Engpässe

Codein-Tropfen nicht lieferbar: Was sind die Alternativen bei Husten?

Waren (Müritz) - 18.11.2022, 07:00 Uhr

Husten ist derzeit ein Dauerthema in den Apotheken (Foto: contrastwerkstatt / AdobeStock)

Husten ist derzeit ein Dauerthema in den Apotheken (Foto: contrastwerkstatt / AdobeStock)


Der Winter naht, die Erkältungssaison geht erst richtig los und Apotheken verzweifeln schon jetzt an Lieferengpässen. Wieder ein Rezept über Tryasol forte und wieder der Griff zum Telefonhörer: Nachdem nun auch die letzten Reserven des Hustenstillers zur Neige gegangen sind, bleibt Apothekenmitarbeitern nur die Rücksprache mit dem Verordner. Welche (verfügbaren) Alternativen kann man vorschlagen und wann wird sich die Liefersituation voraussichtlich entspannen?

Husten zählt in dieser Jahreszeit traditionell zu den häufigsten Beratungsanlässen. Da ist es besonders ärgerlich, dass ausgerechnet jetzt die medikamentöse Palette nicht ausgeschöpft werden kann, weil viele Präparate nicht lieferbar sind. Der Engpass von codeinhaltigen Hustentropfen wird die Apotheken voraussichtlich noch eine Weile beschäftigen.

Ein Flaschen-Problem?

Auffallend ist, dass derzeit insbesondere flüssige Darreichungsformen von Lieferschwierigkeiten betroffen sind. Zumindest im Fall von Tryasol® forte ist nicht der Wirkstoff, sondern die Flasche das Problem: Als Grund für den Lieferengpass nennt Hersteller Aristo aktuelle Schwierigkeiten mit Zulieferern in der Lieferkette, die zu Änderungen der Primärpackmittel geführt haben. Diese Änderungen müssen von der Behörde genehmigt werden. Aristo rechnet mit dieser Genehmigung noch im Laufe des Novembers, sodass der Lieferengpass bestenfalls Ende des Monats behoben sein soll. Auch im Fall des seit Wochen nur kleckerweise verfügbaren NasenSpray-ratiopharm® Kinder geht das Gerücht um, dass es am Fläschchen liegt. Teva hält sich bedeckt, erklärt aber, dass die aktuellen Lieferengpässe auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sind. Fehlende Primärpackmittel seien nicht der Hauptgrund, so Teva. Codeintropfen-CT 1 mg, 30 ml sollen voraussichtlich ab Januar 2023 wieder lieferbar sein. Für die 15-ml-Flasche gibt es derzeit noch keinen Termin. 

Nicht zwingend therapiebedürftig

Einen akuten Husten zu behandeln, hält die S2k-Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“ im Regelfall für nicht notwendig, sofern keine Red Flags vorliegen. Er sollte nur medikamentös unterdrückt werden, wenn der Patient einen hohen Leidensdruck hat, und auch dann darf die Anwendung von Antitussiva nur kurzzeitig und bestenfalls zur Nacht erfolgen. Zumindest subjektiv kann eine Behandlung so zu einer Linderung von Beschwerden beitragen. 

Aber für medikamentöse Maßnahmen ist die Evidenzlage durchwachsen. Antitussiva wirkten in Studien hinsichtlich des Hustenreizes bei akutem Husten nicht besser als Placebo. Von einem Versorgungsengpass kann deshalb keine Rede sein, dennoch bedeuten Lieferschwierigkeiten immer einen erhöhten Aufwand. Als Hilfestellung hier ein Überblick der am Markt befindlichen Antitussiva:

