GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Bundestag beschließt höheren Kassenabschlag

Stuttgart - 20.10.2022, 16:31 Uhr

Der Bundestag hat das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossen (Foto: IMAGO / Political-Moments)

Der Bundestag hat das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossen (Foto: IMAGO / Political-Moments)


Lauterbachs Spargesetz hat die letzte Hürde genommen: Am heutigen Donnerstag passierte es mit den Stimmen der Ampelkoalition den Bundestag. Es enthält unter anderem eine Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro für die kommenden zwei Jahre. Während den Ärzten auf den letzten Metern große Zugeständnisse gemacht wurden, blieben die Proteste der Apothekerschaft ohne Erfolg. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening spricht von einem „schwarzen Tag für die Apotheken in Deutschland“.

Die Erhöhung des Kassenabschlags ist so gut wie in trockenen Tüchern. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, in dem diese neue Belastung für die Apotheken enthalten ist, wurde am heutigen Donnerstag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP im Bundestag verabschiedet. Nun steht noch die Abstimmung im Bundesrat an. Dieser hatte zwar im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eine lange und kritische Stellungnahme zu den Sparplänen der Regierung vorgelegt und unter anderem gefordert, auf die Erhöhung des Kassenabschlags zu verzichten. Aber die Zustimmung der Länder ist nicht notwendig. Es handelt sich „nur“ um ein Einspruchsgesetz. Dieses Einspruchsverfahren ist allerdings alles andere als die Regel. Dass der Bundesrat in diesem Fall von diesem Recht Gebrauch macht, ist nicht zu erwarten.

Somit müssen also aller Voraussicht nach die Apotheken künftig 2 Euro statt 1,77 Euro pro Rx-Packung Abschlag an die Kassen zahlen. Das bedeutet 120 Millionen Euro Zusatzbelastung pro Jahr allein durch den erhöhten Abschlag, dazu kommen gestiegene Tarifgehälter, hohe Energiekosten und die Inflation. Seitens der ABDA geht man davon aus, dass im kommenden Jahr weitere Apotheken schließen müssen. 

Dass die Argumente der Apothekerschaft kein Gehör finden würden, zeichnete sich bereits im Gesetzgebungsverfahren ab. In der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags hakte allein ein CDU-Politiker nach, Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er wollte wissen, welche Auswirkungen die ABDA auf die flächendeckende Versorgung durch die geplante zweijährige Anhebung erwartet. Auch der einzige Änderungsantrag zum Thema Kassenabschlag kam von der Union. Er wurde jedoch abgelehnt. In den Prüfbitten und Änderungsanträgen der Regierungskoalition war eine mögliche Streichung der Erhöhung kein Thema. Im Gegenteil – die FDP kam mit der absurden Prüfbitte um die Ecke, inwiefern eine Erhöhung des Kassenabschlags eine Streichung der Importquote refinanzieren könnte.

Overwiening: Ein schwarzer Tag für die Apotheken in Deutschland

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening spricht von einem „schwarzen Tag für die Apotheken in Deutschland“. „Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren der Politik geholfen, die Pandemie zu meistern. Als Dank dafür wird ausgerechnet jetzt, wo die Apotheken wegen Inflation und Energiekrise selbst Hilfe und Entlastung bräuchten, die Vergütung gekürzt. Dabei gab es bis zuletzt finanzielle Spielräume bei der Gestaltung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, die Bundesregierung und Parlament einfach nicht für die Apotheken vor Ort nutzen wollten. Um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Die Apotheken sind keine Kostentreiber. Unser Anteil an den jährlichen GKV-Ausgaben liegt bei 1,9 Prozent. Seit 2005 ist die Tendenz sinkend. Das sind Fakten, die neben der Politik auch der GKV-Spitzenverband endlich anerkennen muss“, betont die ABDA-Präsidentin. 

Im Hinblick auf die Gesetzgebung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode erklärt sie, dass in ihren Augen die Politik in die falsche Richtung unterwegs ist. Sie müsse umkehren und Apotheken entlasten. „Dafür werden wir kämpfen“, verspricht Overwiening. „Dass wir das können, haben wir in dieser Woche eindrucksvoll mit den Schwerpunktstreiks in vier Bundesländern gezeigt, an denen sich enorm viele Apotheken beteiligt haben.“

Zugeständnisse an Ärzte

Deutlich erfolgreicher war die Ärzteschaft mit ihren Protesten. Zwar konnten sie den Wegfall der sogenannten Neupatientenregelung nicht verhindern. Allerdings bekommen sie einen lukrativen Ersatz: So sollen Haus- und Fachärzte demnach extrabudgetäre Zuschläge von bis zu 200 Prozent zur Versichertenpauschale erhalten, wenn sie Patient:innen, die durch die Terminservicestellen vermittelt werden, schnell behandeln. Außerdem soll der Zuschlag für Hausärzte für eine Vermittlung eines Termins bei einem Facharzt auf 15 Euro erhöht werden. Die Kosten dafür wurden im Zuge des Änderungsantrags nicht beziffert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnete dies während der Debatte im Plenum als wichtigen Schritt zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin, der eine wirkliche Verbesserung für die Versorgung der Patienten bringen soll. 

