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Dr. Ansay
Cannabis-Rezept nach Videochat: Ist das legal?
THC-haltiges Cannabis auf Rezept: Das geht inzwischen auch online und ohne persönlichen Arztkontakt. Auf der Seite dr.ansay.com stellen Ärzte digitale Verschreibungen aus. Im Anschluss kann das Cannabis gleich dort geordert werden. Das Geschäftsmodell scheint aufzugehen, aber ist es überhaupt rechtmäßig?
Betreiber von dr.ansay.com ist Can Ansay, ein promovierter Rechtsanwalt aus Hamburg. Bekannt wurde sein Startup, die Dr. Ansay AU-Schein GmbH, im Jahr 2020 als erster Anbieter von digitalen Krankschreibungen. Arbeitnehmer können sich über die Seite eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen, und zwar oft ohne dafür mit einem Arzt zu sprechen. Sein zweites Projekt waren Corona-Zertifikate, die nach einem Selbsttest zu Hause online heruntergeladen werden konnten. Ein Service, der schließlich verboten wurde. Den digitalen AU-Schein gibt es immer noch, es kam darüber aber zu einem Rechtsstreit mit der Wettbewerbszentrale.
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Ansay wurde schon oft vorgeworfen, dass seine Angebote nicht seriös seien, weil sich online zu leicht falsche Angaben machen lassen. Zumindest bei den Cannabis-Rezepten soll das aber nicht der Fall sein: „Hier geht es um ein Arzneimittel. Das ist etwas anderes als eine Erkältung. Bei meinen anderen beiden Angeboten war ich bewusst nicht streng, hier aber schon“, sagte Ansay kürzlich gegenüber der „Wirtschaftswoche“. Doch auch an diesem Modell gibt es Kritik.
Franjo Grotenhermen ist Inhaber einer Arztpraxis, die sich auf die Therapie mit Cannabis und Cannabinoiden spezialisiert hat. Außerdem ist er Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), einem Verein, der sich seit Jahren für einen verbesserten Zugang zu Cannabis-Medikamenten in Deutschland einsetzt. Den Weg von Dr. Ansay hält er aber für den falschen. Ähnlich wie bei Ansays Vorgängerprojekten sieht er auch hierbei rechtliche Probleme: „Wir betrachten das Vorgehen der Ärzte bei Dr. Ansay als klaren Verstoß gegen die Berufsordnung“, sagt Grotenhermen. „Und wir denken, dass man eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten so nicht ausreichend sorgfältig durchführen kann.“
„Auch für Cannabis zu Genusszwecken nach voller Legalisierung ist die Plattform die beste Lösung und sofort einsatzbereit.“
In der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer stehe in § 7 Absatz vier, dass eine ärztliche Behandlung und Beratung „nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien“ durchgeführt werden darf. Grotenhermen selbst bietet über seine Praxis zwar auch Videokonsultationen an, sagt er: „Aber die Patienten müssen sich alle zunächst bei mir vorstellen. Bei einem persönlichen Treffen kann ich jemanden ganz anders wahrnehmen und beraten. Ich habe nicht das Gefühl, es ist wirklich mein Patient, wenn ich ihn vor der Videokonsultation gar nicht kennengelernt habe.“
Zwar gebe es Ausnahmen, in denen der Arztkontakt nicht zwingend erforderlich sei, auch hätten die einzelnen Bundesländer in ihren Berufsverordnungen hierbei Gestaltungsspielraum. Auf den persönlichen Erstkontakt mit dem Arzt könne man zum Beispiel verzichten, wenn es sich um einen nicht transportfähigen Krebspatienten handelt. „Es muss aber eben die Ausnahme bleiben – bei Ansay ist es die Regel. Ich denke zudem, dass es ärztlicherseits häufig schwierig ist, auf Basis einer Videokonsultation die medizinische Notwendigkeit einer Therapie mit Cannabis zu beurteilen“, sagt Grotenhermen.
Ansay habe sich im Vorfeld einmalig durch ihn beraten lassen. Dabei habe er ihn auf die rechtlichen Hürden hingewiesen, die es seiner Auffassung nach gibt. Von seinem Plan abzubringen war der Unternehmer dadurch aber nicht. Auf Nachfrage der DAZ teilte Ansay mit, seit Januar dieses Jahres seien bereits „ein paar tausend“ Rezepte über seine Seite ausgestellt worden. Täglich würden derzeit etwa 80 Rezepte ausgestellt.