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Codein und Dihydrocodein
Die S2k-Leitlinie hebt codeinhaltige Hustenstiller als wirksam hervor, um den Nachtschlaf zu verbessern. Codein und Dihydrocodein werden in gewissem Ausmaß im Körper zu Morphin metabolisiert, das an die Opioid-Rezeptoren im Hustenzentrum des Hirnstamms bindet und den Husten zentral dämpft. Bei ausgesprochenem Patientenwunsch dürfen entsprechende Präparate bei nicht produktivem und quälendem Reizhusten kurzfristig zur Nacht angewendet werden. Im Hinterkopf behalten werden muss das nicht unerhebliche Abhängigkeitspotenzial. Auch wegen unerwünschter Wirkungen wie Sedierung, Atemdepression und Obstipation sind entsprechende Präparate der Verschreibungspflicht unterstellt. Vorsicht ist geboten in Kombination mit zentral dämpfenden Medikamenten (Psychopharmaka, Alkohol). Strikt kontraindiziert ist die gleichzeitige Gabe von MAO-Hemmern.

Derzeit sind keine Präparate mit Codein in Tropfenform lieferbar. Tabletten sind dagegen noch teilweise verfügbar (z. B. Codeinum phosphoricum Berlin Chemie, Codicompren 50 mg retard, Tussoret). Sie können als Alternative für Patienten ab 18 Jahren vorgeschlagen werden. Für Personen mit Schluckbeschwerden kommen auch flüssige Darreichungsformen auf Basis von Dihydrocodein (Paracodin® Sirup und Tropfen) infrage, die noch teilweise lieferbar sind. Der Sirup ist bereits für Kinder ab vier Jahren zugelassen.

Noscapin
Ebenfalls rezeptpflichtig sind Präparate mit Noscapin. Das nicht sedierende Alkaloid weist insgesamt ein im Vergleich zu anderen Opiaten geringeres Nebenwirkungsspektrum auf und hat kein bekanntes Abhängigkeitspotenzial. Ein wissenschaftlicher Beweis seiner Wirksamkeit steht allerdings aus. Bekannte Nebenwirkungen sind Übelkeit, Kopfschmerzen und Benommenheit. Noscapin kann die blut­verdünnende Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten ver­stärken. Capval® steht als Sirup, Tropfen und Tabletten zur Verfügung und ist bis dato noch von Lieferschwierigkeiten verschont geblieben. Die flüssigen Darreichungsformen sind bereits für Kinder ab sechs Monaten zugelassen, Tabletten ab sechs Jahren.

Dextromethorphan
Auch bei dextromethorphan-haltigen Präparaten sieht die Lage derzeit noch entspannt aus, obwohl es auch hier immer wieder zu Engpässen kommt. Dextromethorphan weist zwar eine Opioid-Struktur auf, zeigt aber praktisch keine Affinität an Opiat-Rezeptoren. Die antitussive Wirkung beruht auf einem nicht-kompetitiven Antagonismus an NMDA-Rezeptoren und einem Agonismus an Sigma-Rezeptoren. Die S2k-Leitlinie bemängelt, dass die verfügbaren Studien überwiegend herstellerfinanziert sind. Man geht von einem begrenzten Nutzen aus, dem aber ein hohes Missbrauchspotenzial und eine Reihe von Interaktionen gegenüberstehen. Dextromethorphan wird über das CYP2D6-Enzym metabolisiert und sollte aus diesem Grund nur vorsichtig mit entsprechenden Substraten (z. B. Fluoxetin, Chinidin, Terbinafin, Cimetidin, Amiodaron, Sertralin, Bupropion, Methadon) kombiniert werden. Die Silomat DMP Lutschtabletten (à 10,5 mg) kommen bereits ab einem Alter von sechs Jahren in Betracht. Die Kapseln mit 30 mg Dextromethorphan (Hustenstiller ratiopharm) sind erst ab zwölf Jahren zugelassen, derzeit aber auch nicht lieferbar.

