Rezeptur

Harnstoff-Cremes: Wann muss gepuffert werden?

Stuttgart - 07.10.2022, 09:15 Uhr

Wann müssen Harnstoff-Rezepturen gepuffert werden? (Foto: Schelbert / DAZ)

Wann müssen Harnstoff-Rezepturen gepuffert werden? (Foto: Schelbert / DAZ)


In wasserhaltigen Zubereitungen neigt Harnstoff zur Zersetzung. Dadurch kommt es unweigerlich zu einer Verschiebung des pH-Wertes ins Basische. Bei welchen Rezepturen muss daher gepuffert werden?

Aufgrund seiner hohen Wasserbindungskapazität ist Harnstoff ein natürlicher Feuchthaltefaktor der Haut. Harnstoff-haltige Dermatika kommen daher unter anderem bei trockener und juckender Haut, bei chronischen Ekzemen sowie Neurodermitis zum Einsatz. 

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Zur Verarbeitung von Harnstoff sind dabei unterschiedliche Grundlagen geeignet. Zudem kann die Substanz mit zahlreichen anderen Wirkstoffen kombiniert werden. Harnstoff gehört daher zu den zehn am häufigsten verwendeten Arzneistoffen in der Rezeptur. 

Verarbeitung in wasserhaltigen Zubereitungen leicht möglich

In wasserhaltigen Zubereitungen ist die Verarbeitung von Harnstoff problemlos möglich, denn er ist in Wasser sehr leicht löslich. Er kann auf hydrophile O/W-Cremes einfach aufgestreut und eingerührt werden. Ist der Wasseranteil der Creme deutlich größer als die Menge an Harnstoff, gelingt das Aufstreuen und Einrühren auch bei W/O-Grundlagen. Ansonsten wird der Harnstoff zunächst in gereinigtem Wasser gelöst und diese Lösung dann in die lipophile Creme eingearbeitet. 

Chemische Stabilität von Harnstoff

Bei der Verarbeitung von Harnstoff tauchen immer wieder Fragen zur Stabilität des Wirkstoffs auf. In Abhängigkeit von der Temperatur und dem pH-Wert zersetzt sich Harnstoff durch Hydrolyse zu Ammoniumcyanat, welches weiter zu Ammoniak und Kohlenstoffdioxid reagiert. Bei niedriger Temperatur liegt das Gleichgewicht der Reaktion auf der Seite des Harnstoffs. 

Bezüglich der pH-Abhängigkeit sind die Angaben bisher nicht eindeutig. Das DAC/NRF gibt in seinen Tabellen für die Rezeptur einen rezeptierbaren pH-Bereich von 1 bis 12 an, die Gesellschaft für Dermopharmazie fasst diesen pH-Bereich mit 4 bis 8 deutlich enger.

Grundsätzlich sind Harnstoff-Lösungen aber stabiler, als in den meisten Apotheken angenommen wird. Untersuchungen dazu haben gezeigt, dass der Zersetzungsgrad einer Harnstoff-Lösung 2% nach 5 Monaten erst bei 0,27% lag. Auch bei höheren Temperaturen sind die Ergebnisse ähnlich: Nach 2 Monaten Lagerung bei 25 °C haben sich bei einer 40%igen wässrigen Lösung lediglich 0,19% zersetzt. Bei den üblichen Harnstoff-Zubereitungen ist also nicht mit einer unzulässigen Minderung des Gehalts zu rechnen. 

pH-Anstieg bei Harnstoff-Rezepturen beachten!

Doch weshalb sollte die Zersetzungsreaktion dennoch berücksichtigt werden? Die durch die Hydrolyse von Harnstoff entstehenden Produkte sind nicht toxisch. Von Bedeutung ist aber die Erhöhung des pH-Wertes auf Werte von teilweise über 9. Selbst eine geringfügige Zersetzung führt in ungepufferten Lösungen zu einer deutlichen pH-Erhöhung. So steigt der pH-Wert einer schwach sauren Harnstoff-Lösung 2% bereits bei einem Zersetzungsgrad von 0,16% auf pH 8,5 an. 

Zum Problem wird ein basischer pH-Wert, wenn in der Rezeptur weitere Substanzen enthalten sind, die auf solche pH-Werte empfindlich reagieren. Dabei kann es sich um basenempfindliche Wirkstoffe handeln, aber auch das häufig in Dermatika eingesetzte Konservierungsmittel Sorbinsäure ist für seine Wirksamkeit auf einen leicht sauren pH-Wert angewiesen. Schon ab pH-Werten von 5,5 verliert die Sorbinsäure ihre antimikrobielle Wirkung und die mikrobiologische Stabilität der Zubereitung ist beeinträchtigt. 

Wie schnell der pH-Wert bei der Harnstoff-Hydrolyse ansteigt, lässt sich nicht vom anfänglichen pH-Wert ableiten. Durch Zugabe eines Puffers kann dieser Prozess jedoch deutlich verlangsamt werden. Bei der Herstellung von Harnstoff-haltigen Rezepturen kommt dabei meist ein Lactat-Puffer zum Einsatz. Dieser besteht aus Milchsäure und Natriumlactat. 

