Apothekenstreik – der Tag danach

„Wir haben das geschafft, was wir wollten“

Stuttgart - 20.10.2022, 12:30 Uhr

Susanne Koch und Kai Christiansen (Fotos: SAV | AK Schleswig-Holstein)

Susanne Koch und Kai Christiansen (Fotos: SAV | AK Schleswig-Holstein)


Die Organisatoren des Apothekenstreiks in vier Bundesländern zeigen sich am Morgen nach der Protestaktion sehr zufrieden. Die Botschaften seien wahrgenommen worden und im Hinblick auf die angekündigte GKV-Strukturreform im kommenden Jahr habe man Ansprüche stellen können. Im DAZ-Podcast berichten Susanne Koch und Kai Christiansen von ihren Erfahrungen aus dem Saarland bzw. aus Schleswig-Holstein.

Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, sieht es nicht als Nachteil, dass die Apotheken am gestrigen Mittwochnachmittag nur in einigen wenigen Bundesländern gestreikt haben. „Das waren kleine Leuchtfeuer, die schon mal gezündet wurden.“ Die Politik sei aufmerksam geworden und wenn es im kommenden Jahr um die angekündigte Strukturreform gehen sollte, gebe es somit noch einige Eskalationsstufen. „Wir haben das geschafft, was wir wollten“, resümiert Christiansen im DAZ-Podcast. 

Christiansen „glücklich und froh“ über Begeisterung

Die Begeisterung, die er bei seinen Kolleginnen und Kollegen feststellen konnte, macht ihn glücklich und froh. Andere Streiktage hält er aus Kammersicht für schwierig, weil die Apotheken nur am Mittwochnachmittag eine Schließungserlaubnis haben. Er betont: „Es sollte nicht gegen unsere Patienten gehen.“ Politik und Presse sollten vielmehr mitbekommen, was in den Apotheken aktuell los ist.

Genau diese Zusammenhänge zu erklären, hält Susanne Koch für eine Herausforderung. Die Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins und Inhaberin zweier Apotheken berichtet, dass man die komplexe Thematik für die Öffentlichkeit herunterbrechen müsse. Im Großen und Ganzen sei das Verständnis aber da gewesen, dass gestern Nachmittag vielerorts die Offizinen aus Protest gegen die Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro geschlossen blieben. Der Saarländische Apothekerverein hatte Anfang vergangener Woche als Erstes die Protestaktion angekündigt. Die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Brandenburg folgten dem Aufruf. Apotheken in Nordrhein waren gestern aufgerufen, als Zeichen des Protests für etwa eine Stunde ihre Ladenbeleuchtung auszuschalten oder zumindest herunter zu dimmen. Koch hält die Aktionen für „durchweg positiv“.

Schleswig-Holsteins Kammerpräsident schreibt an Apothekersohn Habeck

Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Christiansen hat sich sogar mit einem Brief an den für das Apothekenhonorar verantwortlichen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gewandt, der aus einer Apothekerfamilie stammt und seinen Wahlkreis in Schleswig-Flensburg hat. Christiansen erklärt in dem Schreiben, dass die Apotheken im Jahr 2005 noch einen Wertschöpfungsanteil an den GKV-Ausgaben von 2,8 Prozent hatten. Die Ärzte dagegen 15,2 Prozent. Bei den Apotheken sei der Anteil bis zum Jahr 2021 auf 1,9 Prozent gesunken, während die Ärzte ihren wiederum auf 15,8 Prozent steigern konnten.

Wären die Apotheken wenigstens konstant bei 2,8 Prozent geblieben, so würden jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro mehr im System Apotheke sein. Geld, welches Kai Christiansen eins zu eins an seine Mitarbeiterinnen weitergeben würde. Seine PKA, die seit 20 Jahren im Beruf ist, müsste sich dann nicht fragen, warum sie überhaupt eine dreijährige Ausbildung und anschließend 17 Jahre Berufserfahrung einbringt und dennoch gerade 1 Euro über Mindestlohn verdient.

Christiansen wünscht sich, dass Habeck beim nächsten Besuch bei seiner Mutter mit ihr als Apothekerin ins Gespräch darüber kommt, wie es zurzeit in Apotheken aussieht, in der Hoffnung, „dass Ihre Mutter vielleicht noch Kontakt zu ehemaligen Mitarbeiterinnen hat und weiß, wie angespannt die Lage und Personalsituation ist, wie hoch das Arbeitspensum ist und wie groß die tägliche Belastung ist“.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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