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Bundesverfassungsgericht
Homöopathie für Haustiere: Karlsruhe kippt Tierarztvorbehalt
Seit Ende Januar 2022 gilt in Deutschland das neu geschaffene Tierarzneimittelgesetz. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht eine seiner Vorschriften gekippt: Humanhomöopathika dürfen demnach auch wieder von Nicht-Tierärzt:innen und Tierhalter:innen bei Haustieren angewendet werden.
Am 28. Januar dieses Jahres ist in Deutschland das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) in Kraft getreten. Die zuvor im Arzneimittelgesetz geregelte Materie war aus diesem herausgelöst und in ein eigenes Gesetz überführt worden. Den Anstoß gab eine neue EU-Verordnung zu Tierarzneimitteln, die ebenfalls zum 28. Januar 2022 wirksam wurde.
Eine der neuen Regelungen sorgte sehr schnell für Aufruhr unter Tierheilpraktiker:innen: In § 50 Abs. 2 TAMG findet sich ein Tierarztvorbehalt für die Arzneimittelanwendung bei Tieren – und zwar nicht nur für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte, sondern auch für Humanarzneimittel. Umfasst von diesem Tierarztvorbehalt sind damit auch nicht verschreibungspflichtige sowie registrierte homöopathische Humanarzneimittel. Diese dürfen demnach weder Tierhalter:innen noch andere Personen, wie etwa Heilpraktiker:innen, bei Tieren anwenden. Wer gegen diese Vorschrift verstößt, handelt ordnungswidrig.
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Gegen diese neue Vorgabe sind drei Frauen, die als Tierheilpraktikerinnen beziehungsweise -homöopathinnen tätig sind, vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Sie sehen sich durch diesen Tierarztvorbehalt in ihrer Berufsfreiheit verletzt. Er bedeute für sie sogar ein faktisches Berufsverbot. Eine der Frauen ist zudem Tierhalterin und sieht sich in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt.
Einen Eilantrag, um das Gesetz in diesem Punkt zu stoppen, hatten die Karlsruher Richterinnen und Richter bereits im vergangenen Januar abgewiesen. Sie hatten damals aber erklärt, dass die Regelung im eigentlichen Verfahren zu den Verfassungsbeschwerden genauer überprüft werde. Dies ist nun geschehen.
Verfassungswidrig und nichtig
In seinem am heutigen Mittwoch veröffentlichten Beschluss stellt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts fest, dass § 50 Abs. 2 TAMG gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz - GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verstößt und damit nichtig ist. Dies gilt jedenfalls so weit, als dass der Paragraf die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger und zugleich registrierter homöopathischer Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, unter einen Tierarztvorbehalt stellt.
Die Karlsruher Richter:innen werten den Grundrechtseingriff als nicht verhältnismäßig. Der für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika bei Tieren angeordnete Tierarztvorbehalt verfolge allerdings einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, nämlich den, die Qualität von Diagnostik und Therapie bei Heilbehandlungen von Tieren zu sichern. Es diene dem Tierschutz und der Gesundheit von Mensch und Tier, wenn Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen durch nicht ärztliche Personen vermieden würden. Der Tierarztvorbehalt sei auch geeignet und erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen – aber am Ende dann doch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne.
Berufsfreiheit versus Tierschutz
Der Eingriff in die freie Berufsausübung habe erhebliches Gewicht, so der Senat: Tierheilpraktiker und Tierhomöopathen, die klassisch homöopathisch arbeiteten und daher nahezu ausschließlich hochpotenzierte, nicht verschreibungspflichtige Humanhomöopathika anwendeten, seien im Kern ihrer Tätigkeit betroffen. Eine weitere berufliche Tätigkeit sei auf diesem Gebiet ganz weitgehend nicht möglich.
Dem gegenüber stünden der Tierschutz sowie die Gesundheit von Tier und Mensch als schützenswerte Belange von erheblichem Gewicht. Allerdings sei die Wahrscheinlichkeit, dass diese Gemeinwohlbelange beeinträchtigt werden, nicht sehr hoch einzuschätzen. Vor allem aber könne sie weiter gemindert werden, indem eine Pflicht zum Nachweis von Kenntnissen im Bereich der Tierheilkunde eingeführt würde. Diese Kenntnisse müssten etwa eine Einschätzung ermöglichen, inwieweit die Zuziehung eines Tierarztes oder die Verweisung an einen Tierarzt erforderlich ist.
Auch den Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit von Tierhalterinnen und Tierhaltern, die ihre Tiere klassisch homöopathisch behandeln, hält der Senat für nicht gerechtfertigt. Sie dürfen Hund und Katz also weiter mit Globuli behandeln, wenn sie es möchten.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2022, Az.: 1 BvR 2380/21, 1 BvR 2449/21
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