Bayerische Landesapothekerkammer

Die Stimmung an der Basis ist schlecht wie nie

München - 18.11.2022, 15:15 Uhr

BLAK-Präsident Benkert ist bewusst, dass die Erhöhung des Kassenabschlags einigen Kolleg:innen weh tun wird. (Foto: DAZ)

BLAK-Präsident Benkert ist bewusst, dass die Erhöhung des Kassenabschlags einigen Kolleg:innen weh tun wird. (Foto: DAZ)


Die Stimmung an der Basis ist schlecht – so schlecht wie noch nie. Das wurde am vergangenen Mittwoch bei der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer in der Diskussion über den Bericht des Präsidenten mehr als deutlich. Doch schwarz sehen will nicht jede:r.

Wenig überraschend nahm das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz im Bericht von Bayerns Kammerpräsident Thomas Benkert bei der Delegiertenversammlung einigen Raum ein. Als „Stein des Anstoßes“ bezeichnete er es. Bereits vor dem Apothekertag, als die ABDA-Spitze endlich einen Termin bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bekommen hatte, habe man das Thema angesprochen. „Wir haben mit Engelszungen auf ihn eingeredet, dass es bei den Apotheken nichts mehr zu holen gibt“, berichtet Benkert. 

Aber der Minister sei unbelehrbar gewesen. Man könne das Paket nicht mehr aufschnüren, hieß es. Dass Lauterbach bei den Ärzten dennoch eine Anpassung vorgenommen hat, ärgert Benkert – auch wenn er ihnen alles gönne, wie er betont. „Vor dem Hintergrund des Milliardendefizits der GKV sind die den Apotheken zu erzielenden Einsparungen ein Mückenschiss an der Wand. Einigen Kollegen tut das aber richtig weh“, so der Kammerpräsident.

Seine Ansage an die Politik: „Wir brauchen Rahmenbedingungen für Planungssicherheit.“ Im Koalitionsvertrag sei die Rede von einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken. Dazu brauche es aber die notwendigen Zutaten, zum Beispiel ein Einkommen, das nicht von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung abgekoppelt ist, sowie eine Dynamisierung der Vergütung. Zudem brauche es klare Vorgaben zum Impfen und den Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen. Benkert plädierte außerdem für eine Verstetigung der Coronaregelungen, die dem Berufsstand mehr „Beinfreiheit“ gäben, auch um mit Lieferengpässen besser umgehen zu können.

Verzweifelte und aggressive Anrufe

Wie sehr „der Mückenschiss“ einigen weh tut, zeigte die anschließende Diskussion. An der Basis sei die Stimmung so schlecht wie nie, berichteten mehrere Delegierte. Es gebe verzweifelte und aggressive Anrufe, hieß es. Das habe man noch nie so erlebt. Ob es einen Kommunikationsleitfaden gäbe, um die Stimmung aufzufangen, wurde gefragt. Zudem müssen man gegenüber der Politik ein Zeichen setzen, dass man mit den Apotheker:innen eben nicht alles machen könnte.

„Wir müssen uns auf das Positive konzentrieren“

Der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Hans-Peter Hubmann, will in diese Klagen allerdings nicht einstimmen. Manche ließen sich in einen Negativstrudel herabziehen. Ihm habe die Arbeit in der Apotheke noch nie so viel Spaß gemacht wie in den vergangenen zwei Jahren. Und er sei oft in seiner Apotheke am HV. „Wir müssen uns auf das Positive konzentrieren“, so Hubmann. Hinsichtlich möglicher Protestaktionen sagte er: „Wir müssen uns ehrlich machen. Das Druckmittel der Ärzte ist größer, sie haben andere Rachemöglichkeiten.“ 

Hubmann forderte von den Kollegen, realistisch zu bleiben. Das Jahr 2022 habe in Bayern gut begonnen und auch 2021 sei ein gutes Jahr gewesen. „Wer sinnvoll agiert hat, hat Reserven“, so der BAV-Vorsitzende. In seine Augen muss man differenzieren, welche Probleme dem Spargesetz geschuldet sind und welche ihren Ursprung an anderer Stelle haben. Jammern und Protestieren sei keine Lösung; man arbeite in der Berufspolitik intensiv an sinnvollen konstruktiven Vorschlägen für die weitere Finanzierung der Apotheken, auch im Hinblick auf die kommende Strukturreform.