Das Gesetz enthält noch eine weitere Regelung, die die Apotheken betrifft: So soll die Biosimilar-Substitution in den Apotheken um ein Jahr verschoben werden. Eigentlich hätten bereits seit August Biologicals gegen Biosimilars sowie Biosimilars untereinander ausgetauscht werden dürfen – analog zur Generikasubstitution. So war es 2019 mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) festgelegt worden. Dies wird aber nun vertagt, weil es noch Unklarheiten gibt. Zudem soll sich zunächst auf Präparate konzentriert werden, die nicht vom Patienten selbst angewendet werden.

Apotheken tragen minimal zum Sparziel bei

Ziel des Gesetzes ist es, das für die kommenden Jahre prognostizierte Milliardendefizit der Kassen abzufedern. Der Beitrag der Apotheken mit 120 Millionen Euro ist dabei marginal. Andere Maßnahmen, die das Gesetz vorsieht, wie zum Beispiel die Abschmelzung der Finanzreserven der Kassen, die Erhöhung des Bundeszuschusses zur GKV, ein erhöhter Herstellerabschlag und nicht zuletzt die Erhöhung der Beiträge für die Versicherten, spülen den Kassen sicher mehr Geld in die Kassen, allerdings auch nur kurzfristig und nicht nachhaltig. 

Dass die Proteste der Apothekerschaft am gestrigen Mittwoch den Ausgang nicht beeinflussen werden, war wohl allen Beteiligten klar. Ziel der Proteste war aber eben nicht nur den Unmut über den erhöhten Kassenabschlag deutlich zu machen, sondern auch auf die Gesamtsituation der Apotheken hinzuweisen, deren Honorar seit Jahrzehnten von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt ist. Energiekrise und Inflation sowie gestiegene Löhne erhöhen den Druck auf die Branche. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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6 Kommentare

Unfassbar

von Jan Kusterer am 21.10.2022 um 9:21 Uhr

Wir haben die letzten 2 1/2 Jahre vielen Leuten und vielen Institutionen den Hintern gerettet. Wir haben Aufgaben übernommen, weil kein Anderer sie hätte machen wollen oder hätte können. Und dies ist der Dank, während Unmengen an Millionen mehr in der Gematik verschwinden. Wenn in 2 Jahren doch noch genügend Apotheken überlebt haben ist dies dann nur der klare Beweis für die Politik und die Kassen, dass man noch stärker auspressen kann.

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AW: Unfassbar

von Dr. Radman am 21.10.2022 um 10:04 Uhr

Es darf nicht stillschweigend hingenommen weden.

Untergang der kleinen Buden

von Conny am 20.10.2022 um 20:20 Uhr

Ich war ja immer der Böse für die ganzen Schleimer und devoten Lemmerlinge. Herzlichen Glückwunsch zum Ergebnis.

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wer hätte es gedacht...

von Miraculix am 20.10.2022 um 18:36 Uhr

Jetzt bin ich mal gespannt, wie unsere Standesvertreter unseren Stand vertreten, nachdem ein bundesweiter Streik ja nicht das richtige Mittel sein durfte.
Vielleicht widmen sie unsere vorgeschriebene Mindestöffnungszeiten jetzt in maximale Öffnungszeiten um (z.B. 9.00-12:00 und 15:00-18:00, Mittwoch und Freitag Nachmittag sowie Samstag geschlossen). Natürlich mit standesrechtlichen Strafen bei Zuwiderhandlung. So eine Art "ziviler Ungehorsam in Form von Dienst nach Vorschrift".
Ach nein, ich vergaß, das würde ja nur den Versandhandel begünstigen...völlig falsches Zeichen...
Also freuen wir uns, weil es ja noch viel schlimmer hätte kommen können?
Wir freuen uns, in Zeiten des Fachkräftemangels - auch in Apotheken! - über pDL, Imfungen durch Apotheker, und demnächst über das Riesengeschäft mit Cannabis?
Jetzt freuen wir uns erst einmal über die kreativen Ideen, die bestimmt viel besser wahrgenommen werden und auch viel effektiver sein werden der nächsten Tage...

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„Dafür werden wir kämpfen,“

von Karl Friedrich Müller am 20.10.2022 um 16:55 Uhr

Bisher haben die ABDA und der DAV sich vornehm zurückgehalten. Ich glaube kein Wort.
Auch für Streiks waren sie nicht zu haben-
man hat den erhöhten Abschlag sogar zunächst bagatellisiert und sich nur um den Termin gestritten, bzw um einen "angenehmen" gebeten.
Das Fiasko ist das Ergebnis der Politik und des Unvermögens der ABDA und des DAV.

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AW: „Dafür werden wir kämpfen " - Wie bitte ?????

von Dr. Alfred Stuhler am 20.10.2022 um 19:21 Uhr

"Overwiening: Ein schwarzer Tag für die Apotheken in Deutschland"
.... Dank der völlig insuffizienten bis nicht exsistenten Standespolitik der ABDA. Diese Aussage ist eine Bankrotterklärung unserer Standeszertretung. Sich auch noch die, viel zu späten, "Streiks" in ein paar Bundesländern ans Revers zu heften, ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.
Wir werden weder von den Krankenkassen noch von der Politik ernst genommen, das Resultat jahrzehntelangen Versagens. Aber wir waren immer gesprächsbereit und es hätte schlimmer kommen können.

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