin-D Spiegel gemessen, das ist unbestritten.

Aber auch eine Impfung senkt den 25-OH Wert, weil T-Gedächtniszellen programmiert werden müssen,und dafür Vitamin-D verbraucht wird. Das ist weniger bekannt.

Dr. David Grimmes
Impfung Vitamin-D
http://www.drdavidgrimes.com/2022/06/covid-19-vitamin-d-lack-of-benefit-of.html


Üblicherweise treten mehr Herpes Infektionen im Winter auf, wenn der Vitamin-D Spiegel sinkt, und das Immunsystem dadurch geschwächt wird.
Das gilt hauptsächlich für die, die in dieser Zeit in einen mangelhaften Bereich rutschen (25-OH Wert <20ng/ml).

Gleiches dürfte für die nächsten Monate nach einer Covid-19 Infektion/Impfung gelten, wenn der Vitamin-D Spiegel nicht durch Sonne oder Supplemente schnell wieder angehoben wird.

Da nach üblichem Tenor im ersten halben Jahr nach einer Infektion ein erhöhtes Risiko besteht, verschiedene Folgeerkrankungen zu bekommen, kann man davon ausgehen, das der Vitamin-D Spiegel ohne Supplementation erst nach dieser Zeit wieder auf dem alten Stand ist.
Ein Impfung verbraucht nicht so viel Vitamin-D wie eine Infektion, daher sollte der alte Stand nach ca. 1-2 Monaten wieder erreicht sein.

Solange ist auch das Risiko eines Herpes Zoster Ausbruchs erhöht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Es gibt einen Zusammenhang zwischen

von DAZ-Redaktion am 11.10.2022 um 11:33 Uhr

Redaktionelle Informationen zu Vitamin D im Kontext von COVID-19 finden Sie hier: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-41-2020/vitamin-d-im-kontext-von-covid-19

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.