Rhinitis medicamentosa

Nasenspray-Sucht – was hilft gegen die Abhängigkeit?

Stuttgart - 16.01.2023, 17:50 Uhr

Woran erkennt man in der Apotheke, ob jemand abhängig von abschwellendem Nasenspray ist? (s / Foto: Christine Ahlheim / AK-DigiArt)

Woran erkennt man in der Apotheke, ob jemand abhängig von abschwellendem Nasenspray ist? (s / Foto: Christine Ahlheim / AK-DigiArt)


Immer wieder wird man in der Apotheke mit Problemen konfrontiert, die zwar häufig vorkommen, zu denen es aber kaum Evidenz gibt. Eine Beratung fällt dann schwer. Ein Beispiel ist die Abhängigkeit von abschwellendem Nasenspray (Rhinitis medicamentosa). Apotheker:innen und PTA werden zwar nicht müde, präventiv dazu zu beraten – ist die Sucht jedoch einmal da, gibt es keine Leitlinie, die verrät, wie man sich von Xylometazolin und Co. entwöhnt. Was kann dennoch (am wahrscheinlichsten) helfen?

Abschwellende Nasensprays, sollen nicht länger als eine Woche am Stück angewendet werden. Während so mancher Apothekenkunde bei diesem Hinweis denkt, „Mann, Alter, du bist ja schlimmer als meine Mutter“, gibt es auch diejenigen, die wirklich wissen, wie es ist, abhängig von einem abschwellenden Nasenspray zu sein: „Manchmal wünschte ich, das Spray wäre verschreibungspflichtig. Ich habe es total unterschätzt“, schrieb kürzlich eine Autorin auf „zeit.de“. 

Auch der Rest ihrer Schilderungen dürfte so manchen Apothekenmitarbeiter:innen bekannt vorkommen. Denn wenn es geht, sucht die „Zeit“-Autorin immer eine andere Apotheke auf, um zweimal Nasenspray von Aliud für Erwachsene zu bestellen – deren Fläschchen kann man nämlich aufschrauben und so die letzten Tropfen zusammenkippen, um nichts zu vergeuden, erklärt sie.

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Welche Nasensprays wirken abschwellend?

Tatsächlich hat sie auch bereits ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, um von der Abhängigkeit wieder loszukommen. Zwei verschiedene Ärzte hätten ihr ein Corticoid-Nasenspray verordnet, „das nicht half“. Mittlerweile sprühe sie „bestimmt zehnmal pro Tag zwei Stöße in jedes Nasenloch“, weil ein Sprühstoß von dem abschwellenden Nasenspray nicht mehr hilft. Immer wieder sage sie sich: „Nächste Woche probiere ich die Ein-Loch-Methode, ein Tipp aus einem Forum.“ 

Kann man einer solchen Patientin in der Apotheke noch weiterhelfen? Die DAZ hat recherchiert, welche Empfehlungen es bei Rhinitis medicamentosa gibt und wie vielversprechend sie sind.

Das sagt die Fachinformation zur Nasenspray-Abhängigkeit

Zunächst ist wichtig festzuhalten, dass es sich tatsächlich um eine physische und keine rein psychische Abhängigkeit handelt. In der Fachinformation von Nasenspray Al steht (Stand März 2021) unter den Warnhinweisen: 

„Insbesondere bei längerer Anwendung und Überdosierung von abschwellenden Rhinologika kann deren Wirkung nachlassen. Als Folge des Missbrauchs schleimhautabschwellender Rhinologika können auftreten:

  • eine reaktive Hyperämie der Nasenschleimhaut (Rhinitis medicamentosa)
  • eine Atrophie der Schleimhaut.“

Und tatsächlich gibt es auch dort einen Hinweis, was man dagegen tun kann:


Um wenigstens einen Teil der Nasenatmung aufrecht zu halten, sollte das Sympathomimetikum erst an einem Nasenloch und nach Abklingen der Beschwerden auf der anderen Seite abgesetzt werden.“

Fachinformation von Nasenspray Al (Stand März 2021)


Apothekenmitarbeiter:innen können Kund:innen wie die „Zeit“-Autorin also nur ermutigen, die Ein-Loch-Methode aus dem Forum wirklich einmal auszuprobieren. 

Ist wirklich das abschwellende Nasenspray schuld?

Zudem wird in der Fachinformation darauf hingewiesen, dass zusätzlich der Wechsel zu einem konservierungsmittelfreien Nasenspray sinnvoll erscheint, denn: „Benzalkoniumchlorid kann eine Reizung oder Schwellung der Nasenschleimhaut hervorrufen, insbesondere bei längerer Anwendung.“ Bei anhaltend verstopfter Nase soll deshalb auf ein Arzneimittel ohne Konservierungsmittel gewechselt werden.

Auf „Medscape“ wird in einem wissenschaftlichen Artikel speziell zur Rhinitis medicamentosa darauf hingewiesen, dass grundsätzlich die Ursachen einer anhaltend verstopften Nase aufgeklärt werden müssen – beispielsweise kann ja eine Allergie oder eine chronische Rhinosinusitis vorliegen. Während manche schon nach drei Tagen eine Rhinits medicamentosa entwickeln könnten, sollen andere erst nach vier Wochen entsprechende Symptome bemerken – die Ursache einer anhaltend verstopften Nase ist also nicht immer sofort erkennbar. 

