„Ärzte Zeitung“ rechnet vor

Weshalb Apotheken an der Grippeimpfung doch nicht mehr verdienen als Ärzte

Stuttgart - 21.10.2022, 17:50 Uhr

Die Ärztezeitung hat sich ausführlich mit dem Honorar für die Grippeimpfung auseinandergesetzt. (b/Foto: eda / DAZ)

Die Ärztezeitung hat sich ausführlich mit dem Honorar für die Grippeimpfung auseinandergesetzt. (b/Foto: eda / DAZ)


Impfungen gegen COVID-19 und Influenza sind längst in den deutschen Apotheken angekommen, doch die standespolitischen Streitereien gehen weiter. Für den aktuellen Aufschrei in den Verbänden der Ärzteschaft sorgen die 11 Euro Impfhonorar: Dürfen Apotheken mehr verdienen als die Praxen? Die „Ärzte Zeitung“ kommt in einer Analyse zu dem Fazit, dass die Empörung nicht gerechtfertigt ist.

Aus dem (Standes-)Politikum „Impfen in der Apotheke“ ist inzwischen eine Notwendigkeit geworden. Apotheken dürfen und sollen sich unbedingt an den Impfkampagnen gegen COVID-19 und Influenza beteiligen. So will es der Gesetzgeber und so erfordert es die aktuelle Lage.

Abgesehen davon lässt die Impfsituation in Deutschland seit Jahren zu wünschen übrig. Gemessen an den saisonalen Grippeimpfungen sind die empfohlenen Quoten in den Altersgruppen hierzulande zu niedrig. Die Apotheken können der Bevölkerung nun ein niedrigschwelliges Impfangebot unterbreiten und so die Impfkampagnen gegen COVID-19 und Influenza insgesamt ankurbeln.

Doch die Proteste aus den Reihen der ärztlichen Berufsverbände sind nicht leiser geworden. Im Gegenteil: Als Mitte Oktober bekannt wurde, auf welche Konditionen sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit dem GKV-Spitzenverband für die Grippeschutzimpfungen in den Apotheken geeinigt hat, war der Aufschrei groß. Unterm Strich geht es um 11 Euro für den Piks. „Warum sollte eine Ärztin oder ein Arzt, die/der das Impfen und den Umgang mit möglichen Impfreaktionen in Aus- und Weiterbildung gelernt hat, weniger Vergütung erhalten als Apothekerinnen und Apotheker“, fragte beispielsweise der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV), Markus Beier.

Die „Ärzte Zeitung“ hat sich in ihrer Printausgabe vom 20. Oktober dieser Frage angenommen. Hauke Gerlof, stellvertretender Chefredakteur, analysiert unter der Überschrift „Impfduell – Wer kriegt mehr?“, ob zwischen Apotheken und Praxen im Hinblick auf das Impfhonorar mit zweierlei Maß gemessen wird. „Ganz einfach ist die Sache tatsächlich nicht“, kündigt Gerlof direkt zu Beginn an. Und das zeigt sich auch in den Statements der Ärztevertreter. Denn während Hausärzte-Chef Beier noch selbstbewusst pauschalisierte, argumentierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kurz danach etwas vorsichtiger: 11 Euro Honorar fürs Impfen seien „mehr als viele niedergelassene Kolleginnen und Kollegen bekommen“. 

Diese Formulierung hält der Redakteur der „Ärzte Zeitung“ für keinen Zufall, denn die Honorarhöhe für die Grippeimpfung in der Arztpraxis regele jede Kassenärztliche Vereinigung (KV) anders. Es gebe zwar weitgehend einheitliche Leistungspositionen in den KVen, doch die Vergütung für die Standard-Grippeimpfung falle in den Bundesländern unterschiedlich aus: von aktuell 7,86 Euro in Sachsen-Anhalt bis 9,80 Euro in Hessen. Der Hausärzteverband gehe im Durchschnitt von etwa 8 Euro aus.

Warum der 11-Euro-Vergleich hinkt

Also fällt das Impfhonorar für die Ärzte im Vergleich zu den 11 Euro für die Apotheken tatsächlich geringer aus? Die „Ärzte Zeitung“ befragte für ihre Analyse auch die ABDA und stellt im Artikel klar: Aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker geht es eigentlich um 7,60 Euro, und dies sei ein „im Vergleich zu den regionalen Impfvereinbarungen der Ärzteschaft sehr niedriger Wert“. 2,40 Euro kämen für Nebenkosten und verfallene Dosen dazu, außerdem noch 1 Euro für die Beschaffung der Impfdosis. „Diesen einen Euro allerdings […] erhalten die Apotheken auch, wenn Ärztinnen oder Ärzte bei ihnen Grippeimpfstoff bestellen und sie ihn ausliefern“, heißt es im Beitrag.

Der Hausärzteverband sieht die Benachteiligung auch nach dieser differenzierten Betrachtung immer noch bestätigt: „Zusätzliche Vergütungsposten für Ärzte kommen hier bekanntlich nicht dazu.“ Somit bestehe eine Differenz zu den Apotheken, „die für uns nicht nachvollziehbar ist“. KBV-Chef Andreas Gassen weist darauf hin, dass die Apotheken neben dem Honorar auch eine finanzielle Absicherung für zu viel bestellten Impfstoff erhielten. „Es kann daher nicht sein, dass Apothekern diese finanzielle Absicherung von den Kassen eingeräumt wird, während Ärzten von denselben Kassen dann ein Regress droht“, wettert Gassen.

