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Bürokratie, Honorarkürzung, mangelnde Wertschätzung
Apothekerin singt sich ihren Frust von der Seele
Der Grönemeyer-Hit „Was soll das“ ist ein echter Ohrwurm – nun gibt es ihn auch in einer Apotheken-Variante. Apothekerin Doreen Wegner aus Mecklenburg-Vorpommern wendet sich mit ihrer eigenen Interpretation des Songs an die Abgeordneten in Berlin und insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Während der Pandemie haben wir viel getan, nun seid ihr dabei uns wegzusparen – was soll das?“ Für das Video erntet sie viel Applaus im Netz.
Während der Corona-Pandemie haben die Apotheken hierzulande so manch eine Kastanie für die Politik aus dem Feuer geholt – zum Dank kürzt ihnen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jetzt das Honorar. „Was soll das?“, fragt Apothekerin Doreen Wegner den Minister in ihrer Interpretation des gleichnamigen Hits von Herbert Grönemeyer. Die Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro, die der Deutsche Bundestag vergangene Woche verabschiedet hat, brachte das Fass für die Inhaberin aus Feldberg in Mecklenburg-Vorpommern endgültig zum Überlaufen – und so beschloss sie, sich ihren Frust von der Seele zu singen.
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„In den vergangenen Jahren hat sich bei mir einiges angestaut“, berichtet sie im Gespräch mit der DAZ. Vor allem die überbordende Bürokratie belaste sie. Präqualifizierung, Rabattverträge und Retaxationen nehmen nach ihrem Geschmack mittlerweile viel zu viel Zeit in Anspruch – Zeit, in der sie lieber für ihre Patientinnen und Patienten da wäre. „Langsam habe ich das Gefühl, wir sind nur noch Handlanger der Krankenkassen. Dabei ist unser Beruf eigentlich so schön, ich arbeite noch immer gern als Apothekerin“, sagt Wegner. Doch statt sich im HV um die Bedürfnisse der Menschen zu kümmern, muss sie sich wieder und wieder mit der Präqualifizierungsstelle herumschlagen, um auch weiter Trinknahrung abgeben zu dürfen. Diese Fehlentwicklung prangert Wegner jetzt öffentlich an.
Bürokratie, die frisst uns auf, gekürzt auf Null, das habt ihr drauf – was soll das?“
Während die Apothekenteams die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung noch unter hohem persönlichem Einsatz am Laufen halten, sind an anderer Stelle die Folgen des Sparwahns im Gesundheitswesen bereits deutlich zu spüren: Lieferengpässe bringen die Mitarbeitenden in den Offizinen zusätzlich an ihre Grenzen. Während es ihnen früher zumeist gelungen ist, den Mangel nach außen hin zu kaschieren, ist das heute oftmals nicht mehr möglich. Ob Fiebersäfte, Erkältungsmittel oder Nasensprays – immer öfter können sie simple Medikamentenwünsche nicht erfüllen. Den Teams macht das auch emotional zu schaffen, betont Wegner.
Rabattverträge, ein Hin und Her, das Schlimme nur: es gibt nichts mehr – was soll das?“
In den sozialen Medien erfährt die Apothekerin viel Zuspruch: Veröffentlicht hat ihr Video die Initiative #druckaufGKV – unter diesem Hashtag versammeln sich inzwischen Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und andere Leistungserbringer, um gegen die Verhältnisse im Gesundheitswesen zu protestieren. Auf der Facebook-Seite der Initiative bekam Wegner für ihren Song bereits knapp 500 Likes, mehr als 330-mal wurde ihr Beitrag geteilt. Und auch innerhalb der Apothekerschaft macht das Video die Runde.
„Wir müssen uns endlich wehren“
Wegner freut sich über die Aufmerksamkeit, appelliert aber auch eindringlich an die Kolleginnen und Kollegen, die Zustände nicht länger zu erdulden, sondern aktiv zu werden. „Wir müssen uns endlich wehren“, betont sie gegenüber der DAZ. Andernfalls, befürchtet die Apothekerin, könnte die Erhöhung des Kassenabschlags nur der Anfang gewesen sein. „Wenn wir jetzt nicht aufpassen, kommt gleich das nächste Ding“, warnt sie.
Sie selbst stehe bereits in Kontakt mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Arlt, den sie kürzlich bei einer Unternehmerveranstaltung kennenlernte. Wegner ergriff sogleich die Gelegenheit, um über die Lage der Apotheken aufzuklären. „Viele Politiker wissen gar nicht, wie es uns wirklich geht“, sagt sie. Auch Arlt sei überrascht gewesen und habe sie nach Berlin eingeladen, damit sie dort die Situation der Offizinen näher erläutern kann.
Protestaktion macht Hoffnung
Die Bundestagsabgeordneten im jeweiligen Wahlkreis anzusprechen, sei ein erster Schritt, so Wegner. Auch Protestaktionen wie in der vergangenen Woche in Schleswig-Holstein, Hamburg, Brandenburg und dem Saarland seien wichtig – als Nächstes müsse eine bundesweite Aktion folgen. „Die hohe Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen in den vier Bundesländern macht mir Hoffnung, dass wir es schaffen können, als geeinter Berufsstand aufzutreten und für unsere Interessen zu kämpfen.“
Was es jetzt wirklich brauche, sei Geschlossenheit. „Ich hoffe sehr, dass wir einen gemeinsamen Weg finden, um unsere Forderungen nach einer besseren Honorierung aller unserer geleisteten Arbeit zu erwirken.“ Das gelte nicht nur in finanzieller Hinsicht, betont Wegner: „Ich wünsche mir auch, dass die Apotheke vor Ort wieder in aller Form wertgeschätzt wird – von der Politik und von den Menschen.“
3 Kommentare
Super
von Frank Scheder am 29.10.2022 um 9:06 Uhr
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Toll gemacht!
von Thomas Eper am 28.10.2022 um 11:55 Uhr
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Klasse
von Dr. Dergens am 28.10.2022 um 8:38 Uhr
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