Mit dieser Einstellung ist Hubmann nicht alleine: „Wir leben in einer geilen Zeit“ – das sollte in den Augen eines weiteren Delegierten der Grundtenor sein. Er zielte dabei auf die neue Errungenschaft der Dienstleistungen hab, die gut verhandelt wurden, wie er sagte. „Jeder kann, keiner muss. Man muss den Leuten Lust machen. Die Lust auf Pharmazie kann nicht größer sein als in der jetzigen Zeit, wo wir so viele Optionen haben.“

„Die Politiker wissen gar nicht, was da läuft“

Eine weitere Delegierte teilt die positive Grundeinstellung bezüglich der Dienstleistungen zwar. Sie seien eines der wenigen Dinge, bei denen Apotheker:innen selbst wirksam sein können. Aber gerade da fehle vielen Kolleg:innen die Handlungs- und Umsetzungskompetenz. Die Basismitglieder müssten mitgenommen werden. Bei ihnen zeige sich jetzt das emotionale Kräftezehren der letzten Zeit. „Die sind durch mit den Nerven.“ Das müsse man ernst nehmen. Zudem müsse man an die Politik herantreten, um die Versorgung sicherzustellen. „Die wissen gar nicht, was da läuft“, konstatierte sie. „Wenn wir keine Arzneimittel haben, ist mir egal, wie hoch der Kassenabschlag ist. Wir müssen versorgen können und das muss emotional nach außen gebracht werden“, so der Appell an die Standesvertretung.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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11 Kommentare

Spaß am Apothekensterben?

von Thomas Eper am 19.11.2022 um 9:51 Uhr

Angesichts des massiven Apothekensterbens hält sich der Spaßfaktor bei den meisten Kollegen sehr in Grenzen.

„Wer sinnvoll agiert hat, hat Reserven“ -> Herr Hubmann, ich will nicht von Reserven leben müssen, sondern will meine Leistung angemessen vergütet haben!
Es gibt nichts, was man noch schönreden kann.
Versuchen Sie es mal bitte als Standesvertreter mit einer großen Portion Selbstkritik!
Vielleicht kommen wir dann mal einen Schritt weiter.

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Flasche leer

von Dr. Radman am 19.11.2022 um 7:43 Uhr

Flasche leer. Wir haben fertig!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sprechende Pharmazie statt Schweigepflicht

von Gregor Dinakis am 18.11.2022 um 20:30 Uhr

Die meisten wissen leider immer noch nicht, was da alles laufen kann, während sie Antibiose-Rezepte unversorgt wegschicken.

Wenn ich keine N3-Arzneimittel habe, gebe ich momentan liebend gerne 2xN2 50 oder sogar 3/4xN1 á 25-30 Stück ab. Dann ist es auch ein Stück weniger schlimm, dass der Abschlag bald steigt.
Wenn ich mangels lieferfähigen Alternativen dann zuzahlungsfreie 4x Panto 40 Aristo (25 Stück) abgeben kann (muss) und den Verursachenden die Kosten inkl. Zuzahlungen berechnen darf, dann stimmt mich das glücklich, als Auswirkung der Sparzwänge gleich 3-4 OP abrechnen zu dürfen.
Die Mehrkosten eines Crestor 5/10 denen in Rechnung zu stellen, die es übertrieben haben, das sind die Momente, die wieder Lust auf Apotheke machen.

Wo sind die regelmäßigen Rundschreiben, die jeden Montag Morgen an alle Apotheken verschickt werden? Die uns helfen, uns aufs Positive zu konzentrieren und uns alle an unsere gut aushandelten (hier bitte keine Pawlow'sche Schnappatmung, sondern jeden Absatz nochmal lesen, verstehen und zustimmen. Formfehler, die die Therapiesicherheit nicht tangieren sind jetzt ausgeschlossen, die Dosisangabe IST therapieentscheidend, dafür habt ihr studiert...) vertraglich festgelegten Rechte & Möglichkeiten erinnern? Die in uns die Lust wecken, unsere Beinfreiheit zu nutzen, um als Kollektiv kräftig zurücktreten zu können?

Viele Kolleg*innen stecken aber durch die letzten 2 Jahrzehnte immer noch im negativen Strudel des Retax-Traumas fest.
Aus Angst womöglich etwas falsch zu machen, werden Rezepte auf Odysseen geschickt, anstatt mit pharmazeutischem Sachverstand für nicht-lineare (& meist besser vergütete) Lösungen zu sorgen. Für die meisten Fälle braucht es auch kein neues Rezept. Bei vielen nichtmal eine Rücksprache.
Das soll kein Bashing sein, das Thema muss mit der nötigen Ernsthaftigkeit aufgearbeitet werden.

https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/berliner-apotheken-drama-wenn-ein-medikament-nirgendwo-lieferbar-ist-li.285559?fbclid=IwAR0VBDkYc4IYe0IrmPO2XrwMdsutP2Oq67vfTbJpcgFMv8FLVOed9p_7tzc

Die Bevölkerung weiterhin ordnungsgemäß mit Arzneimitteln versorgen zu können, gleichzeitig den Kassen ihre eigene Medizin verabreichen und dabei entlang der täglich fluktuierenden Lieferfähigkeit in dynamischer Höhe kompensiert werden.

