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Kommentierende Analyse
Botendiensthonorar im Fokus – weshalb die Barmer irrt
Die Barmer nimmt in einer Analyse das Botendiensthonorar in den Blick und behauptet, dieses verfehle sein Ziel. Abgesehen davon, dass die Autoren wohl beim Gesetzgebungsverfahren zum VOASG nicht richtig aufgepasst haben: Hat die Kasse zu viele Effizienzreserven, oder weshalb arbeitet sie sich an einem Posten ab, der im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen geradezu homöopathisch anmutet, fragt DAZ-Redakteurin Christina Grünberg.
Die Krankenkassen hadern seit jeher mit dem Botendiensthonorar. Ihre Angst: Die Apotheken könnten inflationär Gebrauch machen von der neuen Sonder-PZN und sich daran bereichern. Nun zeigt eine Analyse der Barmer, dass das keineswegs zutrifft: Den Ergebnissen zufolge liegt die Botendienstquote seit Einführung im Jahr 2020 konstant bei 7 Prozent der Arzneimittelverordnungen. Ursprünglich war der Verordnungsgeber von einer fast dreimal so hohen Quote ausgegangen.
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Statt anzuerkennen, dass die Apotheken mit dieser Möglichkeit überaus verantwortungsvoll, ja geradezu sparsam umgehen, hinterfragen die Autoren deren Sinnhaftigkeit. Als Kontaktvermeidungsinstrument tauge der Botendienst angesichts der unerwartet geringen Quote nicht. Es stelle sich die Frage, ob „der bei der Einführung dieser Leistung im Mittelpunkt stehende Schutz besonders vulnerabler Patientengruppen vor vermeidbaren Kontakten erreicht wurde“. Ziel verfehlt, meint die Barmer, lässt aber offen, bei welcher Quote dieses vermeintliche Ziel – ein Beitrag zur Kontaktvermeidung – aus ihrer Sicht erfüllt wäre. Einen anderen Zweck habe der Gesetzgeber bisher nicht angegeben. Und damit liegt die Kasse falsch.
Denn auch wenn bei der Einführung das Vermeiden unnötiger Kontakte im Mittelpunkt stand, hat der Gesetzgeber sehr wohl im Gesetzgebungsverfahren zum VOASG definiert, wozu das verstetigte Botendiensthonorar dienen soll: Um den Patientinnen und Patienten diese wichtige und schnelle Versorgungsmöglichkeit zu erhalten und dort, wo noch nicht gegeben, zur Verfügung zu stellen, benötige der Botendienst eine wirtschaftliche Basis, die gleichzeitig dazu beitrage, die Präsenzapotheken in der Fläche zu erhalten. Dort seien diese besonders wichtig, weil häufig auch Ärzte fehlten und die Apotheken in Gesundheitsfragen oft sehr wichtige Ansprechpartner für die Menschen seien.
Botendienst war nur eine von vielen Säulen der SARS-CoV-2-AMVersV
Zudem war der Botendienst nur eine von vielen Säulen zum Schutz vulnerabler Patientengruppen, denn die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung räumt den Apotheken bei der Belieferung von Rezepten deutlich mehr Beinfreiheit ein als bis dato. Damit dürfte das sofortige Beliefern von Verschreibungen in vielen Fällen möglich gewesen sein, ohne dass die Apotheke ihren Boten bemühen musste. Wie viel dieser Faktor ausmacht, lässt sich nicht ermitteln – noch gelten die Abgabeerleichterungen.
Eher eine Randnotiz ist, dass die Kasse eine gewisse Kreativität walten lässt bei der Interpretation der Altersangaben der Menschen, die Botendienstlieferungen zu ihren Lasten erhalten haben. Der bundesweite Durchschnitt über alle Altersklassen hinweg liegt bei 6,9 Prozent – bei den 80- bis 89-Jährigen sind es 8,92 Prozent, bei den Menschen ab einem Alter von 90 Jahren 9,19 Prozent. Die Autoren stellen fest, dass die Durchschnittsquote bei den hochbetagten Versicherten nur um zwei Prozentpunkte überschritten werde. „Offenbar ist die Nachfrage nach bzw. der Bedarf an Leistungen des Botendienstes durch Apotheken auch bei hochbetagten Personen nicht ausgeprägt.“
Je älter die Versicherten, desto häufiger fallen Botendienste an
Dabei spricht das Diagramm in der Analyse eine klare Sprache: Je älter die Versicherten, desto häufiger fallen Botendienste an. So ist etwa in der Gruppe der Hochbetagten im Vergleich zu den 50- bis 59-Jährigen eine Verdopplung der Botendienstquote zu erkennen. Zudem: Wenn bei rund jeder elften Verordnung für Hochbetagte trotz erleichterter Abgaberegeln ein Botendienst nötig wird, zeugt das keineswegs von mangelndem Bedarf.
Die Analyseergebnisse der Barmer zeigen: Apotheken nutzen das Botendienst-Instrument verantwortungsvoll und gezielt. Zudem deuten sie darauf hin, dass die Warenlager der Betriebe gewissenhaft gepflegt werden. Dass die Kasse dennoch versucht, diese Zahlen gegen die Offizinen zu nutzen, dürfte ideologisch geprägt sein – Kritik an den Betrieben ergibt sich angesichts der Ergebnisse jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil.
Auf der Suche nach Effizienzreserven
Es fällt allerdings auf, dass bei der Barmer offenbar Ressourcen vorhanden sind, um sich detailliert mit Pöstchen zu befassen, die sich im Vergleich zu den Gesamtausgaben im Promillebereich bewegen. Sollte Bundesgesundheitsminister Lauterbach noch auf der Suche sein nach Effizienzreserven, könnte es sich im Vergleich wohl eher lohnen, bei den Kassenstrukturen mal genauer hinzuschauen. Denn die rund 12 Millionen Euro im Jahr für eine Dienstleistung, die im konkreten Einzelfall unmittelbar hilft, die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln zu sichern, sind doch verschwindend gering im Vergleich zu den mehr als 1,4 Milliarden Euro, die im selben Zeitraum bei einer einzelnen Kasse für Verwaltungstätigkeiten anfallen.
1 Kommentar
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von Anita Peter am 02.11.2022 um 6:43 Uhr
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