„Eine schleichende Pandemie“

Antibiotika-Resistenzen verursachten 2019 in Deutschland über 9.000 Todesfälle

Stuttgart - 22.11.2022, 12:15 Uhr

Antibiotika-Resistenzen stellen eine große Gesundheitsgefahr unserer Zeit dar. (Foto: oleksandr / AdobeStock)

Antibiotika-Resistenzen stellen eine große Gesundheitsgefahr unserer Zeit dar. (Foto: oleksandr / AdobeStock)


Vom 18. bis 24. November findet die Welt-Antibiotika-Woche statt, durch die auf die Problematik der Antibiotika-Resistenzen aufmerksam gemacht werden soll. ­Welche Auswirkungen haben die mikrobiellen Resistenzen hierzulande und in Europa, und welche Keime sind besonders gefährlich?

In Deutschland waren im Jahr 2019 9.650 Todesfälle auf eine antimikrobielle Resistenz zurückzuführen (s. Kasten „Definitionen“). Dies entspricht einer Mortalitätsrate von 5 pro 100.000 Einwohner. 45.700 Todesfälle waren mit einer antimikrobiellen Resistenz assoziiert, was einer Mortalitätsrate von 22 pro 100.000 Einwohner entspricht [1]. 

Definitionen

  • Todesfälle, die mit einer antimikrobiellen Resistenz assoziiert sind: Todesfälle, die durch eine arzneimittelresistente ­Infektion aufgetreten sind. ­Eine antimikrobielle ­Resistenz kann, muss aber nicht, die ­Ursache gewesen sein.
  • Todesfälle, die direkt auf eine antimikrobielle Resistenz ­zurückzuführen sind: ­Todesfälle, die direkt durch eine Arzneimittelresistenz verursacht wurden (als Folge einer unwirksamen Behandlung) [1].

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Prof. Lothar Wieler, sieht in den Antibiotika-Resistenzen eine „schleichende Pandemie“ [2]. Dies sagte er anlässlich der Einweihung des WHO-­Kooperationszentrums für Antibiotikaresistenz am RKI im Oktober 2022. Diese Kooperation soll die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dabei unterstützen, Surveillance-Aktivitäten der Mitgliedstaaten zu stärken und zu integrieren, die sich auf Antibiotika-Resistenzen, -verbrauch und nosokomiale Infektionen beziehen.

Einsparpotenzial bei perioperativer Prophylaxe

Wieler mahnte, Antibiotika bei Mensch und Tier sachgerecht einzusetzen. Verlieren Antibiotika ihre Wirksamkeit, können Infektionen nur schwer behandelt werden. Schließlich sieht er „viele Therapien der modernen Medizin wie Krebsbehandlungen und Transplantationen“ in Gefahr, die ohne wirksame Antibiotika nicht mit demselben Erfolg wie bisher durchgeführt werden könnten. Weiter betont der Präsident des RKI, wie wichtig eine kontinuierliche Surveillance sei, um der Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen entgegenzuwirken.

Daten des RKI zeigen, dass Infek­tionen mit Methicillin-resistentem ­Staphylococcus aureus (MRSA) in Deutschland abnehmen, aber auch, dass beispielsweise Vancomycin-resistente Enterokokken und teilweise auch Carbapenem-resistente Enterobakterien zunehmen.

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In der Pressemitteilung des RKI wird auch erwähnt, wo es ein Einsparpotenzial von Antibiotika gibt, und zwar bei der perioperativen Prophylaxe, bei der Antibiotika häufig über den Operationstag hinaus gegeben werden. Durch einen leitliniengerechten Einsatz ließen sich hierbei 13% aller Antibiotika-Therapien in deutschen Krankenhäusern einsparen.

Die Lage in Europa

In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurden die Folgen mikrobieller Resistenzen für die gesamte europäische Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) untersucht, die 53 Länder umfasst. Dabei wurden 2019 etwa 541.000 Todesfälle (95%-Unsicherheitsintervall [UI] = 370.000 bis 763.000) mit einer antimikrobiellen Resistenz assoziiert, und 133.000 Todesfälle (95%-UI = 90.100 bis 188.000) konnten direkt auf eine antimikro­bielle Resistenz zurückgeführt werden. Die folgenden Keime verursachten 457.000 Todesfälle, die mit einer antimikrobiellen Resistenz assoziiert waren. Die Auflistung erfolgt nach absteigender Mortalität:

  • Escherichia coli,
  • Staphylococcus aureus, 
  • Klebsiella pneumoniae, 
  • Pseudomonas aeruginosa, 
  • Enterococcus faecium, 
  • Streptococcus pneumoniae und
  • Acinetobacter baumannii.

In der Studie wurden auch Kombina­tionen von Keimen und Arzneimitteln, gegen die sie resistent waren, ermittelt. Dabei waren in 27 Ländern Todesfälle, die direkt auf eine mikrobielle Resistenz zurückgeführt werden können, am häufigsten durch Methicillin-resistenten S. aureus verursacht. In 47 Ländern standen Todes­fälle, die mit einer mikrobiellen Resistenz assoziiert waren, am häufigsten mit Aminopenicillin-resistentem E. coli in Zusammenhang.

 

Literatur

[1] The burden of antimicrobial resistance in G7 countries and globally: An urgent call for action. Broschüre des Institute for Health Metrics and Evaluation der University of Washington und des Robert Koch-Instituts, 27. Juni 2022, doi: 10.25646/10218

[2] Antibiotikaresistenzen, eine schleichende Pandemie: Einweihung des WHO-Kooperationszentrums für Antibiotikaresistenz am RKI. Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts, 18. Oktober 2022

[3] Mestrovic T et al. The burden of bacterial antimicrobial resistance in the WHO European region in 2019: a cross-country systematic analysis. Lancet Public Health 2022;7(11):e897-e913, doi: 10.1016/S2468-2667(22)00225-0


Desiree Aberle, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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