In-vitro-Fertilisation (IVF)

Kinderwunsch nach COVID-Impfung lieber kurz pausieren?

Rosenheim - 02.11.2022, 09:15 Uhr

Die „European Society of Human Reproduction and Embryology“ (ESHRE) empfiehlt nach einer COVID-19-Impfung lediglich ein paar Tage Abstand zu einer Kinderwunschbehandlung. (x / Foto: Chinnapong / AdobeStock)

Die „European Society of Human Reproduction and Embryology“ (ESHRE) empfiehlt nach einer COVID-19-Impfung lediglich ein paar Tage Abstand zu einer Kinderwunschbehandlung. (x / Foto: Chinnapong / AdobeStock)


Die Ergebnisse einer neuen Studie an einem Kinderwunschzentrum in China wirken eindeutig: Frauen wurden kurz nach einer COVID-Impfung mit In-vitro-Fertilisation (IVF) deutlich seltener schwanger als Ungeimpfte. Erst ab einem Abstand von 61 Tagen zwischen Impfung und IVF fiel die Schwangerschaftsrate nicht mehr signifikant schlechter aus als bei Ungeimpften. Da sich die Untersuchung jedoch auf inaktivierte Impfstoffe bezieht, sind die Daten nicht auf Deutschland übertragbar.

Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe. Ihnen wird daher explizit die COVID-19-Impfung ab dem zweiten Trimenon empfohlen – ebenso wie die Influenza- und Pertussisimpfung. Am besten sind Frauen schon bevor sie schwanger werden vollständig geimpft. Doch wie sieht es bei unerfülltem Kinderwunsch aus? Ist für die Kinderwunschbehandlung mittels In-vitro-Fertilisation (IVF) eine Wartezeit nach der Impfung sinnvoll?

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Genau mit dieser Frage haben sich Wissenschaftler in China beschäftigt. In einer Studie beobachteten sie dabei den Verlauf der IVF-Behandlung von 3.052 Frauen. Nach hormoneller Stimulation und Eizellentnahme wurde ihnen ein Embryo transferiert. Rund zwei Wochen später stellten Ärzte dann mittels Bluttest fest, ob die IVF-Behandlung erfolgreich war und eine Schwangerschaft eingetreten ist oder nicht. 

Der Nachweis von HCG wird auch als biochemische Schwangerschaft bezeichnet, während eine klinische Schwangerschaft mittels Ultraschall erst ein bisschen später festgestellt werden kann. In der Studie lag das Augenmerk schließlich auf den Schwangerschaften, die länger als zwölf Wochen anhielten.

Kurz nach Impfung seltener schwanger

Tatsächlich war die Schwangerschaftsrate bei den Frauen am geringsten, die innerhalb von 30 Tagen vor der IVF eine COVID-19-Impfung erhalten hatten. Bei ihnen fruchteten nur 34,3 Prozent der Behandlungen. Im Vergleich dazu: Bei der ungeimpften Gruppe lag die Erfolgsquote bei 60,3 Prozent – für Schwangerschaften über mindestens zwölf Wochen. Fand die Impfung an Tag 31 bis 60 vor dem Embryotransfer statt, lag die Quote mit 36,2 Prozent ebenfalls signifikant niedriger als bei der ungeimpften Gruppe. Erst bei einem Impfabstand von mindestens 61 Tagen war der Unterschied nicht mehr signifikant, ab 90 Tagen war schließlich kein Unterschied mehr feststellbar.

Die Autoren weisen selbst auf einige Schwächen ihrer Studie hin. So waren die geimpften Frauen beispielsweise im Schnitt etwas älter als jene aus der Vergleichsgruppe. Andererseits könnten die Frauen, die zuerst geimpft wurden, gesünder gewesen sein. Denn je nach Impfstrategie wurden zunächst unentbehrliche Mitarbeiter geimpft, wie beispielsweise Ärztinnen und Ärzte.

Zweite Impfung zum Zeitpunkt des Embryotransfers

Interessanterweise konnten andere Untersuchungen bisher keinen Zusammenhang zwischen Impfung, Zeitabstand und Schwangerschaftsrate oder gar Embryoqualität beziehungsweise Anzahl der gewonnenen Eizellen bei IVF feststellen. Allerdings lohnt hier ein genauer Blick: In der vorliegenden Studie bezieht sich der beschriebene Zeitabstand zwischen Impfung und IVF auf den Erhalt der ersten Impfdosis. Die 667 geimpften Patientinnen erhielten aber zwei Impfdosen. Die zweite Dosis erfolgte vier bis sieben Wochen nach der ersten Dosis – also mitunter genau zum Zeitpunkt des Embryotransfers. 

Die Autoren mutmaßen, dass potenzielle inflammatorische Prozesse nach der Impfung die frühe Embryoentwicklung und Einnistung stören könnten. Sie konstatierten, dass ihre Studie viele Patientinnen einschloss, die die Impfung unmittelbar vor der IVF-Behandlung erhielten. Frühere Studien zählten hingegen erst Frauen nach der zweiten Impfung zu der Kohorte der Geimpften oder differenzierten beispielsweise nicht nach dem Zeitabstand. Die Auswahlkriterien der Studienteilnehmerinnen seien nach Ansicht der Wissenschaftler ein Grund für die abweichenden Ergebnisse der aktuellen Untersuchung von vorherigen Studienergebnissen, heißt es. 

Auch das Auftreten von SARS-CoV-2-Varianten könnte die Studienergebnisse beeinflusst haben.

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Corona-Impfstoffe aus China

Die Studie bezog sich ausschließlich auf Frauen, die einen inaktivierten COVID-19-Impfstoff erhalten hatten. Während dieser in China und asiatischen Ländern am häufigsten verwendet wurde, wurden in Europa und den USA vornehmlich mRNA-Vakzine verimpft. Die Ergebnisse dürfen also nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen werden. (Inaktivierte Ganzvirusimpfstoffe sind zum Beispiel CoronaVac von Sinovac, Covilo von Sinopharm oder Covaxin von Bharat Biotech International Ltd.).

Was bedeutet das für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch?

Grundsätzlich dauert es rund zwei Wochen, ehe der Antikörperschutz nach Impfung voll ausgebildet ist. Um auch im ersten Trimenon vor einem schweren Verlauf geschützt zu sein, empfiehlt das Robert Koch-Institut explizit bei Kinderwunsch eine COVID-19-Impfung. Lediglich bei Lebendimpfstoffen – also MMR, nicht jedoch COVID-19 – wird eine Wartezeit von einem Monat empfohlen, ehe eine geplante Schwangerschaft eintreten soll. 

Zunächst hatte die European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) vor einer Kinderwunschbehandlung empfohlen, eine Wartezeit von zwei Monaten in Erwägung zu ziehen, solange genauere Informationen fehlen. Doch schon im Juni 2021 hat die Fachgesellschaft ein aktualisiertes Statement veröffentlicht und hält seitdem nur noch ein paar Tage Abstand nach der Impfung für nötig. 

Weitere Untersuchungen werden zeigen müssen, ob eine längere Wartezeit sinnvoll ist oder nicht. Vor dem Hintergrund der körperlichen, emotionalen und nicht zuletzt finanziellen Belastung, die mit einer IVF-Behandlung einhergeht, könnte sie bei ängstlichen Paaren sicherlich dennoch erwogen werden. Dieses Vorgehen sollten Paare individuell mit ihrem Arzt besprechen.


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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