Protestaktion in den Medien

Presseschau zum Apothekenstreik – wie berichten die anderen?

Berlin - 20.10.2022, 17:50 Uhr

Wie gehen die Publikumsmedien mit dem Apothekenstreik um? (Foto: IMAGO / Nikita)

Wie gehen die Publikumsmedien mit dem Apothekenstreik um? (Foto: IMAGO / Nikita)


Nicht nur die Politik und die Bürgerinnen und Bürger wollten die Apotheken im Saarland, in Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg für ihre Lage sensibilisieren – auch die Presse war Adressat der Aktion. Wie berichten die Publikumsmedien über den Streik? Hier finden Sie einen Überblick.

Am gestrigen Mittwochnachmittag streikten die Apotheken in Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und dem Saarland. Nach Einschätzung der Verbände war die Aktion ein voller Erfolg – auch mit Blick auf das mediale Echo.

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Viele Lokalredaktionen erkundigten sich in den Apotheken vor Ort über die Hintergründe der Protestaktion – so etwa der NDR, der Apotheker Otto Bastrop im schleswig-holsteinischen Niebüll besuchte. „Wir wollen nichts geschenkt bekommen“, sagt er im Videointerview. „Wir wollen nur vernünftig wirtschaften und dass unsere Arbeit gewürdigt wird.“ Zitiert wird auch ein Schreiben des örtlichen Verbands der Ersatzkassen, in dem es heißt: „Die Erhöhung des Kassenabschlags greift zu kurz und löst nicht dauerhaft die Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Krankenkassen.“

Für Susanne Koch „ein Schlag ins Gesicht“

Der SR schlug in der Süd-Apotheke in Saarbrücken-Dudweiler auf. Inhaberin ist Susanne Koch, Vorsitzende der Saarländischen Apotheker-Vereins. Sie betont: Nachdem die Apotheken in der Pandemie so viele zusätzliche Aufgaben geschultert haben, fühle es sich wie „ein Schlag ins Gesicht“ an, dass nun finanzielle Restriktionen folgen sollen. In den vergangenen zehn Jahren mussten dem Bericht zufolge 15 Prozent der Apotheken im Saarland schließen – und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz könnte diese Entwicklung sogar noch beschleunigen.

Erklären muss Koch allerdings, weshalb der Eindruck trügt, Apotheken hätten in der Pandemie besonders gut verdient. Einen Seitenhieb kann sich Moderator Joachim Weyand nicht verkneifen: „Mal sind es die Apotheken, immer sind es die Versicherten, die zur Finanzierung der Kassen zur Kasse gebeten werden“, kommentiert er am Ende des Beitrags.

„Auf die Dauer ein Kaputtsparen“

Der Sender rbb24 sprach mit Apotheker Robert Langner aus Potsdam. Er erläutert im Radiointerview: „Wir können keine Arbeit für umsonst leisten. Unsere Kosten steigen auch und wenn uns auf der anderen Seite unsere Haupteinnahmequelle nicht erhöht wird, sondern sogar noch weiter reduziert wird, ist das auf die Dauer ein Kaputtsparen.“

Für einen TV-Beitrag informierte sich der rbb bei Apothekerin Antje Oesberg, Potsdam, was sie zum Protest bewegt. „Streik – das kennt man von Apotheken normalerweise nicht“, heißt es im Bericht. Doch für Oesberg geht es offenbar nicht mehr anders. „Jetzt ist eine Situation eingetreten, wo wir unseren Protest äußern müssen“, erläutert sie. „Wir haben seit über zehn Jahren keine Honorarerhöhung gehabt, ganz im Gegenteil – jetzt soll das Honorar gekürzt werden.“ Dem stünden massive Kostensteigerungen gegenüber.

Im ersten Halbjahr 2022 bei 15 Prozent der Apotheken in Brandenburg eine schwarze Null 

Für die Apotheken sei das unannehmbar, wird der Apothekerverband Brandenburg zitiert. Verbandschef Olaf Behrendt sagt: „Es haben im ersten Halbjahr 2022 15 Prozent der Apotheken eine schwarze Null geschrieben.“ Sie alle hätten also im ersten Halbjahr dieses Jahres von Reserven gelebt und keinen Gewinn erwirtschaftet. „Das ist auf Dauer nicht machbar.“ Gerade im ländlichen Raum, so die Erwartung, müssten weitere Apotheken schließen.

