BPhD-Kolumne

Warum mich Fachwissen allein nicht zu einer guten Apothekerin macht

28.12.2022, 17:00 Uhr

Miriam Sprafke, Präsidentin des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD)

Miriam Sprafke, Präsidentin des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD)


Der Apotheker*innenberuf ist ein sozialer Gesundheitsberuf. Tagtäglich hat man mit Menschen zu tun und soll mit ihnen interagieren – mit den Patient*innen vor dem HV-Tisch und mit den Kolleg*innen dahinter. Im Pharmaziestudium lernt man sehr wenig darüber, wie das erfolgreich gelingen kann. Das muss sich ändern, findet Miriam Sprafke, Präsidentin des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland.

Das Vermitteln von Soft Skills ist im Pharmaziestudium nicht verpflichtend und spielt in der Lehre meist keine Rolle. Unsere Ausbildung ist von der Schule an dominiert von den sogenannten Hard Skills. Sie spiegeln unsere pharmazeutischen Kompetenzen und fachliche Fähigkeiten wider, sind greifbar, können in einer Klausur abgefragt werden und die Qualität zeigt sich beispielsweise in Noten. Alles, was Pharmaziestudierende Woche für Woche in Vorlesungen, Seminaren und Praktika lernen und was im Endeffekt in einer Klausur oder im Staatsexamen abgefragt wird, das sind Hard Skills. Quasi unser ganzes pharmazeutisches Wissen. Aber natürlich bezieht sich das nicht nur auf die Pharmazie. Auch das Erlernen einer neuen Sprache oder die geschickte Anwendung von Excel sind Beispiele klassischer Hard Skills.

Im Gegensatz dazu stehen die Soft Skills. Man kann sie auch als die zwischenmenschlichen Fähigkeiten bezeichnen, die es möglich machen, mit anderen zu interagieren und Wissen sowie Ideen mit ihnen zu teilen. Diese Fähigkeiten werden nicht ausschließlich im beruflichen Umfeld, sondern genauso im privaten benötigt. Soft Skills lassen sich prinzipiell in drei Bereiche gliedern: Persönliche Kompetenzen, wie Selbstreflexion, Motivation, Belastbarkeit und Eigenverantwortung; Soziale Kompetenzen, wie Teamfähigkeit, Empathie, Kommunikation und Kritikfähigkeit; Methodische Kompetenzen, wie die Gestaltung von Präsentationen, analytische Fähigkeiten, Problemlösung, Zeit- und Stressmanagement.

Reine fachliche Kompetenz reicht nicht mehr aus

Gute und geschulte Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen sind genauso wichtig wie das Fachwissen selbst, um beruflich erfolgreich sein zu können. In der Berufswelt verschiebt sich der Fokus zunehmend – es geht um mehr als die Noten, die auf dem Abschlusszeugnis stehen. Wer sich verkaufen kann, wer keine Angst davor hat, mit neuen Leuten ins Gespräch zu kommen, wer in einem Team mit anderen zusammenarbeiten und auf diese eingehen kann, der wird es leichter haben. Reine fachliche Kompetenz reicht nicht mehr immer aus, um Arbeitgeber*innen von sich zu überzeugen.

Dennoch wird in Schulen und auch im Pharmaziestudium heute der Fokus auf die Hard Skills gelegt. Wir lernen sehr viel über die chemische Struktur von Wirkstoffen und wie wir sie in den Körper an den Wirkort bekommen können, wie sie dann dort wirken, welche Nebenwirkungen sie haben und vieles mehr. Aber niemand lehrt uns, wie wir das Patient*innen verständlich vermitteln können, sodass sie es ohne Angst oder Verwirrung aufgrund von Fachbegriffen tatsächlich verstehen. 

Selbstbewusstes Auftreten, auch im Dialog mit Ärzten

Auch der Dialog mit Ärzt*innen kann herausfordernd sein. Wie man ihn meistert und selbstbewusst sowie rhetorisch gewandt den eigenen Standpunkt vertritt, wird nicht thematisiert. Apotheker*innen arbeiten immer gemeinsam mit anderen in einem Team. Mit dem Erlangen der Approbation steigt die Wahrscheinlichkeit, eines Tages die Verantwortung dafür zu haben, ein solches Team anzuleiten. Wie das geht, wissen die wenigsten; oft wird es einfach mal nach Gefühl gemacht. Unser zukünftiger Beruf ist darauf ausgelegt, mit Menschen zu interagieren. Bei den einen wird das mehr gefragt sein als bei anderen – aber während des Praktischen Jahrs stehen wir alle in einer öffentlichen Apotheke. Und auch sonst werden wir nahezu überall auf andere Menschen treffen, die uns in unserem Berufsalltag, in welcher Rolle auch immer, begleiten.

