Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer

„Auf den Schultern der Apotheker ist Reparaturbetrieb gespielt worden“

Dresden - 12.01.2023, 16:45 Uhr

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Gespräch mit Apothekeninhaberin Maret Hoffmann. (Foto: Anja Köhler) 

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Gespräch mit Apothekeninhaberin Maret Hoffmann. (Foto: Anja Köhler) 


Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnt davor, bei Medikamenten allein auf den Preis zu schauen. Versorgungssicherheit müsse oberste Priorität haben, betonte er beim Besuch einer Apotheke in Dresden. Anlass sind die Lieferengpässe. 

Er sei gekommen, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen – „und um die Dinge besser zu verstehen“. Das sagte Michael Kretschmer am Mittwochnachmittag im Dresdner Ärztehaus Mickten beim Besuch der dortigen Apotheke. Die war schon vor Ankunft des sächsischen Ministerpräsidenten prall gefüllt mit Pressevertretern, das Interesse am Thema Arzneimittelengpässe ist groß, die Suche nach Lösungen dringend. Kretschmer hört zu, während Apothekeninhaberin Maret Hoffmann die Situation schildert. Dabei ist dieser Tag vom glücklichen Umstand begleitet, dass einige Medikamente überraschend geliefert werden konnten, etwa Paracetamol. „Ich freue mich wie Bolle“, sagt Hoffmann einerseits.

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Andererseits treibt sie wie alle anderen Verantwortlichen die Sorge um, dass die Lieferengpässe „wohl noch eine Weile anhalten werden“. Bisher seien sie und ihre Kolleginnen zusammen mit den benachbarten Ärzten in der Lage gewesen, Alternativen für nicht-lieferbare Medikamente zu finden, sodass Patientinnen und Patienten nicht mit leeren Händen nach Hause gehen mussten. Eine Dauerlösung sei das nicht, es binde zu viel Zeit und Arbeitskraft. Die sich abschwächende Erkältungswelle verbessere die Situation ein wenig, weil weniger Medikamente nachgefragt werden. „Aber bis wir wieder im normalen Modus sind, wird noch eine ganze Weile vergehen“, so Hoffmann. Und: „Wir brauchen eine langfristige Perspektive, um nicht wieder in eine solche Situation zu geraten und Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.“

Kretschmer für Verlängerung der Corona-Sonderregeln

Das sieht auch Kretschmer so und konstatiert zunächst, „dass es Apotheken mit einer unglaublichen Bürokratie und Reglementierung zu tun haben“. Das wüssten die Wenigsten, als Laie sei man sprachlos. Man sei nun an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr weitergehe, das gelte auch für die Preisdrückerei. „Wer billigt kauft, kauft zwei Mal“, sagte der CDU-Politiker. Auf den Schultern der Apotheker sei „Reparaturbetrieb des Gesundheitswesens“ gespielt worden, das könne so nicht bleiben. Akut müsse es darum gehen, dass die Krankenkassen die Mehrkosten für schwer lieferbare Medikamente tragen, und dass die SARS-CoV2-Ausnahmeverordnung mit erleichterten Abgaberegelungen über den 7. April hinaus verlängert wird.

Langfristig sei das „A und O“, Verträge mit Herstellern abzuschließen, bei denen nicht nur auf Cent-Beträge geschaut werde, sondern in erster Linie auf die Lieferfähigkeit – Vertragsstrafen inklusive. „Das ist in der Vergangenheit nicht ausreichend gemacht worden und nun der große Krebsschaden“, beklagte Kretschmer. Deutschland sei einst die Apotheke der Welt gewesen. Zu diesem Status zurück will der Ministerpräsident trotz aller Probleme nicht. Er sei nicht sicher, ob es gut wäre, alles an Produktion ins Land zurückzuholen, sagte er: „Ein gewisses Maß an europäischer Autonomie muss es geben.“ Und: „Apotheken und Ärzte brauchen größere Spielräume, um die Patienten ohne bürokratische Hürden mit Medikamenten zu versorgen und bei auftretenden Engpässen auf Alternativen zurückgreifen zu können.“

Auch Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, sagte: „Man hat bisher zu sehr auf den Preis geschaut, gerade bei den Rabattverträgen.“ Dass bisher nur ein Hersteller – jener mit dem besten Preis – den Zuschlag erhält, dürfe so nicht bleiben, „das muss umgestellt und mehrere Partner in die Rabattverträge aufgenommen werden.“ Auch das kurzfristige Aussetzen von Festbeträgen, sei keine Lösung auf Dauer.

„Apotheken leisten Außergewöhnliches in dieser Zeit“ 

Im Gespräch mit der DAZ sagte Dittrich: „Das Wichtigste, das wir jetzt brauchen, ist das Herstellen von Versorgungssicherheit. Die Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass sie ihre Medikamente in den Apotheken schnell und zuverlässig bekommen.“ Zudem betonte der Verbandschef, „dass Apotheken außergewöhnliches leisten in dieser Zeit – das muss man tatsächlich hervorheben.“ Daraus ergebe sich zwangsläufig die Forderung an das Bundesgesundheitsministerium nach einer angemessenen Vergütung für das Management der Lieferengpässe durch die Apotheken. „ Es kann nicht sein, dass die Apotheken auf ihren Kosten sitzen bleiben“, so Dittrich.


Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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