Facebook-Livetalk

Overwiening: Apotheken könnten bei Strukturreform verschont bleiben

Berlin - 25.11.2022, 14:30 Uhr

ABDA-Präsidentin Overwiening stellte sich am Donnerstagabend zum letzten Mal in diesem Jahr den Fragen der Apothekerinnen und Apotheker. (Screenshot: Facebook/DAZ)

ABDA-Präsidentin Overwiening stellte sich am Donnerstagabend zum letzten Mal in diesem Jahr den Fragen der Apothekerinnen und Apotheker. (Screenshot: Facebook/DAZ)


Wenn im kommenden Jahr die gefürchtete Strukturreform im Gesundheitswesen ansteht, sollen die Apotheken offenbar geschont werden. Das seien zumindest die Signale, die derzeit bei der ABDA ankommen, sagt ABDA-Chefin Gabriele Regina Overwiening. Statt weiterer Belastungen gelte es jetzt, die Apotheken zu entlasten – etwa mit der Verstetigung der erleichterten Abgaberegeln, einem Honorar für das Lieferengpass-Management und der Abschaffung der Präqualifizierung.

Die Erhöhung des Kassenabschlags trifft die Apothekerschaft zu Unzeiten. Steigende Energiekosten und Inflation seien hart genug für die Betriebe, deren Vergütung seit fast 20 Jahren weitgehend auf der Stelle tritt, betonte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening am gestrigen Donnerstagabend im Facebook-Livetalk. Dennoch: Die Protestaktionen der Kolleginnen und Kollegen sowie das Engagement vieler Apothekerinnen und Apotheker, die zum Beispiel Bundestagsabgeordnete in ihre Betriebe einluden und über die Lage der Apotheken hierzulande aufklärten, zeige Wirkung. „Egal, mit welchem Abgeordneten ich gesprochen habe, er hatte häufig das, was ich ihm sagte, auch schon in der Fläche gehört.“ Für diese Aufklärungsarbeit dankte sie allen, die sich daran beteiligt hatten.

Im letzten Livetalk im Jahr 2022 warf die oberste Apothekerin im Land sodann einen Blick in die nicht allzu ferne Zukunft: Im Frühjahr 2023 droht bekanntermaßen eine Strukturreform im Gesundheitswesen. Möglicherweise werden die Bemühungen der Apothekerschaft in diesem Zusammenhang von Erfolg gekrönt sein: „Die Politik hat gesehen, dass sie mit uns einen starken Partner hat, der immer mehr Geschlossenheit schafft und immer deutlicher wird“, sagte Overwiening. Die gute Nachricht: Berlin signalisiere aktuell, die Apotheken nicht mit weiteren Sparmaßnahmen belasten zu wollen. „Das sind die Aussagen, die wir heute hören, und darauf müssen wir setzen.“

Erleichterte Abgaberegeln müssen bleiben

Auch das Thema Entbürokratisierung steht offenbar weit oben auf der Agenda für das kommende Jahr. Die Präsidentin sprach etwa die erleichterten Abgaberegeln an, die derzeit noch in der SARS-CoV-2-Versorgungsverordnung festgeschrieben und mit einem klaren Ablaufdatum versehen sind. Noch bis Ostern haben die Apotheken mehr Beinfreiheit als vor der Pandemie, wenn sie Rezepte beliefern. Diese Regeln, betonte Overwiening, gelte es zu verstetigen. „Das brauchen wir unbedingt – sonst können wir auch die Lieferengpässe gar nicht managen, wie wir es jetzt tun.“

Sie hob hervor, wie viel Versorgung die Apotheken auch mithilfe der Abgabeerleichterungen noch bewerkstelligten, obwohl es im Arzneimittelsektor mittlerweile an allen Ecken und Enden brennt. Dennoch leisteten die Apotheken hier Enormes – aktuell übrigens auf eigene Kosten. „Wir wissen auch, dass das viel Geld kostet“, merkte die ABDA-Chefin an. „Wenn wir die Lieferengpässe weiter managen sollen, brauchen wir dafür zwingend eine Vergütung.“