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In jedem Fall müssen auch bei Online-Rezepten die Voraussetzungen nach §13 BtMG erfüllt sein. Als Betäubungsmittel darf Cannabis nur dann verschrieben werden, wenn die Therapie begründet ist: Was laut BtMG auch bedeutet, dass das Therapieziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann.
Bevor überhaupt ein Videokontakt mit einem Arzt zu Stande kommt, werde bei Dr. Ansay deshalb vorab überprüft, ob Patienten diese Bedingungen erfüllen können. So muss von einem anderen Arzt zuvor eine Krankheit diagnostiziert worden sein. Die unterschriebene Diagnose muss online eingereicht werden, dies werde auch „streng kontrolliert“, so Ansay. Außerdem müssen Patienten in einem Online-Fragebogen Angaben zu vorherigen Therapieversuchen machen. Je mehr Therapieversuche jemand schon hinter sich habe, desto höher sei die Chance auf ein Rezept. Bei der Vorauswahl der Patienten komme zudem ein Algorithmus zum Einsatz, der aufgrund der Patientenangaben die „individuelle Suchtgefahr“ berechnet. Der „smarte Anamnese-Fragebogen“ sortiere „mittels einfacher künstlicher Intelligenz“ dann die Fälle aus, für die eine Online-Cannabis-Therapie „zu kompliziert oder zu riskant“ sei.
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Alle anderen Patienten können für 59 Euro einen Videochat mit einem Arzt buchen, bei dem die Angaben aus dem Fragebogen verifiziert werden und nach dem schließlich ein Rezept ausgestellt wird. Bezogen werden kann das Cannabis dann direkt über die Seite, worin wohl das eigentliche Geschäftsmodell besteht. Theoretisch sei es auch möglich, das sieben Tage lang gültige BTM-Rezept in einer niedergelassenen Apotheke einzulösen, sagt Ansay. Jedoch biete dies kaum eine Apotheke tatsächlich an.
Online-Cannabis ist nicht erstattungsfähig
Ein Nachteil der Cannabis-Rezepte, die über die Plattform ausgestellt werden: Das medizinische Cannabis ist in diesem Fall nicht erstattungsfähig. Wird das Rezept durch einen Arzt in dessen Praxis ausgestellt, ist das hingegen oft möglich. Es gilt der Genehmigungsvorbehalt: Die Kostenerstattung muss vor Therapiebeginn bei der Krankenkasse beantragt werden und es müssen strengere Regeln als für eine Verschreibung erfüllt werden. Laut § 31 SGB V muss eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen, es darf keine andere geeignete Therapie zur Verfügung stehen und es muss Aussicht auf Erfolg einer Behandlung bestehen, dann müssen die Kassen die Kosten tragen. Ärzte wie Grotenhermen beschuldigen die Krankenkassen, zu viele Anträge abzulehnen. Das BfArM geht aber laut einem Bericht davon aus, dass von 70.000 Anträgen auf Erstattung, die bis 2020 gestellt wurden, immerhin zwei Drittel genehmigt wurden. Bei einem Online-Rezept über dr.ansay.com, das keinen Genehmigungsantrag vorsieht, besteht diese Chance von vornherein nicht.
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Grotenhermen glaubt allerdings, dass sich in erster Linie diejenigen um ein Online-Rezept bemühen, die ohnehin keine Aussicht auf Erstattung hätten. Das Angebot werde jedenfalls nicht benötigt, um die Versorgung der Patienten zu sichern. Inzwischen gebe es genug Möglichkeiten, sich bei einem Arzt regulär medizinisches Cannabis verschreiben zu lassen – falls die Erstattung nicht genehmigt werde, zumindest auf Privatrezept. Das Problem sei nicht, dass es an verschreibenden Ärzten mangelt, sondern dass die Therapie als Selbstzahlerleistung nicht für jeden erschwinglich sei. Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin fordert daher schon länger, den Versorgungsvorbehalt abzuschaffen, damit Cannabis bei einer Verordnung automatisch erstattet wird.
Ansays Geschäftsmodell würde das den Boden entziehen. Allerdings denkt der bereits in eine andere Richtung. Nach der geplanten Legalisierung des Cannabis-Konsums will er seine Seite weiterbetreiben und für den Verkauf nutzen: „Auch für Cannabis zu Genusszwecken nach voller Legalisierung ist die Plattform die beste Lösung und sofort einsatzbereit“, so Ansay gegenüber der DAZ.
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