RTL Nord konzentriert sich auf die Situation in Hamburg und Schleswig-Holstein. Demnach fürchtet dort sogar jede vierte Apotheke um ihre Existenz. Apothekerin Martje Meinke aus Kiel stehe das Wasser bis zum Hals – das ist auch im TV-Beitrag deutlich spürbar. Meinke kann kaum die Tränen zurückhalten, als sie den Journalisten von ihrer wirtschaftlichen Lage erzählt. „Es ist wirklich schwer“, sagt sie. „Das macht mich fertig.“ 22 Jahre lang habe sie ihre Apotheke über Wasser halten können. Die Kunden kommen – doch das Geld fehlt. Nun braucht Meinke für den Betrieb bereits ihre privaten Ersparnisse auf. „Ich kann nur auf ein Wunder hoffen, dass doch noch eingelenkt wird. Sonst weiß ich nicht, wie es weitergeht.“

Schleswig-Holsteins Landesgesundheitsministerin stellt sich hinter die Apotheken

Landesgesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) stellt sich im Bericht übrigens klar hinter die Apotheken: Ihr Anteil an den GKV-Kosten liege gerade einmal bei 1,9 Prozent, betont sie. „Wenn man sich das vergegenwärtigt und dann die Höhe des Abschlags in Relation setzt, sieht man, dass das Ganze unverhältnismäßig ist“, sagt sie mit Blick auf das heute beschlossene Sparpaket aus dem Hause Lauterbach.

„Endlich traut ihr euch mal was!“, titelt Eva Bahn auf doccheck.com. Immer wieder sei in den sozialen Medien davon gesprochen worden, aber dass verschiedene Landesapothekerverbände sich nun tatsächlich trauten, zum Streik aufzurufen, das „hat dann doch kaum jemand zu hoffen gewagt“, so die PTA. „Das gab es schon lange nicht mehr, bei den sonst eher braven Pharmazeuten.“

Zwar seien nicht alle Apothekeninhaberinnen und -inhaber glücklich damit, wie der Streik angelegt sei. „Der Zeitpunkt einen Tag vor der Abstimmung sei zu spät gewählt worden, heißt es oft, und der Mittwochnachmittag zu zahm.“ Dennoch begrüßt sie die Aktion: „Die Apothekerschaft hat sich endlich dazu bereiterklärt, sich zu wehren und der Bevölkerung zu zeigen, dass man am Limit ist.“ Bahns Fazit: „Die Politik muss rechtzeitig bemerken, dass es ein Fehler wäre, den Apotheken weitere Kürzungen zuzumuten.“

MdB Zippelius: Die Ärzte sind besser koordiniert

Die DAZ-Schwester PTAheute.de nutzte die Gelegenheit, mit dem CDU-Abgeordneten Nicolas Zippelius aus dem Landkreis Karlsruhe zu sprechen. „Sind die Apotheken zu leise?“, fragt PTAheute. Dieses Gefühl hat Zippelius zwar nicht, er stellt aber fest, dass die Ärzte besser koordiniert seien. „Die Apothekerschaft schießt mit vielen Pfeilen in Richtung Regierung, während die Ärzte daraus eine Kanonenkugel formen“, sagt der Abgeordnete. Deshalb fänden sie vielleicht mehr Gehör. „Meine Erfahrung aus dem Wahlkreis zeigt, hier koordinieren sich die Ärzte besser, ja!“

Die Union hatte sich zuletzt für die Apotheken stark gemacht und einen Änderungsantrag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingebracht, mit dem sie die Erhöhung des Kassenabschlags verhindern wollte. Wenn sich CDU und CSU jetzt so für die wirtschaftlichen Belange der Apotheken einsetzen und ihre Not anerkennen, drängt sich doch eine Frage auf: Weshalb hat die Union nicht mehr für sie getan, als sie an der Regierung war? „Ja, wir hätten früher etwas machen können und müssen“, räumt Zippelius ein. „Ich glaube, dass Politik generell nicht ohne Selbstkritik funktionieren kann. Wir müssen da mit einem richtig ordentlichen Schuss Selbstkritik in die Abstimmung gehen. Und wir haben die Aufgabe, als größte Oppositionsfraktion Dinge zu hinterfragen.“


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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2 Kommentare

Streik

von Sven Larisch am 21.10.2022 um 7:41 Uhr

Der Streik hätte bundesweit stattfinden müssen. Auch wenn es einen Versorgungsauftrag gibt. Den Auftrag kann man aber ohne das Geld nicht erfüllen. Also ist bereits die Regierung vertragsbrüchig geworden. Zu spät zu inkonsequent. Erfolg: Der Abschlag kommt und bleibt nicht bei 2 Jahren- da es ja so gut läuft und die Kassen immer noch nicht besser wirtschaften. Besser nur eine Kasse mit einer Verwaltung. Spart viel Geld und die frei werdenden Verwaltungsangestellten der GKV haben eine bessere Work-Life-Balance. In dem Sinne- fröhliches Apothekensterben. Mögen die Ketten kommen und gewinnen .

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Streik

von Anita Peter am 21.10.2022 um 8:36 Uhr

"Also ist bereits die Regierung vertragsbrüchig geworden"

Und hier schreiben Sie ja schon indirekt wie die einzige Lösung aussehen kann -> Austritt aus allen Liefer- und sonstigen Verträgen. Umstellung auf Selbstzahler!

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