Reinhard Herzog zur via-Studie

Rund 1 Milliarde Euro für die GKV-Bürokratie (Video)

Stuttgart - 22.12.2022, 07:01 Uhr

Professor Reinhard Herzog hat im Auftrag des Verbands innovativer Apotheken untersucht, was die GKV-Bürokratie den Apotheken kostet. (s / Quelle: eda / DAZ) 

Professor Reinhard Herzog hat im Auftrag des Verbands innovativer Apotheken untersucht, was die GKV-Bürokratie den Apotheken kostet. (s / Quelle: eda / DAZ) 


„Effizienzreserven“ gibt es tatsächlich in den Apotheken: Professor Reinhard Herzog und der Verband innovativer Apotheken (via) sehen diese vor allem in den Arbeitsbereichen, die nicht direkt den Versicherten zugutekommen. In einer Studie analysierten sie den Aufwand zur Bearbeitung von GKV-Rezepten. Herzogs Fazit: „Bei der Erhöhung des Kassenrabatts wird lange rumgemacht und hier verschwenden wir einfach mal so nebenbei 1 Milliarde Euro.“

(Video: eda / DAZ)

Die Versorgung gesetzlich Versicherter kostet die Apotheken mitunter Zeit und Nerven. Allein für die Belieferung von Rezepten müssen besondere Vorschriften und Verträge beachtet werden. In einer empirischen Studie hat der Tübinger Apothekenberater Professor Reinhard Herzog im Auftrag des Verbands innovativer Apotheken (via) analysiert, wie groß der bürokratische Aufwand ist, wenn GKV-Rezepte in den Apotheken bearbeitet werden.

Für besonders bemerkenswert hält Herzog den Zeitanteil pro GKV-Rezept von 50 Prozent und mehr, der als „Bürokratie-Zeit“ herausgestellt werden konnte. Im Schnitt investierten die Apotheken demnach zwischen drei und vier Minuten, um Rabattverträge zu beachten, Retaxationen zu vermeiden und Rezepte nachträglich zu kontrollieren. Diese Zeit multiplizierten die Studienautoren mit den Personalkosten und kamen auf etwas mehr als 2 Euro. Dieses Geld müssten die Apotheken ausgeben, um pro Rezept den bürokratischen Anforderungen gerecht zu werden.

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Bezogen auf die Anzahl aller GKV-Rezepte kommt man zu einer bemerkenswerten Summe: „Da reden wir über 900 Millionen Euro aufwärts jedes Jahr nur für die GKV-Bürokratie“, fasst Herzog das Ergebnis zusammen und merkt im Gespräch mit der DAZ an: „Komplett ausgeblendet haben wir dabei Themen wie Präqualifizierung, was so alles an der Apothekenbetriebsordnung dranhängt, Labor, wie viele Beauftragte man heute in der Apotheke hat …“ 

Herzog betont, dass vor allem kleinere Betriebe mit wenig Personal wesentlich länger für die Bearbeitung der Bürokratie brauchen. Mit Blick auf die 900 Millionen Euro gibt er daher zu bedenken: „In der Breite wird das eher noch ein bisschen höher liegen.“ Man rede also über etwa 1 Milliarde Bürokratiekosten für die Apotheken im GKV-System – nur für die Rezeptbearbeitung.

Im Video-Interview zeigt er sich entsetzt: „Es ist schon bemerkenswert, was da für Ressourcen gebunden werden.“ Bei der Erhöhung des Kassenrabatts auf 120 Millionen beziehungsweise 140 Millionen Euro pro Jahr werde lange rumgemacht und bei der Belieferung von Rezepten verschwende man „einfach mal so nebenbei“ 1 Milliarde Euro.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Studie mit "Wissenschaftsreserve"?

von Tim Olol am 22.12.2022 um 16:34 Uhr

Nichts gegen Apotheken-Lobbyismus, davon könnte es an vielen Stellen mehr geben.
Aber diese Studie erscheint wie der Versuch Lobbyismus in ein wissenschaftliches Gewand zu kleiden. Das erscheint doch ziemlich bedenklich.

Aspekte die nachdenklich im Hinblick auf die Qualität stimmen gibt es viele, hier eine Auswahl:

Methodik:

1. 13 Apotheken repräsentativ hochgerechnet für 18000? Dabei sind unter anderem 3xBerlin und 2xMünchen.
2. Zeit für das Erfassen von Rezeptdaten zählt als „Bürokratiezeit“?
Wie ist eine Bearbeitung und Rechnungsstellung ohne Rezeptdaten je möglich gewesen?
3. Nachkontrolle, Rücksprachen und Rezeptänderungen gelten ebenfalls als „Bürokratiezeit“?
Für diese Vorgänge gibt es vielfältige Gründe, eine Pauschalisierung auf „kassengemachte“ Bürokratie ist gelinde gesagt mutig.
4. Was passierte mit Aufwand für gerechtfertigte Retaxationen?

Zahlen:

1. Auf welcher Grundlage kommt man auf den abgebildeten Stundenlohn? 22 Euro/h für nicht pharmazeutisches Personal und 47 Euro/h für Approbierte repräsentiert das tatsächlich das reale Lohnniveau?

Ergebnispräsentation:
1. Sollte man 900 Mio. konsequent auf 1 Mrd. aufrunden, nur weil es möglich ist?
2. „Wissenschaftliche“ Ergebnisse mit Bewertungen wie „grotesk“ und „sinnentleert“ entsprechen sicher nicht der guten wissenschaftlichen Praxis.

Mein Fazit:
Ein Hauch von Pseudo-Wissenschaft präsentiert in der Hoffnung auf unkritische Leser.

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