Die Antwort lautet:
Rosa (rot-violett) ist die Phenolphthalein-Lösung bei einem pH-Wert ab etwa 8,2. Bei einem pH-Wert von 0 bis 8,2 und im stark alkalischen Bereich ab pH-Wert über 12 ist sie farblos.
Die heutigen Pharmaziestudierenden und jüngeren Kolleginnen und Kollegen assoziieren den Triphenylmethinfarbstoff Phenolphthalein vor allem mit einem Farbumschlag bei der Säure-Base-Titration. Er kann aber auch auf eine langjährige und vor allem süße Karriere als Arzneistoff zurückblicken. Um die geht es beim heutigen Rätsel.
„Medizin muss bitter schmecken. Sonst nützt sie nichts“. Dieser Glaubenssatz aus dem Filmklassiker „Die Feuerzangenbowle“ ist wohl vielen von uns präsent. Dass das nicht unbedingt so sein muss, ist allerdings keine Erkenntnis der Moderne. Das zeigt die Fülle an schokoladenhaltigen Laxanzien, die unter anderem findige Apotheker im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Markt brachten – und damit lange vor dem Erscheinungsjahr der Feuerzangenbowle 1944.
Eine der bekanntesten Abführschokoladen dürfte wohl Darmol gewesen sein. Ihr Erfinder war der österreichische Apotheker Mag. pharm. Jacob Brady (1873 – 1921), der 1907 die Apotheke „Zum Heiligen Ägydius“ in Wien-Gumpendorf übernommen hatte. Die Apotheke gibt es übrigens heute noch und sie befindet sich nach wie vor im Besitz der Nachfahren von Jacob Brady.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts soll Darmol das meistgekaufte Abführmittel gewesen sein: Der Werbespruch „Nimm Darmol, du fühlst dich wohl“ war in aller Munde, heißt es. 1932 übernahm Bradys Schwiegersohn Adolf Schmidgall den 1925 gegründeten Produktionsbetrieb und baute ihn zu einem international tätigen pharmazeutischen Unternehmen mit Sitz in Wien, Stuttgart und St. Gallen aus.
Wirksames Agens in Darmol war Phenolphthalein, das Apothekerinnen und Apotheker heutzutage wohl vor allem aus dem Studium als Säure-Base-Indikator bekannt ist. In OTC-Arzneimitteln darf es seit 1999 nicht mehr eingesetzt werden, weil in Versuchen zur Langzeittoxizität bei Nagetieren vermehrt Tumoren der Ovarien, der Nebennieren und des hämatopoetischen Systems auftraten.
Die Aufmachung als Süßigkeit steht allerdings schon viel länger in der Kritik – unter anderem aufgrund der Verwechslungsgefahr. So wurde ein erster, zum Glück glimpflich verlaufener Vergiftungsfall mit Abführschokolade bereits 1902 publiziert. Später gab es aber auch Todesfälle, was die Kritik an dem Konzept lauter werden ließ.
Letztlich dauerte es aber bis in die frühen 2000er-Jahre, bis die Abführschokolade vom deutschen Markt verschwand. Das Aus besiegelte schließlich das seit 1998 laufende Nachzulassungsverfahren. Dabei vertrat die Behörde 2003 die Ansicht, dass aufgrund der schokoladenähnlichen Aufbereitung und der Primärverpackung in Silberpapier eine sichere Anwendung möglicherweise nicht gewährleistet sei (abführender Wirkstoff war zu diesem Zeitpunkt bereits ein anderer). Dem Zulassungsinhaber gelang es nicht, diese Bedenken auszuräumen, auch nicht durch eine Änderung des Namens – von „Abführschokolade“ hin zu „Täfelchen“. Anders in Österreich: Da ist die Abführschokolade „Darmol Täfelchen“ auch heute noch zu haben, allerdings schon lange nicht mehr mit Phenolphthalein als Wirkstoff, sie enthält nun einen Trockenextrakt aus Sennesblättern.
Frage:
Erinnern Sie sich noch? Welche Farbe nimmt die Phenolphthalein-Lösung eigentlich bei einem basischen pH-Wert über 8,2 an?
Rosa (rot-violett) ist die Phenolphthalein-Lösung bei einem pH-Wert ab etwa 8,2. Bei einem pH-Wert von 0 bis 8,2 und im stark alkalischen Bereich ab pH-Wert über 12 ist sie farblos.
Stuttgart - 17.12.2022, 07:00 Uhr
„Nimm Darmol, du fühlst dich wohl“, lautete der Slogan, mit dem die Abführschokolade früher beworben wurde. (Foto: Darmol / Dr. Schmidtgall)