Präqualifizierung auf der Abschussliste

Auch die Präqualifizierung hat die ABDA ins Visier genommen. „Wir Apothekerinnen und Apotheker verstehen die Welt nicht mehr“, sagte Overwiening mit Blick auf das Verfahren, das schon so manche Kolleginnen und Kollegen zur Verzweiflung getrieben haben dürfte. Mit der Betriebserlaubnis seien bereits vielfältige Bedingungen an Räumlichkeiten und Personal abgeklopft – zudem sei in der Apothekenbetriebsordnung klar definiert, welche Voraussetzungen Apotheken zu erfüllen haben, inklusiver strenger und sich wiederholender Kontrollen durch Amtsapotheker:innen und Pharmazieräte. „Und weil wir das alles erfüllen, dürfen wir hochwirksame Arzneimittel abgeben“, sagte die Präsidentin. Doch an Pennadeln für die Insulinapplikation scheitere es – „das ist grotesk“.

Es sei verständlich, dass die Kassen eine gewisse Qualität bei der Hilfsmittelbelieferung sicherstellen wollen. Das sei mit Blick auf Betriebe, die nicht den strengen Regularien wie Apotheken unterliegen, auch sinnvoll. „Aber bei uns kontrollieren sie doppelt und dreifach.“ Das lässt aus Overwienings Sicht nur einen Schluss zu: „Wir müssen alles daran setzen, dass die Präqualifizierung für die Apotheken vor Ort abgeschafft wird.“

Bürokratie belastet auch bei pharmazeutischen Dienstleistungen

Apropos Entbürokratisierung: Auch beim Erbringen pharmazeutischer Dienstleistungen scheint der Dokumentationsaufwand eine nicht zu vernachlässigende Hürde zu sein. Was tut die ABDA, um dem entgegenzuwirken? Overwiening räumte ein, es sei ein Ärgernis, dass die Dokumentation noch nicht digital möglich ist. Doch grundsätzlich ergebe sich die Problematik aus dem Schiedsspruch vom 10. Juni dieses Jahres: Daraus gehe hervor, was die Apotheke alles belegen können muss, um die Dienstleistungen abzurechnen. „Der Arzt schließt den Behandlungsvertrag ab, wenn der Patient zu ihm in die Praxis kommt und seine Versichertenkarte abgibt.“ Die Apotheken hingegen müssten für jede Dienstleistungen einen separaten Vertrag mit den Versicherten schließen. „Die Digitalisierung wird diesbezüglich Erleichterung bringen, aber wir müssen aufpassen, dass das nicht überhandnimmt.“


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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7 Kommentare

Schreckliche Aussichten

von Karl Friedrich Müller am 26.11.2022 um 9:54 Uhr

die uns auch noch als Erfolg verkauft werden sollen.
Zu der ausbleibenden Erhöhung des Honorars gibt es genug (tolle und richtige) Äußerungen.
Deshalb:
Retax und Präquali SOFORT aussetzen, nicht irgendwann! Die Aussicht darauf genügt nicht, zumal auch hier zu erwarten ist, dass sich Politik wie KK quer stellen werden.
Beides sind einfach Schikanen, wobei die Retaxe auch noch als staatlich legitimierten Diebstahl zu werten ist.
Da muss endlich etwas geschehen - von unserer Seite aus und nicht weiter auf das Wohlwollen der anderen Seite HOFFEN.
Diese Luschigkeit, dieses vernebelnde Nichtstun, dieses WEITERSO ist UNERTRÄGLICH.
Sie sagt einfach: Wir machen nichts!

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AW: Schreckliche Aussichten

von apotheker63 am 26.11.2022 um 11:16 Uhr

100 % richtig ! Aggressives Aussitzen nach dem Motto "es hätte noch viel schlimmer kommen können" ...... ich habe es so satt !

.

von Anita Peter am 26.11.2022 um 7:13 Uhr

„Oh, by the way: The same procedure as last year, Miss Sophie?“
"Same procedure as every year, James..."

