EMA bekräftigt

Amfepramon soll wieder seine Zulassung verlieren

Stuttgart - 08.11.2022, 07:00 Uhr

In Deutschland betroffene Präparate sind Amfepramon Hormosan 25 mg Weichkapseln, Amfepramon Hormosan 60 mg Retardkapseln und Tenuate® Retard. (Foto: IMAGO / United Archives International)

In Deutschland betroffene Präparate sind Amfepramon Hormosan 25 mg Weichkapseln, Amfepramon Hormosan 60 mg Retardkapseln und Tenuate® Retard. (Foto: IMAGO / United Archives International)


Nutzen und Risiken von appetithemmenden Arzneimitteln (einschließlich Amfepramon) waren bereits in den Jahren 1996 und 1999 überprüft worden. In der Folge sollte Amfepramon (z. B. Tenuate) schon vor vielen Jahren vom Markt verschwinden. Doch entsprechende Präparate sind weiterhin im Handel erhältlich – das will der Pharmakovigilanzausschuss der EMA nun ändern.

Bereits im Juni dieses Jahres hatte der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) empfohlen, dem Appetitzügler Amfepramon die Zulassung zu entziehen. Arzneimittel mit diesem Wirkstoff seien nicht ausreichend wirksam und es gebe Sicherheitsbedenken, hieß es. Schon früher hatte der PRAC Maßnahmen zur Einschränkung des Arzneimittels aus Sicherheitsgründen empfohlen, die jedoch keine Wirkung zeigen.

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Appetitzügler Amfepramon soll vom Markt

  • Dem PRAC zufolge nehmen Patient:innen Amfepramon länger als die vorgesehenen drei Monate ein, wodurch sich das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen wie
    • pulmonale arterielle Hypertonie (hoher Blutdruck in den Lungenarterien) und
    • Abhängigkeit erhöhen könne.
  • Zudem wurde festgehalten, dass auch Patient:innen mit Herz- oder psychischen Erkrankungen in der Anamnese Amfepramon zur Gewichtsreduktion nutzten, doch könne der Wirkstoff diese Probleme verstärken.
  • Auch Hinweise, dass Schwangere das Arzneimittel einnahmen, liegen dem PRAC vor, woraus sich Risiken für das ungeborene Kind ergeben.

Da der PRAC nicht sah, wie weitere Maßnahmen die Risiken von Nebenwirkungen minimieren könnte, empfahl er schließlich im Juni, die Arzneimittel ganz vom Markt zu nehmen und die Zulassung zu widerrufen.

Zulassungsinhaber haben Re-Examination gefordert

Doch seit Juni ist einige Zeit vergangen und amfepramonhaltige Arzneimittel werden weiterhin in der Lauer-Taxe als im Handel gelistet. Das liegt daran, dass sich die Zulassungsinhaber dieser Arzneimittel mit der PRAC-Empfehlung nicht zufriedengeben wollten und eine Re-Examination gefordert haben. Und so bestätigte der PRAC nun Ende Oktober, dass er den „Widerruf der Zulassungen amfepramonhaltiger Arzneimittel“ weiterhin empfiehlt. 

Bei der Überprüfung seien alle verfügbaren Informationen zu oben genannten Bedenken berücksichtigt worden, einschließlich der Daten aus zwei Studien zur Anwendung amfepramonhaltiger Arzneimittel in Deutschland und Dänemark. Darüber hinaus wurde der PRAC von einer Expertengruppe beraten, der Endokrinologen, Kardiologen und ein Patientenvertreter angehörten, heißt es. 

Es ist jetzt vorgesehen, dass ein Rote-Hand-Brief an die Angehörigen der Gesundheitsberufe verschickt wird.

Amfepramon Hormosan und Tenuate Retard betroffen

Amfepramonhaltige Arzneimittel sind derzeit in Dänemark, Deutschland und Rumänien zur Behandlung von Patienten mit Adipositas (Body-Mass-Index von mindestens 30 kg/m2) zugelassen, bei denen andere Methoden zur Gewichtsreduzierung nicht ausgereicht haben, erklärt das BfArM auf seiner Homepage. In Deutschland betroffene Präparate seien Amfepramon Hormosan 25 mg Weichkapseln, Amfepramon Hormosan 60 mg Retardkapseln und Tenuate® Retard.

Da diese Arzneimittel alle national zugelassen seien, wird die PRAC-Empfehlung zunächst noch durch die „Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und Dezentrale Verfahren – Human“ (CMDh) beraten, bevor eine endgültige Entscheidung gefällt wird. 

Amfepramon hatte schon 2001 die Zulassung verloren

Wie das BfArM außerdem erklärt, waren beiden aktuellen Überprüfungen bereits frühere zu Nutzen und Risiken von appetithemmenden Arzneimitteln (einschließlich Amfepramon) in den Jahren 1996 und 1999 vorausgegangen. 

Dem „Arznei-Telegramm“ ist zu entnehmen, dass die Europäische Kommission Amfepramon 2001 auch tatsächlich schon einmal die Zulassung entzogen hatte. Der Europäische Gerichtshof annullierte jedoch im November 2002 diesen Beschluss, wie es heißt, weil die Kommission für solche Entscheidungen nicht zuständig sei. Ohnehin wären die Bescheide ungültig, da sie nicht auf aktuellen Daten basierten, hieß es. In der Folge gelangte Amfepramon zurück in den Handel. 

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Es bleibt also abzuwarten, ob Amfepramon bald endgültig vom Markt verschwindet.

Amfepramon wirkt als Sympathomimetikum im Gehirn ähnlich wie Adrenalin und verringert das Hungergefühl.


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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