Nicht-hormonelles Kontrazeptivum

Pille für den Mann wird 2023 in klinischer Studie getestet

Stuttgart - 24.11.2022, 09:15 Uhr

Funktioniert alles wie geplant, könnte YCT529 das erste orale Kontrazeptivum für den Mann werden. Bis zur Markteinführung dürften allerdings noch einige Jahre vergehen. (b/Foto: Africa Studio / AdobeStock)

Funktioniert alles wie geplant, könnte YCT529 das erste orale Kontrazeptivum für den Mann werden. Bis zur Markteinführung dürften allerdings noch einige Jahre vergehen. (b/Foto: Africa Studio / AdobeStock)


Der neue Wirkstoffkandidat YCT529, der als nicht-hormonelles Kontrazeptivum für Männer entwickelt wurde, konnte im Tierversuch mit Mäusen eine Schwangerschaft zu 99 Prozent verhindern. Die vielversprechende Substanz soll 2023 nun am Menschen getestet werden. Doch über welchen Wirkmechanismus verhindert die potenzielle „Pille für den Mann“ eine Schwangerschaft?

Die Mehrheit der Kontrazeptiva wird durch Frauen organisiert und finanziell getragen. Bisher haben Männer lediglich zwei Optionen, eine Schwangerschaft zu ver­hüten: das Kondom und die Vasektomie. Letztere operative Methode kann allerdings nicht immer erfolgreich rückgängig gemacht werden. Im Frühjahr 2022 wurde bei einer Veranstaltung der American Chemical Society eine weitere Variante vorgestellt: ein Wirkstoffkandidat zur oralen Verhütung für Männer. Bisher wurde dieser nur im Tierversuch erprobt, aber ab 2023 soll er auch am Menschen getestet werden. Denn der neue Wirkstoffkandidat YCT529, der als nicht-hormonelles Kontrazeptivum für Männer entwickelt wurde, konnte im Tierversuch mit Mäusen eine Schwangerschaft zu 99 Prozent verhindern, ohne dabei signifikante Nebenwirkungen aufzuweisen.

Warum keine hormonelle Verhütung für den Mann?

Während von Frauen genutzte Verhütungsmittel oft hormonelle Methoden umfassen, welche in den Zyklus der Frau eingreifen, stellt dies bei Männern keine geeignete Option dar. Denn beim Eingriff in den Testosteron­haushalt muss mit vielen Nebenwirkungen, wie Depressionen oder erhöhten LDL-Cholesterol-Werten, gerechnet werden. Diese wollte das Forscherteam der University of Minnesota um Prof. Gunda Georg vermeiden.

Um eine orale Alternative für den Mann anbieten zu können, haben die Wissenschaftler am Retinsäure-Rezeptor-alpha (RAR-α) angesetzt. Dieses Protein bindet als nukleärer Rezeptor an Retinsäure. Retinsäure als eine Form von Vitamin A spielt eine große Rolle bei Zellwachstum, Zellteilung und damit auch bei Spermatogenese und embryonaler Entwicklung. 

Vier Wochen bis Wirkungseintritt

YCT529 bindet mit einer 500-mal höheren Affinität an den Rezeptorsubtyp RAR-α als an RAR-β und RAR-γ. Das sei mit ein Grund für das günstige Nebenwirkungsprofil von YCT529. Außerdem setzte die erwartete Wirkung im Tierversuch schnell ein. Nur vier Wochen, nachdem das RAR-α-Gen in männlichen Mäusen blockiert war, waren die Mäuse steril. Der große Vorteil daran: Die Fertilität war vier bis sechs Wochen nach Absetzen von YCT529 wieder vollständig hergestellt.

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Der Beginn der klinischen Studie, in der der vielversprechende Wirkstoffkandidat am Menschen getestet werden soll, ist für das erste Quartal 2023 geplant. Dies teilte auf Anfrage Dr. Nadja Mannowetz, Mitgründerin und Chief Scientific Officer der Firma YourChoice Therapeutics, mit. Ihr ­Unternehmen besitzt die Lizenz für YCT529.

Derweil forschen die Wissenschaftler um Prof. Gunda Georg an weiteren Verbindungen, falls der menschliche Körper anders als erwartet auf den Wirkstoff reagieren sollte. Funktioniert aber alles wie geplant, könnte YCT529 das erste orale Kontrazeptivum für den Mann werden. Bis zur Markteinführung dürften allerdings noch einige Jahre vergehen.

Literatur

A non-hormonal pill could soon expand men’s birth control options. Meldung der American Chemical Society, 23. März 2022

Korrespondenz mit Prof. Gunda Georg, University of Minnesota

Korrespondenz mit Dr. Nadja Mannowetz, YourChoice Therapeutics


Judith Scharpf, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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