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Neue Erkenntnisse zum Mechanismus
Grippe: Auch eine lokale Infektion der Lunge kann Thrombose-Risiko erhöhen
COVID-19 ist nicht zuletzt wegen des Risikos für die Entstehung von Thrombosen (bei schweren Verläufen) weltweit gefürchtet. Vor Beginn der Corona-Pandemie bereitete in den Wintermonaten jedoch vor allem das Grippevirus regelmäßig Sorgen, sodass Risikopatient:innen die jährliche Grippeimpfung empfohlen wird. Wie das Paul-Ehrlich-Institut mitteilt, hat ein Forschungsverbund nun verdeutlicht, wie auch das Influenza-Virus die Blutgerinnung negativ beeinflussen kann.
Wie es in einer Mitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) von vergangener Woche heißt, kann eine lokale Atemwegsinfektion mit Grippeviren ruhende Blutstammzellen im Knochenmark aktivieren, wodurch mehr Thrombozyten gebildet werden. Die Folge: „Diese neuen Blutplättchen neigen zur schnellen Aktivierung, was das Risiko von Blutgerinnseln in der Lunge erhöht.“
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Forschende des PEI haben gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Heidelberg ihre Untersuchungen im Journal „Cell Reports“ veröffentlicht. Dabei war die Erkenntnis, dass schwere Fälle von Influenza-Infektionen zu einer Entgleisung des Immunsystems führen können, nicht neu. Ein sogenannter Zytokinsturm führe in solchen Fällen zu einer übermäßigen Ausschüttung von Zytokinen, wobei Lungenzellen beschädigt werden. Solche „Gefäßleckagen“ könnten das Auftreten von Thrombosen begünstigen, heißt es. Diese Reaktionen hätten Ähnlichkeit mit schweren Verläufen von COVID-19. Wie genau es zu solchen schweren Krankheitsverläufen kommt, war bislang jedoch unbekannt.
Untersuchung an Mäusen: Auf Thrombopenie folgt Thrombozytose
Konkret haben die Wissenschaftler:innen Mäuse mit Influenzaviren (H1N1) intranasal infiziert und ihre Blutstammzellen an den darauffolgenden Tagen hinsichtlich Differenzierung und Zellzyklusaktivierung untersucht. In den ersten drei Tagen der akuten Influenzainfektion soll die Zahl der Thrombozyten zunächst abgenommen haben, es entstand also eine sogenannte Thrombopenie. Allerdings stieg sie danach im Blut schnell auf Werte über dem physiologischen Level an – man spricht von einer Thrombozytose. In der Folge gab es nicht nur zu viele Thrombozyten, sondern vor allem viele „unreife“ Formen dieser Zellen, die offenbar schneller aktivierbar sind.
Interleukin-1 und Interleukin-6 – wie kommt es zur Notfall-Megakaryopoese?
Dass Thrombozyten überhaupt so schnell gebildet werden können, liege daran, dass Teilmengen der durch die Infektion aktivierten Blutstammzellen bereits typische Marker von Vorläuferzellen der Thrombozyten tragen. Diese sollen direkt – durch Überspringen mehrerer Stadien – zu sogenannten Megakaryozyten differenzieren, die Thrombozyten produzieren.
Auch dass Megakaryozyten als Reaktion auf systemische Entzündungen oder Infektionen schneller gebildet werden, sei keine neue Beobachtung. Der Vorgang wurde bereits als Notfall-Megakaryopoese (Emergency Megakaryopoiesis) beschrieben. Man hatte jedoch bislang keinen Zusammenhang mit lokalen viralen Atemwegserkrankungen vermutet. Dass es auch in diesen Fällen dazu kommt, daran sollen unter anderem Interleukin-1 und Interleukin-6 schuld sein:
Obwohl die Influenzavirusinfektion bei den Mäusen auf die Atemwege beschränkt war, fanden sich erhöhte Spiegel der Zytokine Interleukin-1 (IL-1) und Interleukin-6 (IL-6) im Knochenmark infizierter Mäuse. Mit Knockout-Mäusen, bei denen das IL-1-Rezeptor-Gen sowie Knockout-Mäusen, bei denen das IL-6-Zytokin-Gen ausgeschaltet waren, wies die Forschungsgruppe nach, dass diese Zytokine entscheidend zur Aktivierung der Blutstammzellen und zur Notfall-Megakaryopoese bei Influenzainfektionen beitragen.“
In den Mäusen seien bereits nach zwei Tagen der Infektion umso mehr Blutstammzellen aktiviert worden, je mehr Viren die Lunge befallen hatten. Verringerte Influenzadosen sollen zwar die Stammzellaktivierung verzögert haben, jedoch konnte sie auch in diesen Fällen nicht verhindert werden. Eine Impfung verhinderte solche Fälle also auch nicht, sie sorgte jedoch dafür, dass die Blutstammzellen in der anschließenden Regenerationsphase schneller wieder in die Ruhephase zurückkehrten.
Für die Praxis leiten die Forscher:innen aus ihren Erkenntnissen ab, dass auch eine lokale (nicht systemische) Virusinfektion zu einem höheren Risiko für Blutgerinnsel insbesondere in der Lunge führen könne, was einen bedeutenden Einfluss auf den Krankheitsverlauf der „echten Grippe“ haben könnte.
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