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Diabetes
Könnten Insulin-Mimetika den Weg zur oralen Darreichungsform ebnen?
Australische Forscher haben eine Studie veröffentlicht, die den Weg zu einem oralen Arzneimittel ebnen könnte, das wie Insulin wirkt, aber kein Insulin ist. Mittels Kryo-Elektronenmikroskopie suchten die Forscher nach Wegen, den Insulin-Rezeptor zu aktivieren – ohne dass Insulin dabei eine Rolle spielt. Von einem oral einnehmbaren Therapeutikum, das die gleiche Wirkung wie Insulin zeigt, scheint man jedoch noch weit entfernt.
Insulin, der Insulinrezeptor und das damit verbundene Krankheitsbild Diabetes mellitus beschäftigen Medizin und Pharmazie seit mittlerweile über 150 Jahren – im Jahr 1869 entdeckte der deutsche Pathologe Paul Langerhans die Inselzellen im Gewebe der Bauchspeicheldrüse. Und immerhin zwei Nobelpreise gab es, die mit der Entdeckung und Aufklärung der Struktur des Insulins im Zusammenhang stehen: 1923 (in einer umstrittenen Entscheidung) für die Entdeckung des Insulins an Frederick Banting und John James Rickard Macleod sowie 1958 an Frederick Sanger für seine Arbeit zur Struktur des Insulins.
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Und doch ist es in dieser Zeit trotz zahlreicher Versuche kaum gelungen, Therapeutika für insulinpflichtige Diabetiker zu finden, die ohne eine subkutane Injektion auskommen. Die vermutlich größte Akzeptanz und Adhärenz, und damit die bestmögliche Therapietreue, ließe sich wahrscheinlich mit einfach einzunehmenden Tabletten erreichen. Dem steht allerdings das Problem gegenüber, dass Insulin oral aufgenommen schnell im Verdauungstrakt abgebaut wird. Schutzüberzüge, Verkapselungen, Filmtabletten – was bei manchen säurelabilen Arzneimitteln hilft, ist bei Insulin bislang nicht erfolgreich gewesen.
Nicht-Insulin-verwandte Peptide statt Insulin in einer Tablette?
Einen gänzlich anderen Weg haben nun aber australische Forscher beschritten und könnten damit einer Insulin-Tablette einen Schritt nähergekommen sein. Genauer gesagt nicht einer Tablette mit dem Wirkstoff Insulin, sondern mit einem Wirkstoff, der die gleiche Wirkung wie Insulin hat. Ihre Studie mit dem Titel „Aktivierung des humanen Insulin-Rezeptors durch nicht-insulin-verwandte Peptide“ veröffentlichten die Forscher um Nicholas Kirk, Professor Michael Lawrence und Mai Margetts vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research an der Universität Melbourne jetzt im Fachmagazin Nature Communications.
Mit dem Verfahren der Kryo-Elektronenmikroskopie (EM) konnten die Forscher beobachten, wie eine Reihe von Molekülen mit dem Insulin-Rezeptor interagiert. „Seit der Entdeckung des Insulins vor 100 Jahren war die Entwicklung einer Insulinpille ein Traum für Diabetesforscher, aber nach jahrzehntelangen Versuchen gab es nur wenig Erfolg“, sagt Kirk. „Mit der Kryo-EM können wir nun direkt vergleichen, wie verschiedene Moleküle, einschließlich Insulin, die Form des Insulinrezeptors verändern.“
Peptide arbeiten paarweise – wie zwei Hände am Insulinrezeptor
Die Forscher untersuchten zunächst, was passiert, wenn Insulin an den humanen Insulin-Rezeptor andockt. „Insulin hat sich so entwickelt, dass es den Rezeptor sorgfältig festhält, wie eine Hand, die eine Zange zusammenhält“, erklärt Kirk. Dabei ändert sich die Konformation des Transmembranproteins, es wird in aktivierter Form ins Zytosol transportiert und eine Reihe von Kinase-Kaskaden bewirken schließlich die verschiedenen Wirkungen des Hormons Insulin wie insbesondere die Aufnahme von Glucose aus dem Blut in die Zellen sowie Auswirkungen auf Fett- und Aminosäurestoffwechsel sowie den Kaliumhaushalt.
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Durch die Kryo-Elektronenmikroskopie, bei der organische Proben binnen Sekundenbruchteilen schockgefroren werden und sich ohne Artefaktbildung auch Proteinstrukturen computerunterstützt in 3D darstellen lassen, konnten die Forscher den aktivierten Zustand sehen. Aus älteren Arbeiten war eine Reihe von Peptiden bekannt, die im Tierversuch den Insulin-Rezeptor-Signalweg zu aktivieren vermochten und den Blutzucker-Level senken. Diese Peptide untersuchten die Forscher nun gemeinsam mit dem humanen Insulinrezeptor und fanden schließlich insbesondere ein 33 Aminosäuren langes Peptid, das an den Rezeptor bindet und ihn aktivieren kann. Dabei unterscheidet sich diese Bindung allerdings von der des Insulins. „Die Peptide, die wir verwendet haben, arbeiten paarweise, um den Insulinrezeptor zu aktivieren – wie zwei Hände, die die Zange außen herumgreifen.“
Kleine Moleküle könnten als Insulin-Mimetika infrage kommen
In der Vergangenheit hätten Wissenschaftler bereits Erfolg damit gehabt, diese Art von mimetischen Molekülen durch Wirkstoffe zu ersetzen, die dann als Tabletten eingenommen werden könnten, erklärt der Wissenschaftler. Das bedeutet nun nicht, dass das gefundene Peptid zu einem Wirkstoff weiterentwickelt werden soll. Vielmehr konnten die Forscher mit ihren Versuchen zeigen, wie Moleküle beschaffen sein müssen, um die verschiedenen Regionen des Insulinrezeptors als Agonisten zu aktivieren. Dazu könnten helikale kleine Moleküle (small-molecule helical mimetics) als Mimetika geeignet sein, erklären die Forscher in ihrer Arbeit.
Von einem oral einnehmbaren Therapeutikum, das die gleiche Wirkung wie Insulin zeigt, sei man immer noch weit entfernt. „Es ist noch ein langer Weg, der weitere Forschung erfordert, aber es ist aufregend zu wissen, dass unsere Entdeckung die Tür für orale Behandlungen für Typ-1-Diabetes öffnet“, sagt Kirk. Dementsprechend gälte es nun, in zukünftigen Forschungen Moleküle zu finden, die den Insulinrezeptor auf gleiche Art binden und aktivieren – und die oral aufgenommen stabil bleiben und ins Blut gelangen.
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