Aber erst, wenn auch alle um ihre Handlungs- und Umsetzungskompetenzen wissen, was da wirklich selbst bewirkt werden kann und alle ihre Rezepte mit mehr Genugtuung bedrucken können, erst dann wird es eine richtig geile Zeit.

Das schließt übrigens ein vorübergehendes Aussetzen der Testrezepturen ein, liebe BLAK. Wenn eure "Pappenheimer" doch bereits bekannt sind, könnt ihr den anderen Apotheken in diese Punkt doch ruhig vertrauen. Damit die Basis anfangen kann, sich aufs Positive zu konzentrieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 18.11.2022 um 18:55 Uhr

Man bleibt sprachlos zurück angesichts solcher Aussagen. In welchem Paralleluniversum leben Menschen wie Benkert un Co?
Mit solchen Typen an der Spitze ist die Richtung klar: Abwärts.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: .Frau Peters Worte

von Dr.Diefenbach am 19.11.2022 um 12:26 Uhr

....STIMMT .Ohne jeden Zusatz.Und der oberlehrerhafte Benkert-Finger sowie die bemerkenswerten vor intellektuellem Esprit nur so strotzenden
Dürftigkeiten des Herrn Dr. Hubmann(falls er das SO geäussert hat) geben kaum Perspektiven FÜR die jungen Kollegen wieder, die sich als Selbständige
niederlassen möchten..

Erschreckend

von Linda F. am 18.11.2022 um 17:55 Uhr

Aussagen wie „wir leben in einer geilen Zeit“ während ein Großteil der Apotheken vor Ort vor allem auch wegen standespolitischer Fehlentscheidungen (Fokussierung auf unrentable pDL statt auf eine Erhöhung und Dynamisierung des Basishonorars) ums nackte Überleben kämpft sind zutiefst verstörend und zeigen, dass unsere Standesvertretung scheinbar komplett den Bezug zur Realität verloren hat! Das ist äußerst bedenklich und lässt in mir die letzte Hoffnung auf Besserung schwinden.

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AW: Erschreckend

von Anita Peter am 18.11.2022 um 18:57 Uhr

Benkert ist ein Typ wie Angela Merkel. "Ich wüsste nichts was wir falsch gemacht haben"
Selbstreflexion ist ein Fremdwort, ebenso endlich alles in Frage zu stellen und aus den Lieferverträgen auszutreten. Warum auch? Benkert gehts gut.

Spitze

von Franz Kellner am 18.11.2022 um 17:34 Uhr

Da zeigen 2, wie nötig der Rücktritt wäre.
Offensichtlich macht die Arbeit eben nicht mehr so viel Spaß wie Herrn Hubmann, der mutmaßlich seine Schäfchen im Trockenen hat. Da lässt sich leicht lachen. Völlig ignoriant. Fehl am Platz. Und Benkert schikaniert mit seiner bayrischen Kammer die Kollegen eben dort. Kein Wunder, dass dort die Stimmung besonders schlecht ist.
Dieser Artikel lässt einen fassungslos zurück und die Wut steigen.
Wir kämpfen nicht nur gegen unfähige Politiker, sondern gegen ebensolche Vertretung.

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AW: Schikane

von Dr. Ralf Schabik am 18.11.2022 um 19:15 Uhr

"Und Benkert schikaniert ..." Wohl wahr :-( Im April 2020 forderte die BLAK die turnusgemäße Testrezeptur bei uns an. Auf meine Frage, ob da nicht die Herstellung der Desinfektionsmittel wichtiger sei und die Testrezeptur bitte verschoben werden könne, bis wir die Pandemie im Griff hätten, kam bist heute KEINE Antwort von irgendeinem Verantwortlichen. Dafür eine Rüge wegen verspäteter Abgabe samt Geldbuße 250 Euro. Mein Anwalt nimmt dieses Trauerspiel mit der Kammer mittlerweile als Fallbeispiel in seinen Vorlesungen. SO tickt die Kammer in Bayern. Weder in der Pandemie noch bei der drohenden Energiemangellage kam von der Kammer irgendwas Substanzielles pro-aktiv. Bin ich froh, dass ich für die aktuelle Delegiertenversammlung nicht mehr kandidiert habe ...

Wir leben in einer geilen Zeit

von Conny am 18.11.2022 um 15:25 Uhr

Hätte auch Boris Johnson sagen können

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wir leben in einer geilen Zeit

von Thomas B am 18.11.2022 um 18:32 Uhr

Vielleicht sollte Herrn Un-Lauterbach und Herrn Lindner mal wer erklären, warum Geiz eben doch nicht ganz so geil ist.....

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