Stopp des E-Rezept-Rollouts in Westfalen-Lippe

AVWL und E-Rezept-Enthusiasten bedauern weitere Verzögerung

Berlin - 03.11.2022, 15:20 Uhr

Der Token-Ausdruck ist nicht die Lösung fürs E-Rezept. (Foto: Pharmatechnik)

Der Token-Ausdruck ist nicht die Lösung fürs E-Rezept. (Foto: Pharmatechnik)


Nach der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe hat auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung der Region erklärt, den Rollout-Prozess fürs E-Rezept bis auf Weiteres nicht mehr zu unterstützen. Verständnis hierfür gibt es von der KV Schleswig-Holstein und dem Hausärzteverband. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe bedauert, dass sich der Rollout nun verlangsamen wird. Die E-Rezept-Enthusiasten fordern die Politik auf, zu handeln.  

Nachdem der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dem zeitnahen E-Rezept-Abruf mittels elektronischer Gesundheitskarte vor einem Monat eine Absage erteilt haben, bröckelt der E-Rezept-Rollout jetzt auch in der Pilotregion Westfalen-Lippe. Schon zum Rollout-Start am 1. September hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein ihren Rückzug erklärt – weil die dortige Datenschutzbeauftragte den offiziell nicht vorgesehenen, aber häufig praktizierten Weg der E-Rezept-Übertragung per E-Mail oder SMS aus datenschutzrechtlichen Gründen untersagt hatte. Die KV Westfalen-Lippe blieb zwar am Ball, machte aber deutlich, dass sie von der Gematik, dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und den Apothekenverwaltungssystem-Herstellern erwarte, dass das E-Rezept spätestens in drei Monaten mit der eGK übertragen und eingelöst werden kann. „Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezepts und nicht verhandelbar“, so die KVWL.

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Doch diese drei Monate werden nach den datenschutzrechtlichen Einwänden von BfDI und BSI nicht zu halten sein. Damit der E-Rezept-Abruf via eGK ihren datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt, muss kräftig nachgearbeitet werden. Die KVWL hat daher nun verkündet, vorerst den weiteren Rollout-Prozess zu stoppen. Denn das Erfolgskriterium, dass 25 Prozent der Rezepte elektronisch eingelöst werden müssen, könne so nicht eingehalten werden.

Zahnärzte stoppen Rollout ebenfalls

Auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe erklärt nun den Roll-out des elektronischen Rezeptes aus diesem Grund bis auf Weiteres nicht mehr zu unterstützen. Michael Evelt, stellvertretender KZVWL-Vorstandschef, erläuterte: „Die E-Rezept-App der Gematik, bisher die einzige digitale Möglichkeit zur Einlösung, ist kaum verbreitet, in unseren Praxen ist fast ausschließlich der Tokenausdruck auf Papier die Realität“. Auch wenn man digitale Projekte zur Verbesserung der Patientenversorgung selbstverständlich unterstütze und die eigenen Mitglieder zu ihrer Nutzung motiviere, erwarte die KZVWL von Gematik und BMG zeitnah eine wirklich praktikable und damit flächendeckende digitale Umsetzung des E-Rezeptes – „und nicht wieder einen Papierausdruck“. Dass der BfDI nach Jahren der Planung jetzt die eGK als Einlöseweg für E-Rezepte ablehne, sei nicht nachvollziehbar und unverhältnismäßig. „Das deutsche Gesundheitswesen ist absolut im Rückstand in Sachen Digitalisierung. Es braucht endlich nachhaltige Lösungen, aber dieses Stop-and-Go auf kurze Sicht unterstützen wir vorerst nicht weiter.“

Konkret heißt das: Die bereits rund 450 Zahnarztpraxen, die sich bei der KZVWL als Früheinsteiger angemeldet hatten, können zwar weiter machen. Die Bewerbung des Rollouts bei ihren Mitgliedern setzt die KZVWL jedoch aus.

