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Kommentar
Darum werden Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen keine Apotheken retten
Die Politik verteidigt finanzielle Einschnitte bei den Apotheken einerseits mit den Sondereinnahmen während der Pandemie, andererseits mit neuen Leistungen, die die Betriebe jetzt honoriert bekommen – vor allem Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen. Diese jedoch sind alles andere als ein brauchbares Gegengewicht zum erhöhten Kassenabschlag, meint DAZ-Redakteurin Christina Grünberg.
Konfrontiert man Politikerinnen und Politiker mit der Frage, wie die Apotheken in Zeiten von Inflation und drastischer Kostensteigerungen noch die Erhöhung des Kassenabschlags schultern sollen, fallen meist drei Schlagworte: die Sondereinnahmen in der Pandemie, Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen. Zuletzt hatte das Büro von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) so argumentiert. Doch damit liegt die Politik daneben.
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Denn die Sondereinnahmen während der Pandemie haben zwar das durchschnittliche Betriebsergebnis der Apotheken erhöht. Allerdings ist dieses Geld hart erarbeitet – die Maskenverteilung etwa war ein politisches Manöver, das die Inhaber:innen und ihre Teams in arge Bedrängnis gebracht hat. Masken in entsprechender Qualität und Menge zu beschaffen, war allein schon eine logistische Meisterleistung, ganz davon zu schweigen, was an den HV-Tischen hierzulande los war. Keine andere Infrastruktur in Deutschland hätte diese Aufgabe in der Kürze der Zeit bewältigen können. Die Apotheken in Notzeiten vor den Karren zu spannen und hinterher den verdienten Lohn wieder einkassieren zu wollen, zeugt schlicht von mangelnder Wertschätzung. Zudem ist anzunehmen, dass das Geld oftmals gar nicht mehr abrufbar ist: Denn Investitionen, die viele getätigt haben dürften, schlagen sich erst in späteren Bilanzen als Abschreibungen nieder.
Umsatz versus Ertrag
Auch dass für die Apotheken ein Honorartopf, gefüllt mit jährlich 150 Millionen Euro, für pharmazeutische Dienstleistungen bereitsteht, sticht nicht. Ein Vergleich zu den 120 Millionen Euro, die den Betrieben pro Jahr durch die Erhöhung des Kassenabschlags verloren gehen, verbietet sich allein deshalb schon, weil das eine Ertrag, das andere Umsatz ist. Wichtig ist aber auch ein anderer Punkt: Diese Mittel werden nicht in den Apothekensektor diffundieren und sich gleichmäßig verteilen.
Profitieren werden davon, wie auch von dem Impfhonorar, jene Apotheken, die trotz aller Kürzungen noch Luft zum Atmen haben. Denn um diese Angebote zu etablieren, müssen die Inhaberinnen und Inhaber zunächst investieren, zum Beispiel in Personal, Qualifizierung der Mitarbeitenden, Räumlichkeiten und Software. Diesen Schritt können sich gerade diejenigen Offizinen, die finanziell am Limit sind, nicht leisten – auch vor dem Hintergrund, dass nicht abzuschätzen ist, wie gut die neuen Leistungen von den Versicherten angenommen werden.
Metropolregion versus ländliche Umgebung
Die Hoffnung, mit den neuen Leistungen insbesondere die ländliche Versorgung zu stärken, dürfte sich ebenfalls zerstreuen. Wo Hausärztinnen und -ärzte ihre Patienten noch von der Wiege bis zur Bahre begleiten, ist der Bedarf an impfenden Apotheken zumeist niedrig. Das unterscheidet ländlich geprägte Regionen von einer Metropole wie Berlin, in der Abertausende, oft junge und vergleichsweise gesunde Zugezogene leben, die noch nicht in die Gesundheitsstrukturen eingebettet sind. Und auch der Kreis derjenigen, denen man potenziell eine Medikationsanalyse anbieten könnte, ist auf dem Land begrenzt.
Keine Frage, um sich als Gesundheitsdienstleister zu profilieren, sind die pharmazeutischen Dienstleistungen und das Impfen in der Apotheke wertvoll für die Betriebe. Wirtschaftlich gesehen, bringen sie aber zunächst wenig bis nichts. Dafür spricht auch, dass die Preise für die Dienstleistungen ohne Unternehmerlohn kalkuliert sind.
Setzt die Politik allein auf das Impfen und die pharmazeutischen Dienstleistungen, fördert sie damit eine Entwicklung, die im Apothekensektor schon länger zu beobachten ist: Die Großen werden größer, die Kleinen geben auf. Und wenn jetzt die Schließungswelle beginnt, wird das nur der Anfang vom Ende sein. Denn oft haben Inhaberinnen und Inhaber zum Beispiel noch Mietverträge zu erfüllen, weshalb sie die Schließung nach hinten verschieben, um die Verluste zu begrenzen. Hier gilt: Apotheken sterben leise – und das dicke Ende kommt noch.
7 Kommentare
Systembruch
von ecke2 am 07.11.2022 um 9:33 Uhr
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Kommentar Impfen und pDL
von Dorf-Apothekerin am 04.11.2022 um 13:27 Uhr
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AW: Kommentar Impfen und pDL
von DAZ-Redaktion am 04.11.2022 um 13:37 Uhr
Die Wahrheit - endlich
von Linda F. am 04.11.2022 um 8:59 Uhr
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AW: Die Wahrheit - endlich
von Maria Schulz am 04.11.2022 um 11:07 Uhr
pDL und Impfen -
von gabriela aures am 03.11.2022 um 22:45 Uhr
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von Anita Peter am 03.11.2022 um 18:10 Uhr
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