Dass wir Soft Skills brauchen, bemerken wir meistens erst, wenn wir in Situationen kommen, die uns überfordern. Wenn ein Vortrag gehalten werden muss und wir Angst haben, vor anderen zu sprechen. Wenn das erste Bewerbungsgespräch ansteht und wir unheimlich aufgeregt sind. Wenn um uns herum Konflikte stattfinden und wir diese nicht lösen können. Wenn uns jemand widerspricht. Oder etwa, wenn wir unmotiviert sind, wenn unser Zeitmanagement nicht funktioniert und wir einfach nicht vorankommen.

Soft Skills kann man trainieren

Vielen ist nicht bewusst, dass man all diese Dinge erlernen kann, was ich persönlich sehr schade finde. In unserer Gesellschaft wird aber häufig vorausgesetzt, dass man das einfach so beherrscht: Feedback geben, eine gute Chefin sein, Probleme lösen, Präsentationen halten, Entscheidungen treffen ... Die Bereitstellung von Unterricht im Fach „Soft Skills“ ist nicht gewährleistet. Das muss sich ändern! Denn Soft Skills sind wie ein Muskel, den man trainieren kann.

Viele Studierendenverbände, auch der BPhD, sehen den Zustand des Nicht-Vermittelns von Soft Skills an Universitäten sehr kritisch. Eine Umfrage zum Thema Soft Skills wurde im Rahmen des Methodology Booklets im Jahr 2020 von der European Pharmaceutical Students Association (EPSA) durchgeführt. An dieser haben 1.500 Pharmaziestudierende aus 30 europäischen Ländern teilgenommen. Sie zeigt auf, dass über die Hälfte (54,57 Prozent) der Studierenden sich dafür ausspricht, dass Soft Skills an Universitäten verpflichtend vermittelt werden. 

Kommunikationsfähigkeit und Stressmanagement

Am interessantesten wäre für die Mehrheit der Teilnehmenden, dann an den eigenen Kommunikationsfähigkeiten (81,13 Prozent) zu arbeiten und ihr Stressmanagement zu verbessern (80,52 Prozent). Als Format zur Vermittlung dieses Wissens präferieren die Studierenden zweistündige Kurse (57,14 Prozent) in kleinen Gruppen von ca. zehn Personen (51,43 Prozent). Das ergibt Sinn, denn Soft Skills kann man nicht erlernen, indem man sich einen 90-minütigen Frontalvortrag anhört und danach einen Test schreibt. Man muss sie selbst anwenden, ausprobieren und üben. Das kann in Soft-Skills-Trainings funktionieren, die in der Regel in Gruppen bis zu max. 20 Personen stattfinden.

Das in den Lehrplänen zu etablieren, wäre richtig und wichtig. Es ist aber alles andere als leicht – man bräuchte viel mehr Zeit und Personal an den Universitäten, im Endeffekt mehr Geld. Das System, in dem wir Pharmazie studieren, ist in keiner Weise darauf ausgelegt; das Bewusstsein für dieses Thema in der Lehre ist momentan quasi nicht vorhanden. Daher haben es sich viele Studierendenverbände zur Aufgabe gemacht, neben den Forderungen nach Veränderungen hin zu kompetenz-, praxis- und patient*innenorientierter Lehre, interessierten Studierenden im Rahmen ihrer Möglichkeiten schon jetzt die Chance zu bieten, Soft Skills zu erlernen. 

Ausgebildete Soft-Skills-Trainer

Unsere internationalen Dachverbände EPSA & IPSF (International Pharmaceutical Students Federation) und auch die Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) bilden seit vielen Jahren selbstständig Soft-Skills-Trainer*innen aus und haben sich so eigene Trainer*innensparten aufgebaut. So entstanden große Trainingprojekte, die viele Möglichkeiten für Studierende bereithalten. 

Auch wir im BPhD bieten auf all unseren Veranstaltungen Trainings an und vermitteln bei Anfrage Trainer*innen lokal an die Fachschaften. Im internationalen und interprofessionellen Austausch können wir hier Trainer*innen einladen, aber es konnten auch seitens des BPhD in den vergangenen Jahren insgesamt zehn Trainer*innen ausgebildet werden, Tendenz steigend. Das sind erste Schritte und ein guter Anfang. So können wir schon jetzt dem Ziel, dass möglichst viele Studierende Soft Skills erlernen, ein Stück näherkommen. Dennoch ist es uns wichtig, dass das Erlernen von Soft Skills nicht nur vom Engagement einzelner Personen abhängig ist, sondern in der Zukunft ein regulärer Teil der Ausbildung wird.


Miriam Sprafke, BPhD-Präsidentin
redaktion@daz.online


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