Apothekendienstleister will seine Zukunft sichern

Personalabbau und Umstrukturierung: Kahlschlag bei Noventi

München - 10.01.2023, 15:15 Uhr

Unruhige Zeiten bei Noventi. (Foto: Schelbert) 

Unruhige Zeiten bei Noventi. (Foto: Schelbert) 


Paukenschlag beim apothekereigenen Dienstleistungskonzern Noventi: Das Unternehmen trennt sich von 460 seiner mehr als 2200 Beschäftigten. Unter dem Titel „Fokussierung 2025“ baut das Unternehmen zudem seine Strukturen um, sichert sich vorzeitig einen Konsortialkredit und verkleinert die Geschäftsführung. Darüber informierte das Management die Belegschaft am heutigen Dienstag. Demnach sind die Neustrukturierung und die Fokussierung „auch die Konsequenz von einigen Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit“.

Unruhe herrscht bei Noventi bereits seit Längerem. Jetzt kulminieren die Ereignisse in einer tiefgehenden Umstrukturierung und einem massiven Personalabbau. Darüber informierte das Münchener Unternehmen, dessen Gesellschafter der Apotheker-Verein FSA ist, die Belegschaft am heutigen Dienstag in einem Townhall-Meeting. Nach dem Protokoll, welches der DAZ vorliegt, wird das Unternehmen noch in diesem Jahr 460 der mehr als 2200 Stellen abbauen. Konkret sollen Mitarbeiter, die sich in der Probezeit befinden, eine Probezeitkündigung erhalten. Alle weiteren Beschäftigten erhalten ein Angebot für den Übertritt in eine Transfergesellschaft oder ein Aufhebungsangebot. Die Planungen bis 2025 sähen darüber hinaus keine weiteren Personalmaßnahmen vor.

Zwölf statt 22 Führungskräfte

Bei einem Wechsel in die Transfergesellschaft sollen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von sechs bis zwölf Monaten erhalten. In dieser Zeit würden sie zwar nicht arbeiten, aber weiterhin 80 Prozent ihres letzten Nettogehalts beziehen. Zusätzlich sollen sie eine Abfindung je nach Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit bekommen. Alternativ könne die Beschäftigung durch einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung beendet werden.

Darüber hinaus soll der oberste Führungskreis von 22 Positionen auf zwölf Führungskräfte nahezu halbiert werden. Im Sales-Bereich, in dem es bisher „sehr viele parallellaufende Service- und Vertriebseinheiten“ gab, sollen die Bereiche Heilmittel, Heilmittel & Pflege, Apotheke und das Kundenmanagement Finance zusammengelegt werden.

Der Kundenservice gehört demnach fortan zum neuen Bereich Marketing, Kommunikation & Kunde. Im Bereich „Einkauf und Immobilienmanagement“ würden künftig die Bereiche Vertragswesen und Auftragsmanagement, KVE, Einsatzplanung, Stammdaten und Servicefaktura eingegliedert. Im Bereich der Warenwirtschaft will sich Noventi auf die Entwicklung der beiden Linien Prokas und AwintaOne fokussieren. Die drei Linien Jump, Infopharm und Pharmasoft sollen nicht weiter ausgebaut werden, sondern lediglich in Betrieb gehalten werden. Zudem sollen im laufenden Jahr Produkte aus Wirtschaftlichkeitsgründen eingestellt werden.

Mehr zum Thema

Inwieweit es zu dem Gesamt-Personalabbau tatsächlich kommt, hängt laut der schriftlichen Zusammenfassung des Townhall-Meetings „hauptsächlich von der weiteren Entwicklung im Produktbereich ab, insbesondere von den drei Warenwirtschaftslinien-Linien Jump, Pharmasoft und infopharm“. Das Management setze „alles daran, die drei Warenwirtschaftslinien durch einen Verkauf zu erhalten und die Arbeitsplätze dadurch zu sichern.“

Rezeptabrechnung soll sichergestellt sein

Der Personalabbau ist den Angaben zufolge eine „ultima ratio“ und eine Konsequenz der Neuaufstellung von Noventi. Dazu zählt auf finanzieller Ebene auch die vorzeitige Sicherung eines Konsortialkredits für die nächsten drei Jahre. Laut der schriftlichen Meeting-Zusammenfassung sei Noventi „aus Liquiditätssicht für die Jahre 2023 bis 2025 geplant und abgesichert“. Die Rezeptabrechnung an die Kunden „ist dementsprechend – wie bisher auch, seit dem Jahre 1900 - zu jeder Zeit und ausnahmslos sichergestellt“ und sei darüber hinaus die „sicherste in Deutschland“.

Die finanziellen Zusicherungen unterstreichen laut den Angaben das Vertrauen und den Rückhalt der Banken. Zugleich heißt es, dass „wir uns dieses Vertrauen und den Rückhalt in den vergangenen Monaten erst wieder erarbeiten“ mussten. Daran gekoppelt sei auch die Umsetzung der Maßnahmen, die für das Programm „Fokussierung 2025“ notwendig sind. Zentraler Auftrag sei, das Kerngeschäft zu stärken und das Unternehmen „in eine neue, fokussierte und zukunftssichere Struktur zu überführen“. Künftig werde sich Noventi auf das Kerngeschäft mit der Abrechnung, Warenwirtschaft und Branchensoftware fokussieren.

Durch all diese Maßnahmen soll das Unternehmen nach Angaben des Vorstands „wirtschaftlich rentabel, zukunftssicher und wettbewerbsfähig“ aufgestellt werden.  Dies sei nicht nur im Sinne der Kunden, sondern auch des Eigentümers FSA. 

Unruhe seit Monaten

Der Noventi-Konzern sorgt seit Monaten immer wieder für Schlagzeilen. Im Herbst 2022 hatten mehrere Personal-Entscheidungen und Gerüchte um die finanzielle Stabilität des Konzerns für Gesprächsstoff gesorgt. Anfang September hatten der ehemalige CEO Hermann Sommer und Finanzchef Victor Castro das Unternehmen verlassen. Der Aufsichtsrat hatte „unüberbrückbare Differenzen“ mit dem Vorstand als Grund genannt. Kurz zuvor hatte Noventi Gebührenerhöhungen an die Apotheken verschickt. Der Apotheken-Dienstleister wird seitdem von einer Doppelspitze geleitet, bestehend aus Mark Böhm und Frank Steimel.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Stellenabbau

von Conny am 10.01.2023 um 18:50 Uhr

Ich hoffe Frau Terhardt hört dazu. Wo Frau Terhardt noch für Awinta zuständig war,standen einem die Nackenhaare hoch wegen Ihrer Arroganz. Herrn Sauer würde ich auch gleich mit freistellen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.