Impfstoff-Verfall in den Praxen: Kassen tragen das Risiko

An dieser Stelle hätte die Analyse in der „Ärzte Zeitung“ auch enden können. Doch Vize-Chefredakteur Hauke Gerlof legte seinen Stift noch längst nicht zur Seite. „Also sind Apothekerinnen und Apotheker doch bessergestellt als Ärzte“, schreibt er und setzt dahinter bewusst keinen Punkt, sondern ein Fragezeichen. Denn anhand der „relativ komfortablen“ Vergütung von 9,80 in Hessen deckt er auf, dass auch in diesem Betrag keine Nebenkosten enthalten sind. Diese würden den allgemeinen Praxiskosten zugeordnet und durch die Vergütung für vertragsärztliche Leistungen oder über den Sprechstundenbedarf abgegolten. Davon abgesehen, trügen die Kassen das Risiko für den Verfall von Impfdosen in den Praxen. „Derzeit erfolgt […] noch keine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dass geimpft wird, ist derzeit wichtiger, als Verluste zu regressieren“, erklärt die KV Hessen.

Unerwähnt bleibt an dieser Stelle jedoch, dass der Gesetzgeber für die Impfsaisons 2021/22 und 2022/23 konkret festgelegt hat, dass Überschreitungen von bis zu 30 Prozent noch als wirtschaftlich gelten. Zudem fordert die KBV grundsätzlich die Streichung von § 106b Absatz 1a im SGB V, wonach Ärztinnen und Ärzte in Regress genommen werden können, wenn die bestellte Menge an Influenza-Impfstoff über der verbrauchten Menge liegt.

Der blinde Fleck

Der Artikel blendet auch aus, dass Kassenärztinnen und -ärzte darüber hinaus durch die Impfung von Privatversicherten profitieren. Außerdem ist das Impfen in der Praxis einer von vielen Behandlungsvorgängen, der in den seit Jahren etablierten Prozessen praktisch „mitläuft“. Für die Apotheken ist diese Tätigkeit allerdings ganz neu und mit einem gewissen Etablierungsaufwand verbunden. Weil es in Apotheken bisher keine Behandlungen gab, müssen die Betriebe noch Versicherungen abschließen und Investitionen tätigen.

Das Fazit der Honoraranalyse in der „Ärzte Zeitung“ ist aus Apothekensicht dennoch bemerkenswert wohlwollend: „So dürften sich die Apotheker unterm Strich einen guten Mittelwert bei Impfhonoraren erstritten haben – der dadurch gerechtfertigt sein könnte, dass sie die Impfung nicht delegieren können, anders als die Ärzte.“ Und Hauke Gerlof schließt mit einer sehr persönlichen Anmerkung ab: Sicher sei es gut, wenn ein Hausarzt oder eine Hausärztin beim Impfen den Hut aufhat. Dafür müsse er oder sie ihn aber auch aufsetzen, erwartet Gerlof und winkt: „Der Autor jedenfalls, Risikopatient, hat bis Mitte Oktober von seinem Hausarzt noch keine Impferinnerung erhalten.“ 

Zu hoffen bleibt, dass sich das inzwischen geändert hat.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Schön, auch mal was fundiertes zu lesen

von ratatosk am 24.10.2022 um 9:54 Uhr

Auch wenn hysterische uninformierte Funktionäre leider immer öfter sich ohne Ahnung zu haben äußern, ist es gut zu wissen, daß es auch noch fundierte Kenntnisse gibt.
Gerade bei Leistungen wie Impfen oder Medikationsplan sind es ja die Praxen, die das Geschehen maßgeblich beeinflussen. Wenn alle Impfwilligen unproblematisch in der Praxen geimpft werden und alle, die es möchten auch mit der Behandlung einen Medikationsplan bekommen, wird ja kaum jemand die Apotheken dafür aufsuchen. Wenn aber Praxen es zeitlich nicht schaffen, oder nicht wollen, dann ist es wichtig, daß die Patienten andere Möglichkeiten haben, - so wird ein Schuh draus.
Das akademische Niveau der Diskussion sollte schon ein Mindestmaß halten können.

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Brillianter Artikel

von Prof. Dr. med. Harald H.H.W. Schmidt am 22.10.2022 um 10:40 Uhr

Alles perfekt zusammengefasst. Gut wenn wenigstens einer in dem Streit noch rechnen kann. Hoffentlich geht es bald wieder primär um die Patienteninteressen und nicht um das Ärztehonorar.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Was komplett fehlt…

von Felix Maertin am 21.10.2022 um 22:03 Uhr

…ist doch die Quartalspauschale!

Warum findet das hier keine Erwähnung?

Gerade die Gruppe der Grippe-Impfwilligen haben wir besonders junge Menschen. Absolut lukrativ!

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AW: Was komplett fehlt

von D.Dannmann am 22.10.2022 um 7:41 Uhr

Da liegen Sie falsch. Die Versichertenpauschale darf nicht angesetzt werden. Es sei denn, es findet zusätzlich tatsächlich eine kurative Leistung statt.

https://link.springer.com/article/10.1007/s15006-017-9144-1

https://www.deutschesarztportal.de/interaktiv/rp-newsletter/der-hausarzt/detail/grippe-und-corona-impfung-03000-ebm-nur-manchmal-erlaubt

AW: Was komplett fehlt

von Felix Maertin am 22.10.2022 um 8:16 Uhr

Vielen Dank, danach hatte ich mehrfach gesucht und nichts gefunden.

Ich darf aber ganz frei heraus sagen:
Ich bezweifle zutiefst, dass dies so gehandhabt wird. Haben Sie mal die jährliche Aufstellung (Behandlungsübersicht) sich zuschicken lassen? Sie werden überrascht sein, was da alles drin steht und niemals erbracht worden ist. Das System ist krank…

Es sollte wie in der Schweiz laufen: Jede einzelne Behandlung sollte den Patienten inkl. der Kosten zugeschickt werden und dieser reicht es bei der Kasse ein…

Danke nochmal!

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