Unterstützung in der Ärzteschaft

Die KV Schleswig-Holstein unterstützt diesen Ausstieg in Westfalen-Lippe. „Wir fordern komplett digitale Lösungen für das E-Rezept, die für alle Patienten, Praxen und Apotheken leicht umsetzbar sind und jeden Verordnungsweg nachvollziehen“, erklärt die Vorstandsvorsitzende der KVSH, Monika Schliffke. „Die Gematik-App ist diese Lösung nicht.“ Der Stopp des eGK-Verfahrens sei ein weiterer herber Rückschlag für die Digitalisierung im Gesundheitswesen und lasse Deutschland im internationalen Vergleich weiter zurückfallen. „Mein Respekt für die Entscheidung der KVWL, die ihr sicher nicht leichtgefallen ist“, sagte Schliffke

Der Deutsche Hausärzteverband und der Hausärzteverband Westfalen-Lippe zeigen ebenfalls Verständnis. Gleichzeitig betonen sie, dass das E-Rezept grundsätzlich eine sinnvolle Anwendung sei, von der insbesondere die Patientinnen und Patienten profitieren könnten. In der derzeitigen Form sei es jedoch weder für Hausärztinnen und Hausärzte noch für Patient:innen praxistauglich. Beide Verbände betonen, dass der flächendeckende Roll-Out nicht an den Ärztinnen und Ärzten scheitere, sondern an der „desolaten Umsetzung“.

Bedauern bei Apothekern

Der Apothekerverband Westfalen-Lippe bedauert indessen, dass vorläufig keine zusätzlichen Praxen akquiriert werden, sodass der Rollout nun etwas langsamer vorankommen wird als erhofft. „Da die bereits am Rollout beteiligten Praxen aber nach wie vor E-Rezepte ausstellen, können die Apotheken vor Ort den Prozess weiterhin aktiv und intensiv begleiten, Erfahrungen mit E-Rezepten sammeln, Probleme im Prozess aufdecken und im konstruktiven Austausch mit allen Akteuren Lösungen finden“, heißt es seitens des Verbandes.

Zwischenergebnis der Begleitstudie der E-Rezept-Enthusiasten

„E-Rezept-Nutzen zeigt sich bei der Nutzung“

Auch die E-Rezept-Enthusiasten bedauern die Entscheidung der KVWL. Schließlich sei erst vor wenigen Tagen der Meilenstein von 500.000 eingelösten E-Rezepten erreicht worden, betont der 1. Vorsitzende des Verbandes, Ralf König. Gerade die Vorreiterregion Westfalen-Lippe habe gezeigt, dass das E-Rezept funktioniere. Überraschend komme der Entschluss der KVWL angesichts ihrer Ankündigungen zum Start des Rollouts aber nicht.

„Die Diskussionen um die eGK-Lösung in den letzten Wochen zeigen leider einmal mehr, wie sehr das E-Rezept zwischen Datenschutz und Berufspolitik zerrieben wird“, erklärt König. Die E-Rezept-Enthusiasten erwarteten nun, dass die politischen Entscheidungsträger:innen Farbe bekennen, Führung übernehmen und die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen einleiten. „Verzögerungs- und Verhinderungstaktiken sowie Denkverbote müssen nun endgültig der Vergangenheit angehören“. Sowohl der Koalitionsvertrag als auch die Digitalstrategie der Bundesregierung definierten die E-Rezept-Umsetzung als zentrales Projekt im E-Health-Bereich, erinnert König. Den Worten müssten jetzt aber endlich auch Taten folgen. Die Enthusiasten fordern, neben der Umsetzung der eGK-Lösung die Prüfung weiterer volldigitaler, niedrigschwelliger und sicherer Token-Übertragungswege zur Priorität zu machen und die Hürden der App-Nutzung zu reduzieren.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Apothekenlobby?!

von Torben Schreiner am 03.11.2022 um 15:50 Uhr

Normalerweise sollten wir Apotheker die KVen jetzt in punkto E-Rezept maximal unterstützen! Rezepte über die eGK würden die öffentlichen Vorort-Apotheken stärken. Alle weiteren Wege schaden der Versorgung und beschleunigen nur die Liberalisierung der Märkte.

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