Zudem sei zusätzlich daran zu denken, dass auch andere Arzneimittel eine Rhinitis auslösen können. Genannt werden auf „Medscape“ ACE-Inhibitoren, Betablocker, Alpha-Adrenorezeptor-Antagonisten bei benigner Prostatahyperplasie und selektive Phosphodiesterase-5-Hemmer bei erektiler Dysfunktion. Selbst NSAR wie Ibuprofen und Aspirin könnten bei empfindlichen Personen Symptome an der Nase hervorrufen. In der Fachinformation von Ibu-ratiopharm heißt es beispielsweise, dass das Präparat bei bekannten Reaktionen von Bronchospasmus, Asthma, Rhinitis, Urtikaria oder Angioödem nach der Einnahme von Acetylsalicylsäure oder anderen nichtsteroidalen Entzündungshemmer in der Vergangenheit nicht angewendet werden darf (Stichwort Analgetika-Asthma). 

Für die tatsächliche Rhinitis medicamentosa sind laut „Medscape“ jedoch ausschließlich topische vasokonstriktive Arzneimittel verantwortlich. Wie schafft man es also, diese schnellstmöglich abzusetzen?

Glucocorticoide bei Rhinitis medicamentosa – sogar präventiv wirksam?

Die erste Woche soll für die Entwöhnung die schwierigste sein. Unterstützend können dabei nasale Glucocorticoide zum Einsatz kommen, das hätten mehrere Studien gezeigt. Am wirksamsten soll sogar die kurzfristige orale Einnahme von Glucocorticoiden sein, das sei jedoch nicht immer notwendig. 

Offenbar können nasale Glucocorticoide sogar präventiv angewendet werden, denn Studien haben gezeigt, dass keine Rhinitis medicamentosa auftrat, wenn Allergiker zu abschwellenden Nasensprays parallel Glucocorticoid-Sprays angewendet haben – zumindest bei einmal täglicher Anwendung über vier Wochen. 

Was aus der Apotheke sonst noch helfen könnte

Auch Nasenspülungen mit Kochsalzlösung können hilfreich sein, heißt es. Und auch die Ein-Loch-Methode wird auf „Medscape“ empfohlen. Da während der Entwöhnung Kopfschmerzen auftreten können, wird bei Bedarf die Anwendung von Schmerzmitteln empfohlen. Und sogar orale Arzneimittel zur Abschwellung der Nasenschleimhaut (Dekongestiva) werden als Option zur Entwöhnung genannt. Allerdings hieß es in der DAZ 9/2019 unabhängig vom Thema Nasenspray-Abhängigkeit, dass es „sowohl für die Auswahl eines systemischen Dekongestivums als auch für die Entscheidung zwischen lokalen und oralen Darreichungsformen keine eindeutigen Empfehlungen“ gibt. „Es fehlen vergleichende Studien, vor allem zwischen Nasensprays und oralen Darreichungsformen, und einheitliche Kriterien zur Bewertung der Wirksamkeit von abschwellenden Wirkstoffen.“

Nasenspray-Sucht – wann ist man geheilt und kann man rückfällig werden?

Wer es schließlich geschafft hat, vom abschwellenden Nasenspray loszukommen, der sollte auch künftig auf Xylometazolin und Co. verzichten. Denn selbst nach einem Jahr Pause, könnte die Rhinitis medicamentosa dann wieder neu aufflammen, auch wenn das Nasenspray nur über einige Tage angewendet wird. 

Während der Medscape-Artikel aus dem Januar 2018 stammt, kommt auch eine Umfrage aus Kanada von Ende 2019 zu dem Schluss, dass dort die meisten Ärzte und Ärztinnen die Rhinits medicamentosa mit nasalen Glucocorticoiden behandeln, obwohl es in der Literatur kein standardisiertes Vorgehen für die Behandlung gibt. Ein wissenschaftlicher Artikel von September 2022 gibt zu bedenken, dass es ungefähr ein Jahr dauert, bis man von einer Rhinitis medicamentosa vollständig genesen ist.

Kinder-Nasensprays für Erwachsene unbedenklich?

Vermissen Sie noch eine häufige Empfehlung? Etwa die Verwendung von Kinder-Nasenspray zum „Ausschleichen“ oder um gar nicht erst von Nasenspray abhängig zu werden? Bereits 2010 erklärte ein HNO-Spezialist der Uniklinik Köln in der Süddeutschen Zeitung, dass auch die Konzentration eines Säuglingsnasensprays ausreicht, um bei Erwachsenen zu einer Gewöhnung zu führen. Man sollte sich also nicht in falscher Sicherheit wähnen und auch die Anwendungsdauer von Kinder-Nasenspray bei Erwachsenen beschränken.

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Auch eine systematische Übersichtsarbeit von Oktober 2018 aus den USA kam zu dem Schluss, dass es keine ausreichende Evidenz gibt, um für Rhinitis medicamentosa ein standardisiertes Behandlungsprotokoll zu entwickeln. Am besten ist es also, gar nicht erst abhängig zu werden, oder das Nasenspray so schnell wie möglich wieder abzusetzen, sollten Symptome einer Rhinitis medicamentosa auftreten. Zu Beginn ist das mit der Ein-Loch-Methode vielleicht noch einigermaßen gut zu schaffen. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Präventivmethoden zur Abhängigkeitsvermeidung

von Guttmann am 17.01.2023 um 8:13 Uhr

Ich vermisse in dem Artikel eine Präventivmethode, die mir seit vielen Jahren(!!!) Schnupfen erspart und die ich auch vielen Kunden immer wieder ans Herz lege: die Anwendung von Euphorbium comp Nasenspray bei den ersten allerkleinsten Anzeichen einer Erkältung. Mehrmals am Tag völlig risikolos angewendet hält es die Nase frei und die Anzeichen verschwinden in den meisten Fällen. Ich war in jungen Jahren auch abhängig. Die Ein-Loch-Methode würde ich nur an einem Nasenloch anwenden, um dem anderen eine Chance auf Entwöhnung zu geben. Mal ausprobieren! Viel Erfolg

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