Beispiele für Harnstoff-Rezepturen mit Puffer

Im NRF sind folgende wasserhaltige Dermatika mit Harnstoff aufgeführt:  

  • Hydrophile Harnstoff-Creme 5% / 10% (NRF 11.71.)
  • Hydrophile Harnstoff-Emulsion 5% / 10% (NRF 11.72.)
  • Harnstoff-Wollwachsalkoholcreme 5% / 10% (NRF 11.74.)
  • Lipophile Harnstoff-Creme 5% / 10%

Alle vier Zubereitungen sind durch das Konservierungsmittel Sorbinsäure vor mikrobiellem Befall geschützt. Um die Wirksamkeit des Konservierungsmittels während der gesamten Aufbrauchsfrist zu gewährleisten, enthalten alle einen Lactat-Puffer bestehend aus 1% Milchsäure und 4% Natriumlactat-Lösung. Die Konzentrationsangaben beziehen sich dabei immer auf die gesamte Zubereitung. 

Beispiel:

In der Hydrophilen Harnstoff-Creme 5% (NRF 11.71.) sind in 100 Gramm Zubereitung 5 Gramm Puffer enthalten. Auch bei höheren Harnstoff-Konzentrationen ändert sich die Menge des Puffers nicht. 

Beide Bestandteile des Puffers sind als Rezepturgrundstoffe erhältlich und stabilisieren die Rezepturen im schwach sauren pH-Bereich. Es können dabei (S)-Milchsäure (90%) und Natrium-(S)-lactat-Lösung (50%) eingesetzt werden. Beide Flüssigkeiten sind im Europäischen Arzneibuch monographiert. Alternativ können auch die racemischen Formen Milchsäure (90%) und Natriumlactat-Lösung (50%) verwendet werden.

Vorsicht bei hydrolyseempfindlichen Glucocorticoiden

Harnstoff-Cremes werden oft zusammen mit Glucocorticoiden verordnet. Viele dieser Substanzen sind allerdings bei neutralen oder schwach basischen pH-Werten hydrolyseempfindlich. Bei einer gemeinsamen Verarbeitung von Harnstoff und Betamethasonvalerat (rezeptierbarer pH-Bereich 2 bis 5), Hydrocortison (pH-Bereich 3 bis 6,5) oder Prednisolonacetat (pH-Bereich 3 bis 7) muss daher gepuffert werden. 

Manchmal kein Puffer notwendig

Werden dagegen Glucocorticoide eingesetzt, deren rezeptierbarer pH-Bereich breiter ist, kann unter Umständen auf einen Pufferzusatz verzichtet werden. Das ist selbstverständlich nur möglich, wenn Grundlagen verwendet werden, die nicht durch saure Konservierungsmittel vor mikrobiellem Befall geschützt sind, wie beispielsweise Anionische hydrophile Creme DAB (konserviert mit 0,1% Sorbinsäure). Basiscreme DAC enthält dagegen 20% Propylenglycol bezogen auf die Wasserphase. Dieser flüssige Alkohol besitzt unabhängig vom pH-Wert der Zubereitung eine antimikrobielle Wirkung. 

Wird also Harnstoff z. B. zusammen mit Triamcinolonacetonid in Basiscreme DAC verarbeitet, kann auf den Zusatz eines Puffers verzichtet werden. Das Glucocorticoid ist auch bei neutralem oder basischem pH-Wert ausreichend stabil. Die Aufbrauchsfrist der Zubereitung beträgt dann allerdings nur 4 Wochen.

Rezepturbeispiel ohne Puffer (Harnstoff 5%, Triamcinolonacetonid 0,1%)
Harnstoff5,0 g
Triamcinolonacetonid0,1 g
Basiscreme DACzu 100,0 g

Ist eine längere Therapiedauer gewünscht, so muss durch Zusatz eines Lactatpuffers einer pH-Wert-Erhöhung vorgebeugt werden. Die Aufbrauchsfrist kann dann auf 6 Monate verlängert werden.

Rezepturbeispiel mit Puffer (Harnstoff 5%,Triamcinolonacetonid 0,1%)
Harnstoff5,0 g
Triamcinolonacetonid0,1 g
Milchsäure1,0 g
Natriumlactat-Lösung4,0 g
Basiscreme DACzu 100,0 g

Verarbeitung mit weiteren Wirkstoffen

Harnstoff kann auch mit dem Antimykotikum Clotrimazol in Basiscreme DAC verarbeitet werden. Hier kann ebenfalls auf die Pufferung verzichtet werden, da Clotrimazol die zersetzungsbedingte pH-Wert-Erhöhung toleriert. Als Aufbrauchsfrist werden 3 Monate empfohlen. 

Auch eine Kombination von Harnstoff und Salicylsäure ist aus galenischer Sicht möglich. Ein Puffer ist hier nicht nötig, da durch die saure Reaktion der Salicylsäure ein zu hoher pH-Wert vermieden wird. Wegen der antimikrobiellen Wirkung der Salicylsäure ist zudem keine weitere Konservierung nötig. 

Harnstoff-Rezepturen richtig verpacken

Bei der Abgabe wasserhaltiger Zubereitungen mit Harnstoff ist die Auswahl eines passenden Primärpackmittels wichtig: Schraubdeckeldosen aus Kunststoff sind nicht geeignet, da das Wasser beim Öffnen der Dose verdunsten kann. Außerdem kann es durch das nicht völlig gasdichte Deckelgewinde oder durch den Kunststoff hindurch zur Verdunstung kommen. 

Nimmt der Wassergehalt ab, kann der gelöste Harnstoff auskristallisieren: Patienten berichten dann von einem „Sandeffekt“ beim Auftragen der Zubereitung. Dieser Effekt tritt auch bei in TOPITEC®- oder Unguator®-Spenderdosen abgefüllten Rezepturen auf. Aus diesem Grund sollten auch mit automatischen Rührsystemen hergestellte Zubereitungen in Aluminiumtuben abgepackt werden. 


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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