Pentoxyverin
Auch Pentoxyverin wirkt als Agonist an Sigma-Rezeptoren, daneben als Antagonist an muscarinergen M1-Rezeptoren. In der Folge wird die Aktivität von bestimmten Neuronen gedämpft, was den Husten lindern soll. Eine unerwünschte Wirkung ist Müdigkeit. Die Anwendung zentral dämpfender Arzneimittel und Alkohol kann zu einer Verstärkung der sedierenden Wirkung führen. Pentoxyverin ist ebenso wie Dextromethorphan nicht verschreibungspflichtig, seine Wirksamkeit ist aber schlechter erprobt. Noch ist der Markt ausreichend bestückt. Silomat bzw. Sedotussin® Saft und Tropfen sind ab zwei Jahren zugelassen.

Levodropropizin und Dropropizin
Seit Anfang des Jahres 2022 sind Präparate mit Levodropropizin rezeptfrei zu haben. Der Wirkmechanismus des nicht-opioiden Antitussivums ist noch nicht vollständig geklärt, man weiß aber, dass es afferente C-Fasern im Bronchialbaum hemmt. Ebenso wie Pentoxyverin dürfen es auch Patienten mit Asthma und COPD anwenden. Relevante Kontraindikationen sind produktiver Husten und eine stark eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion. Wechselwirkungen sind mit Ausnahme von sedierenden Arzneimitteln nicht zu befürchten. Nachteilig ist die kurze Wirkdauer von Levodropropizin mit einer Halbwertszeit von nur ein bis zwei Stunden. Das Präparat Quimbo® steht als Saft und Tropfen ab zwei Jahren zur Verfügung. Das Racemat Dropropizin ist als Larylin® Pastillen und Sirup ab zwölf Jahren verfügbar, ebenfalls für die Selbstmedikation.

Benproperin
Das nicht-opioide Antitussivum Benproperin hemmt den Hustenreiz im afferenten Teil des Reflexbogens. Im Gegensatz zu Codein wirkt es sogar atemanregend und kann auch bei eingeschränkter Atmung angewendet werden – bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Das Präparat Tussafug® ist eine Option ab sieben Jahren, aber zurzeit nicht lieferbar.

Phytopharmaka
Phytopharmaka auf Basis von Isländisch Moos, Eibisch und Malve können bei Reizhusten hilfreich sein, unterdrücken den Husten aber nicht im Sinne eines klassischen Antitussivums. Schleimstoffdrogen enthalten heterogene Polysaccharide, die mit Wasser visköse Schleime (Hydrogele) bilden. Die reizlindernde Wirkung hält allerdings nur so lange an, wie die entsprechenden Rezeptoren eingehüllt sind. Aus diesem Grund sollte nach der Einnahme für mindestens eine halbe Stunde nichts gegessen oder getrunken werden. Präparate auf Basis von Efeu wirken gleichzeitig als Hustenstiller und Hustenlöser und können nach ärztlicher Rücksprache bereits im Säuglingsalter gegeben werden.


Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

"Engpässe"

von Elsie am 24.11.2022 um 15:57 Uhr

Ich vermute diese Engpässe werden politisch begrüßt.
Vor vielen Jahren war ich heroinabhängig und habe versucht mit Hilfe von Codein dieses Problem zu entschärfen.
Ich war arbeitsfähig, habe Karriere gemacht und führte ein normales Leben.
Bis der Staat die Verordnung von Dihydrocodein verboten hat.
Betroffene wurden genötigt auf Methadon umzusteigen.
Ein Mittel was sämtlich Rezeptoren im Gehirn besetzt, keinerlei positiven Effekt besitzt und hochgradig süchtig macht.
Der Entzug war die Hölle. Statt Wochen dauerte er monatelang.
Die Spätfolgen:
Antriebsarmut, Depressionen, Hoffnungslosigkeit.
Jeder Mensch sollte das Recht haben, sein Leben selbst zu gestalten, solange er keinem anderen Schaden zufügt.
Der Staat hat sich da in keiner Weise einzumischen.

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