„Wir brauchen einen Vollprofi als Lobbyisten“
Das vollständige Interview mit Simon und Gerrit Nattler lesen Sie im aktuellen AWA. (21/2022)
Simon und Gerrit Nattler gehören zu den prägenden Gestalten der jüngeren Apothekergeneration. Im Interview mit dem Aktuellen Wirtschaftsdienst für Apotheker sprechen sich die beiden Unternehmer dafür aus, die bürokratische Überregulierung von Apotheken zurückzufahren. Außerdem plädieren sie dafür, mithilfe von lautstarkem Lobbyismus für eine bessere wirtschaftliche Lage der Apotheken zu kämpfen. in ihren Augen braucht es einen branchenfremden Vollprofi, der die Interessen der Apotheken konsequent in Berlin durchsetzt.
Simon und Gerrit sprechen Klartext. Die Brüder, die neben ihren sechs Elisana-Apotheken in Gelsenkirchen und Dorsten seit 2011 einen Onlineshop betreiben, brechen im Interview mit dem Aktuellen Wirtschaftsdienst für Apotheker (AWA) mit deutlichen Worten eine Lanze für ihre Branche. So fordern sie angesichts des anhaltenden Apothekensterbens, die „abstruse bürokratische Überregulierung“ zurückzufahren. Damit hätten Apotheker wieder „genug Luft zum Atmen“. Auf Dauer führe kein Weg daran vorbei, die Verwaltungsprozesse zu vereinfachen und digitalisieren. Beispielhaft verweisen sie auf die Präqualifizierung für 18.500 Apotheken, „die ja per se schon topqualifiziert sind“. Dies ist in den Augen der Nattler-Brüder „ein Unding“ und binde enorm viele Ressourcen.
Das vollständige Interview mit Simon und Gerrit Nattler lesen Sie im aktuellen AWA. (21/2022)
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht sprechen sich die beiden Apotheker im AWA-Interview dafür aus, den Betrieben Erleichterungen zu verschaffen: „Es kann nicht sein, dass man seitens der Politik immer mehr von uns Apothekern verlangt – zugleich kommt aber immer weniger in den Topf rein. Irgendwann ist dieses Band so überdehnt, dass es einfach reißt“, warnt Gerrit Nattler. Simon Nattler ergänzt, dass dahinter auch eine Frage der Wertschätzung stehe: „Wenn der Aufwand für uns immer größer, zugleich die Gegenleistung aber kleiner wird, dann ist das stark demotivierend. Die Folge ist, dass immer mehr Apotheker Dienst nach Vorschrift machen werden.“ Das könne niemand ernsthaft wollen.
Bei der Diskussion um die Erhöhung des Kassenabschlags geht es laut Simon Nattler „nicht nur um die 240 Millionen Euro“, sondern im Grunde um zwei Jahrzehnte fehlenden Inflationsausgleich. Die Apotheker steckten in einem „Schraubstock“: Die Kosten stiegen, zugleich sinke die Vergütung. Damit werde die Marge immer kleiner. Mit dieser Entwicklung wachse die Gefahr, dass immer mehr Apotheker „die Nase voll haben und hinwerfen“. Zudem könnten bestehende Versorgungsstrukturen „irreversibel zerstört werden! Das ist den Politikern gar nicht bewusst“, sagt Gerrit Nattler.
Vor diesem Hintergrund sprechen sich die Brüder dafür aus, dass sich die Branche „jetzt lautstark bemerkbar“ machen müsse. Heutzutage bekomme nicht derjenige Recht, der die besten Argumente habe, sondern wer am lautesten schreie. Da die Angriffe auf die Branche härter würden, müsse sich diese auch mit härteren Mitteln zur Wehr setzen. Simon Nattler: „Ich halte es deshalb für essenziell, dass wir einen branchenfremden Vollprofi engagieren, der die Interessen der Apotheken konsequent in Berlin durchsetzt.“ Dies sollte ein erfahrener Lobbyist sein, der die „mehr als berechtigten Forderungen“ der Apotheken „knallhart“ nach außen vertritt und weiß, wie man harte Maßnahmen durchsetzt – nach innen wie nach außen.
Zudem sollte sich die Branche endlich vom Prinzip der Minimalforderungen verabschieden und ihre über Jahrzehnte eingeübte Demut aus den Köpfen bringen. „Warum tragen wir unsere Forderungen nicht ähnlich selbstbewusst in die Öffentlichkeit wie zum Beispiel die Ärzte?“
In Bezug auf die Vergütung von Apothekern weist Gerrit Nattler darauf hin, dass die Apotheker immer eine Mischkalkulation gemacht hätten und defizitäre über ertragsstärkere Angebote quer subventionierten. Sollte die Politik aber beispielsweise beschließen, die Abgabe von verschreibungspflichtigen Rx-Medikamenten in Zukunft nur noch kostendeckend zu vergüten, „müssten wir darauf reagieren“. Das würde bedeuten, dass alle Geschäftsfelder nüchtern durchkalkuliert würden und bislang quer subventionierte Angebote eingestellt werden müssten.
In Punkto E-Rezept stellt Simon Nattler fest: „Wenn eine Lösung dermaßen an den Bedürfnissen aller Beteiligten vorbei entwickelt wird, das Ganze dann auch noch handwerklich schlecht gemacht ist und auf einer völlig veralteten Technik aufbaut, dann brauche ich mich nicht zu wundern.“ Hinzu komme „eine miserable Kommunikation, die zusätzlich Vertrauen gekostet hat“.
Wenn das E-Rezept irgendwann funktioniere und die Rahmenbedingungen fair gesetzt seien, ist dieses Instrument in seinen Augen durchaus sinnvoll. Es reiche aber nicht, nur einen Teilprozess zu digitalisieren: „Wenn schon, dann muss man den kompletten Verordnungs-Workflow digital designen. Sonst entstehen keine Synergien.“
5 Kommentare
Überregulierung
von Dorf-Apothekerin am 16.11.2022 um 10:46 Uhr
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AW: Überregulierung
von Mike Schmid am 17.11.2022 um 9:30 Uhr
Interessenvertretung
von Dr. Ralf Schabik am 16.11.2022 um 10:09 Uhr
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Das ist der Plan!
von Karl Friedrich Müller am 16.11.2022 um 9:50 Uhr
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Völlig richtig
von ratatosk am 16.11.2022 um 9:11 Uhr
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