- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Aus dem Waffenarsenal der...
Solanimycin
Aus dem Waffenarsenal der Natur – neues Antimykotikum aus Pflanzenpathogen
Forscher aus Großbritannien und Spanien haben in einem der zehn gefährlichsten Erreger von Pflanzenkrankheiten einen Wirkstoff entdeckt, der wirksam gegen human- und pflanzenpathogene Pilze ist. Die Substanz namens Solanimycin ist damit nicht nur ein vielversprechender Wirkstoffkandidat, sondern lenkt den Fokus auch auf die sekundären Metabolite pflanzenpathogener Bakterien bei der Suche nach neuen Therapeutika.
Jeden Tag herrscht im Boden ein Kampf. Bakterien, Pilze, Würmer und Insekten kämpfen um Lebensraum, bessere Lebensbedingungen und Nahrung und schrecken dabei auch nicht vor dem Einsatz von „Biowaffen“ zurück. Dafür produzieren sie sogenannte sekundäre Metabolite, deren einziger Zweck es ist, Konkurrenten zu hemmen oder zu töten. Antibiotika wie das Penicillin gehören dazu – von Schimmelpilzen der Gattung Penicillium produziert, um nahrungskonkurrente Bakterien auf Abstand zu halten, und ganz nebenbei nützlich, auch humanpathogene Bakterien abzutöten.
Mehr zum Thema
Angesichts aber um sich greifender Resistenzen der Krankheitserreger gegen die bekannten Antibiotika und auch neuer Pilzerkrankungen sind Forscher auf der Suche nach neuen Antibiotika und Antimykotika. Dabei erforschen sie auch Bakterienpopulationen, die bislang weniger im Fokus standen. Forscher aus Großbritannien und Spanien sind bei ihrer Suche nun fündig geworden. Solanimycin heißt das neuentdeckte Antimykotikum, das nicht nur gegen eine Vielzahl von pflanzenpathogenen Pilzen wirkt, sondern auch gegen humanpathogene Arten wie etwa Candida albicans. Ihre Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt im Fachmagazin mBio der American Society for Microbiology.
Einer der zehn besorgniserregendsten Pflanzenpathogene
Das besondere dabei ist, dass die Teams um die Molekularbiologen Dr. Rita Monson von der Universität Cambridge in Großbritannien und Dr. Miguel Matilla von der Estación Experimental del Zaidín Granada in Spanien sich nicht mit „irgendeinem“ Bodenbakterium beschäftigt haben, sondern mit dem pflanzenpathogenen Erreger Dickeya solani. Dieser Erreger wird mittlerweile zu den zehn besorgniserregendsten Pflanzenpathogenen gezählt und verursacht unter anderem bei Kartoffeln (Solanum tuberosum) die Schwarzbeinigkeit. Dabei verkümmern die oberirdischen Teile der Kartoffelpflanze, während gleichzeitig die Knollen nass verfaulen – mit dem entsprechenden hohen wirtschaftlichen Schaden für die Landwirtschaft.
Dickeya solani ist dabei ein noch recht neuer Erreger – erste Nachweise gab es erst um das Jahr 2000 in Israel und den Niederlanden. Der Erreger gilt als besonders aggressiv. Man vermutet, dass er von Zierpflanzen auf die Nachtschattengewächse (Solanaceen) übergesprungen ist. Auch die dazu gehörenden Tomaten sind etwa Ziele des Bakteriums.
Gencluster wohl verbreitet unter pflanzenassoziierten und anderen Bakterien
Das Solanimycin sei dabei wahrscheinlich „ein Antimykotikum, von dem wir glauben, dass es pilzliche Konkurrenten abtöten soll, was den Bakterien sehr nutzen kann“, zitiert etwa Bild der Wissenschaft Monson. Die Wissenschaftler untersuchten dabei alle beteiligten Gene, die zur Synthese des Makromoleküls, das kein Peptid ist, beitragen – den sogenannten sol-Gencluster. Bei Vergleichen mit bekannten Gensequenzen aus Datenbanken fanden die Forscher dabei, dass dieser Gencluster in leicht unterschiedlichen Varianten nicht nur in mit D. solani verwandten anderen Vertretern der Gattung Dickey vorkommt, sondern auch in anderen mit Pflanzen und deren Krankheiten assoziierten Gattungen. Dabei produzieren alle das Pilzgift nur unter besonderen Bedingungen und eher sparsam.
Man habe den Gencluster auch in Bakterienisolaten gefunden, die aus einem Beutel mit parenteraler Ernährung aus einer französischen Klinik stammten, sowie aus einem deutschen Moor, dem Wintergreen Lake im US-Bundesstaat Michigan und einer „holzbohrenden“ Schnecke. Die Forscher vermuten einen sogenannten horizontalen Gentransfer als Erklärung für die Verbreitung dieses Genclusters – Bakterien sind in der Lage, auch über Artgrenzen hinweg Gene auszutauschen – ein Mechanismus, der auch bei der Resistenzbildung gegen Antibiotika eine große Rolle spielt.
„Offen sein für alles, was es da draußen gibt“
Dementsprechend zitiert Bild der Wissenschaft Matilla: „Wir müssen offen sein für die Erforschung von allem, was es da draußen gibt, um neue antimikrobiell wirksame Substanzen zu finden.“ Ihre Studie bestätige die Ansicht, dass andere boden- und pflanzenassoziierte Mikroben als Aktinomyceten ein wenig erforschtes Reservoir an bioaktiven Sekundärmetaboliten mit potenziellem medizinischem und landwirtschaftlichem Nutzen darstellten, schreiben die Forscher in ihrer Veröffentlichung.
Eine biotechnologische heterologe Expression des insgesamt aufgeklärten Genclusters in biologisch sicheren Produktionsstämmen mit größeren Produktionsmengen sei eine gute Möglichkeit, Solanimycin sowohl etwa als Biopestizid gegen pflanzenpathogene Pilze einzusetzen als auch als Antimykotikum beim Menschen.
Dass unter anderem D. solani neben Solanimycin auch noch antibakterielle und antinematode Wirkstoffe produziert – und sich im Reich der Bakterien noch eine Menge solcher sekundärer Metabolite finden, ist dabei ein weiterer Forschungsanreiz.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.