Ja liebe Kollegen es ist einfach nur noch Satire was wir hier erleben. Jedes Jahr die gleiche Schei.... die uns von diesen Amateuren dort oben eingebrockt wird. Jedes Jahr das gleiche amateurhafte Vorgehen. Jedes Jahr die gleichen Mißerfolge. Jedes Jahr "Es hätte schlimmer kommen können". Jedes Jahr ein "weiter so"
Im Mittelalter hätte man die Spitze mit den Mistgabeln aus ihrem Elfenbeinturm vertrieben.

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Unglaublich

von Linda F. am 25.11.2022 um 19:41 Uhr

Dass wir nächstes Jahr von der Sparreform ausgenommen werden sollen (wenn es denn überhaupt so kommt) will uns die ABDA ernsthaft als Erfolg verkaufen?!

Um mal eines klarzustellen, was die ABDA offensichtlich noch nicht kapiert hat: Auch nächstes Jahr soll die Inflation mit deutlich über 5% sehr hoch ausfallen und damit die Betriebskosten der Apotheken weiter nach oben treiben. Eine Nullrunde auf Ebene des Apothekenhonorars wäre vor diesem Hintergrund fatal und würde viele weitere Apotheken in akute Bedrängnis bringen, wenn sie es nicht jetzt schon sind.

Deshalb brauchen wir dringend eine Erhöhung der Packungspauschale, eine Anpassung des Apothekenhonorars an die Inflation der letzten und nächsten Jahre und einen Ausgleich von über 20.000 Euro pro durchschnittlicher Apotheke (orientiert an der Anzahl der Packungen pro Apotheke und Jahr) für den Mehraufwand, den wir mit den Lieferengpässen zu stemmen haben. Ansonsten werden nächstes Jahr tausende Apotheken schließen müssen!

Diese Schließungswelle findet nicht linear statt, sondern steigt exponentiell mit den sich verschlechternden Rahmenbedingungen für die Apotheken vor Ort. Das muss die ABDA endlich mal begreifen und das dann auch so der Politik klar machen. Wenn sie das nicht schafft, sind wir endgültig erledigt!

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ABDA

von Gregor Nelles am 25.11.2022 um 18:43 Uhr

Die Resignation ist riesig, die Frustration ist über alle Maßen groß, statt den Apotheken nach ihrer großartigen Leistung in der Pandemie Zeit eine Extra Vergütung zukommen zu lassen, wird bei den Apotheken gekürzt. Die Kürzungen sind so stark, dass es zu weiteren Schließungen von Apotheken kommen wird. Da nützt auch die Aussage der ABDA dann nichts mehr: Die Politik hat gesehen, dass sie mit uns einen starken Partner !!!
Dieser von der Politik gelobte starke Partner wird jetzt so stark geschwächt, dass von den 18.700 Apotheken zum Schluss nur noch 12.000 übrig bleiben. Der Rest wird in die Hände von Konzernen getrieben das ist unsere Politik, so wie es wir sie uns wünschen. Aber vielleicht haben wir auch nichts besseres verdient, denn wer sich nicht wert, wer den Mund nicht auf tut, wenn keiner Konsequenzen androht,, dem geschieht dann im Endeeffekt auch recht.

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Zusammenfassung

von Thomas B am 25.11.2022 um 18:30 Uhr

Ich fasse zusammen:
Die Apotheken werden in 2023 nicht nochmal belastet. Das kann man versuchen, als Erfolg zu verkaufen. Oder als Selbsterkenntnis und Eingeständnis der Politik, dass die Apotheken mal wieder unfair behandelt wurden. Von einem Inflationsausgleich sehen wir Apothekers auch nach 20 Jahren eingefrorenem Honorar großzügig ab.
Sorry, damit kann ich keine tarifliche Gehaltserhöhung und auch keine Strom- oder Gaspreiserhöhung finanzieren....
Ich fühle mich kräftig übers Ohr gehauen.....

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Apotheken sollen verschont bleiben

von Dr. Radman am 25.11.2022 um 18:29 Uhr

Bei der “ Strukturreform” sollen die Apotheken verschont bleiben. Wer es glaubt! Herr Lauterbach kommt mit Erhöhung des Kassenabschlags nicht durch. Das bleibt unvergessen.

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