Verdacht schwerer Täuschung

Ermittlungen gegen Merck in Frankreich wegen Änderung der L-Thyroxin-Rezeptur

Stuttgart/Lyon - 19.10.2022, 13:00 Uhr

Merck könnte wegen der Änderung der Rezeptur von L-Thyroxin ein Strafverfahren drohen. (Foto: IMAGO / Hans Lucas)

Merck könnte wegen der Änderung der Rezeptur von L-Thyroxin ein Strafverfahren drohen. (Foto: IMAGO / Hans Lucas)


Wegen der Änderung der Rezeptur eines Levothyroxin-Präparats ermittelt die französische Justiz gegen den dortigen Ableger des Darmstädter Pharmaherstellers Merck. Es geht wohl um den Verdacht schwerer Täuschung. Konkret drehen sich die Ermittlungen darum, wie Merck über die Änderung der Rezeptur informierte. 

Auf Drängen verschiedener Gesundheitsbehörden, darunter auch die französische Arzneimittelbehörde ANSM, hat Merck vor Jahren eine neue Rezeptur für sein L-Thyroxin-Präparat entwickelt. Die Gesundheitsbehörden forderten schärfere Wirkstoffspezifikationen von Schilddrüsen-Präparaten. Die Rezepturänderung soll eine höhere Stabilität und Konsistenz des Wirkstoffes während der ganzen Haltbarkeitsdauer gewährleisten. Seitdem muss der Levothyroxin-Gehalt über die Gesamtdauer der Haltbarkeit innerhalb eines Bereiches von 95 bis 105 Prozent liegen. Zuvor war für die Wirkstoffspezifikation ein Schwankungsbereich von 90 bis 110 Prozent Levothyroxin-Natrium erlaubt.

Mehr zum Thema

Die neue Formel war von Ende März 2017 an in Apotheken in Frankreich erhältlich. Patienten beschwerten sich daraufhin über Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Haarausfall oder Gewichtszunahme. Rund drei Millionen Menschen waren in Frankreich zu diesem Zeitpunkt auf das Medikament angewiesen. Nach Angaben von Merck hat die große Mehrheit der Betroffenen den Übergang auf die neue Mixtur gut überstanden. In Deutschland war die neue Formulierung 2018 eingeführt worden. Merck bestätigte damals gegenüber der DAZ, dass die neue Rezepturformulierung bioäquivalent zur früheren ist. Die Zusammensetzung, der Wirkstoffe und die Erscheinungsweise blieben nach Angaben von Merck gleich. Allerdings hat Merck zwei Hilfsstoffe geändert: Die neue Formulierung enthält Mannitol statt Lactose-Monohydrat und zusätzlich wasserfreie Zitronensäure.

Justiz ermittelt

Nun ermittelt die französische Justiz gegen Merck in Frankreich. Wie eine Sprecherin der Frankreich-Tochter am Mittwoch mitteilte, geht es um den Verdacht schwerer Täuschung. Konkret drehen sich die Ermittlungen darum, wie Merck über die Änderung der Rezeptur informierte. Das nun eingeleitete Verfahren kann am Ende zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise sehen. Andernfalls können sie das Verfahren einstellen.

Bereits Zivilverfahren wegen L-Thyroxin

Wegen des Schilddrüsenmedikaments stand Merck bereits in einem Zivilverfahren in Frankreich vor Gericht. Das Kassationsgericht als oberstes französisches Gericht bestätigte im März, dass Merck mehr als 3.000 Klägern Schadenersatz von je 1.000 Euro zahlen muss. Der Pharmahersteller habe auf dem Beipackzettel zwar wie erforderlich die neuen Inhaltsstoffe genannt. Das Kleingedruckte sei aber nicht ausreichend gewesen, um die Patienten über die geänderte Rezeptur zu informieren. Merck hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen. Ärzte und Apotheker sowie der Konzern selbst hätten aufgeklärt.


dpa-afx / jb
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.