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Forscher:innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben jetzt einen Weg gefunden, per 3D-Drucktechnik ein Insektenschutzmittel in tragbare Gegenstände zu integrieren. Als Prototyp haben sie einen Fingerring entwickelt, der über mehr als eine Woche stechende Insekten wirksam abhält.
Malaria ist immer noch eine der gefährlichsten Krankheiten weltweit – und mit dem Klimawandel sind die Überträger des Erregers, die Anopheles-Stechmücken, auf dem Vormarsch in Richtung Norden. Das gilt auch für die stechenden Überträger des Dengue- oder des West-Nil-Fiebers. Umso wichtiger ist es, als vorbeugende Maßnahme, nicht nur Impfungen und Prophylaxe-Arzneimittel anzuwenden, sondern auch einen wirksamen Insektenschutz.
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Sprays und Lotionen mit wirksamen Insektenschutzmitteln wie etwa dem Wirkstoff IR3535 haben allerdings einen entscheidenden Nachteil: Man muss sie regelmäßig neu auftragen und ist man etwa in den Regen gekommen, hat sich das mit der Schutzwirkung auch erstmal erledigt bis man sich neu eingesprüht hat. Wie praktisch wäre es, wenn man einen Gegenstand mit sich tragen könnte, der über einen längeren Zeitraum wie ein Schutzschild die stechenden Plagegeister fern hält?
Insektenschutz wird durch die Körpertemperatur verdampft
Genau so etwas haben nun Forscher:innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) entwickelt. Mittels einer speziellen 3D-Drucktechnik konnten die Wissenschaftler:innen um René Androsch, Professor für Kunststofftechnik an der MLU, den Wirkstoff IR3535 in ein biologisch abbaubares Polymer integrieren, das sie als Prototyp in Form eines Fingerrings druckten. „Mückensprays auf der Basis von IR3535 sind seit vielen Jahren weltweit im Einsatz und gelten als gut verträglich. Deshalb haben wir das Mittel für unsere Experimente genutzt“, erklärt Androsch. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher:innen jetzt im Fachmagazin International Journal of Pharmaceutics.
Der Ring sei dabei nur eine von verschiedenen möglichen Formen, den Insektenschutz tragbar zu machen. „Die Grundidee ist, dass das Insektenschutzmittel dabei kontinuierlich verdampft, also an die Umgebung abgegeben wird, und dann eine Barriere gegen Insekten bildet“, sagt Fanfan Du, Erst-Autorin der Studie und Doktorandin im Team von Androsch. Die Chemiker kooperierten dabei mit der Forschungsgruppe des Chemie-Professors Wolfgang Binder an der MLU.
Kooperation mit Südafrika für den Praxistest
Noch handele es sich um einen Prototyp und es sei noch einiges an Forschung notwendig, bis die Idee eventuell kommerziell umgesetzt werden könnte. So arbeiten die Forscher:innen unter anderem noch daran, das Trägermaterial zu verbessern und die Bedingungen zu optimieren, unter denen das Repellent in die Umgebung abgegeben wird. Mehrere Faktoren wie die Temperatur, die Konzentration und die Struktur des eingesetzten Polymers seien unter anderem verantwortlich dafür, wie lange der Insektenschutz vorhält. Aufgrund ihrer Versuche gehen die Forscher aktuell davon aus, dass das Insektenschutzmittel bei einer Temperatur von 37 Grad Celsius, also Körpertemperatur, weit mehr als eine Woche benötigt, um vollständig zu verdampfen.
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Um ihre Erfindung auch unter Realbedingungen testen zu können, kooperieren die Forscher:innen international. „Wir haben Kooperationspartner an der Universität Pretoria (Südafrika), die auch Möglichkeiten haben, unsere Prototypen von ,wearable repellent delivery devices‘ unter Realbedingungen zu testen“, sagt Androsch.
Hinsichtlich des Trägermaterials habe man verschiedene Kunststoffe getestet, wie etwa Polyethylene. In ihrer Studie arbeiteten die Forscher:innen mit PLLA (Poly l-lactic acid) also einem Polymer aus Milchsäure. „Wir konzentrieren uns derzeit auf bioabbaubare Polymere, wobei wir annehmen, dass über die Feinstruktur des polymeren Trägers sowohl die Repellentaufnahmefähigkeit als auch Release-Charakteristik steuerbar sind“, sagt Androsch.
„Hier ist weitere Forschung notwendig, um die Wechselbeziehung zwischen der chemischen und physikalischen Struktur des Trägers einerseits und der maximalen Repellentaufnahmefähigkeit und Verdampfungscharakteristik andererseits zu erfassen.“
Keine Beschränkung auf Insektenschutzmittel
Die Idee der tragbaren Wirkstoffabgeber könne dabei weit gefasst werden. „Eine Beschränkung auf das hier untersuchte IR3535 besteht nicht. So haben wir haben in Vorgängerstudien zum Beispiel auch DEET (Diethyltoluamid) verwendet. Im Prinzip können viele flüssige Wirkstoffe in den Kunststoff eingearbeitet werden, wobei natürlich über die chemische Struktur das Lösungsverhalten und die Abgabekinetik kontrolliert werden müssen. Eine Beschränkung auf Insektenschutzmittel besteht nicht“, erklärt Androsch.
Und auch die Form sei nicht auf einen Ring beschränkt. „Im konkreten Fall der bisher 3D-gedruckten Teile liegt das Repellent gelöst im Polymer vor, ähnlich wie nach Extrusion, Electrospinning oder klassischem Schmelzespinning – alles Verfahren, die wir bereits getestet haben. Denkbar ist nun aber auch der 3D-Druck definierter Hohlräume bestimmter Geometrie, als Reservoir für das Insektenschutzmittel im Träger. Derartige Strukturen werden häufig für klassische „drug-delivery devices“ verwendet, erklärt der Polymer-Forscher. „Was extrudierte Produkte anbetrifft, haben unsere Forschungspartner in Südafrika bereits Prototypen von Sandalen mit Repellent hergestellt.“
Bislang nur Grundlagenforschung und Prototypen
Als nächste Forschungsschritte fokussiere man sich derzeit auf die Erforschung des Einflusses der chemischen Struktur der Polymere auf die Eigenschaften der Polymer-Wirkstoff-Kombination, sagt Androsch. „Die chemische Struktur bestimmt zum Beispiel das Lösungsverhalten oder das Kristallisationsverhalten, was wiederum die nicht unwichtigen mechanischen Eigenschaften des Produktes bestimmt.“
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Ein weiteres Forschungsziel sei die systematische Erfassung des Einflusses der 3D-Druckparameter etwa Temperaturführung während der Solidifizierung auf Produkteigenschaften. „Weiterhin möchten wir Alternativrouten der Generierung von Hohlräumen im 3D-Druckbauteil verfolgen“, sagt Androsch.
Insgesamt sei man bestrebt, die schon langandauernde Forschung auf dem Gebiet des Outdoor-Insektenschutzes fortzusetzen.
Von einer industriellen Anwendung ist man noch ein Stück entfernt. „Als Universität sind wir vor allem im Bereich der Grundlagenforschung tätig, wir stellen keine marktfähigen Produkte her. Bisher handelt es sich bei unseren Devices um Prototypen. Wir sind aber offen für mögliche Kooperationen mit interessierten Industriepartnern“, sagt Androsch. Man habe zwar noch keine Forschungsanstrengungen in Richtung einer größeren Produktion unternommen, „aber wir gehen davon aus, dass ein Upscaling zu gegebener Zeit problemlos möglich ist“, sagt der Wissenschaftler.
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