Ein persönliches Zwischenfazit zum Jahreswechsel

Pharmazeutische Dienstleistungen sind das „neue Normal“

Stuttgart - 16.01.2023, 07:00 Uhr

Neben der aktiven Kundenansprache haben Tatjana Buck und ihr Apothekenteam eigene, schwäbische Werbemittel entworfen. (s / Foto: privat)

Neben der aktiven Kundenansprache haben Tatjana Buck und ihr Apothekenteam eigene, schwäbische Werbemittel entworfen. (s / Foto: privat)


Politisch dauerte es fast drei Jahrzehnte, bis eine Bundesregierung den Entschluss fasste, honorierte pharmazeutische Dienstleistungen gesetzlich einzuführen. Seit Juni des vergangenen Jahres wissen Apotheken, wie sie auf Grundlage des 2020 von der Großen Koalition verabschiedeten Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes tätig werden dürfen. Seitdem begleitet die DAZ Kolleginnen und Kollegen bei der Implementierung der Tätigkeiten in ihren Apothekenteams und den Arbeitsprozessen. Hier lesen Sie im Interview ein persönliches Zwischenfazit von Apothekerin Tatjana Buck.

Tatjana Buck, Vital-Apotheke, Bad Saulgau (Foto: privat)

Tatjana Buck betreibt mit ihrem Mann die Vital-Apotheke im baden-württembergischen Bad Saulgau. Als sie damals im Juni von dem Start der pharmazeutischen Dienstleistungen erfuhr, war ihre spontane Reaktion gegenüber der DAZ: „Endlich! Sie sind da: Für alle Apotheken leistbare, honorierte, pharmazeutische Dienstleistungen!“ Zum ersten Mal hätten die Apothekerinnen und Apotheker die Möglichkeit, den Schwerpunkt ihrer Arbeit rein auf ihre pharmazeutische Kom­petenz zu setzen – und damit eine „essenzielle Ergänzung“ zum Angebot der Ärzte anzubieten. „Wir schaffen Mehrwerte in den Apothekenteams und für unsere Patientinnen und Patienten“, meinte Buck damals (DAZ 2022, Nr. 24, S. 16).

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„Endlich! Sie sind da!“

Auch einen Monat später war Bucks Freude über die Einführung ungebrochen. Doch für die Umsetzung der Tätigkeiten im Arbeitsalltag ergaben sich damals einige Herausforderungen. „Wir strugglen gerade ein wenig“, erklärte Buck. In ihrem Team existierten „absolut verdiente Urlauber“, daneben verzeichnet sie Krankheitsausfälle, außerdem führte die neue Testverordnung zu einer großen Umstellung der einzelnen Abläufe. „Aber: Ich habe zumindest eine Medikationsanalyse im Juni als pharmazeutische Dienstleistung durchgeführt und abgerechnet“, berichtete sie stolz (DAZ 2022, Nr. 27, S. 20).

Rund ein halbes Jahr nach Einführung der honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen haben wir uns mit Apothekerin Tatjana Buck ein weiteres Mal unterhalten und sie um ein persönliches Zwischenfazit gebeten.

DAZ: Frau Buck, seit mehr als einem halben Jahr sind die honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen in der Apothekenwelt. Wie lautet Ihr persönliches Zwischenfazit jetzt zum Jahreswechsel?

Buck: Mein persönliches Resümee ist – nach wie vor – absolut positiv! Es ist wichtig und richtig, dass pharmazeu­tische Dienstleistungen als Teil der Regelversorgung im enormen Leistungsspektrum der Apotheke vor Ort sind und bleiben. Wichtig übrigens natürlich für unsere Patientinnen und Patienten, aber auch für unsere Apothekenteams sowie für Ärztinnen und Ärzte!

Welche Rückmeldungen haben Sie von Versicherten erhalten, mit denen Sie über die Dienstleistungen gesprochen haben oder mit denen Sie sie sogar schon durchgeführt haben?

Zusammengefasst: Überraschung, Freude, Verwunderung, keine Kritik, aber Lob!

Uns allen muss klar sein: Wir setzen unsere pharmazeutische Kompetenz noch mehr in den Fokus. Das ist neu für unsere Patientinnen und Patienten. Und neue Angebote brauchen Zeit. Nicht jeder Patient und nicht jede Patientin nimmt die Dienstleistung direkt nach Ansprache in Anspruch. Und das ist in Ordnung! Wichtig ist, dass unsere Kundinnen und Kunden unsere Kompetenzvielfalt kennen und wissen, wo sie zukünftig ihre Frage stellen können und Antworten erhalten werden.


Kommunikation auf lokaler Ebene ist ein Schlüssel des Erfolgs zur Einführung pharmazeutischer Dienst­leistungen.“

Tatjana Buck


Wenn Versicherte Dienstleistungen in Anspruch nehmen, sind sie sehr zufrieden. Bei der pharmazeutischen Dienstleistung „Erweiterte Medika­tionsberatung bei Polymedikation“ stelle ich sehr oft fest, dass die Anspruchsberechtigten froh und dankbar sind, dass sie jemand an die Hand nimmt und ihnen Sicherheit im Umgang mit ihren Arzneimitteln gibt.

Was meinen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu?

Meine Kolleginnen und Kollegen sehen den Mehrwert der pharmazeu­tischen Dienstleistungen für unsere Patientinnen und Patienten. Zum Start der pharmazeutischen Dienstleistungen gab es aber wichtige, vor allem organisatorische Bedenken. In einem gemeinsamen Teammeeting haben wir diese Herausforderungen gemeinsam in Möglichkeiten gewandelt. Wir haben Spaß an den pharmazeutischen Dienstleistungen und sogar aktuell eine kleine Challenge im Team, die ganz sicher mit einem großen Frühstück belohnt wird!

Und nicht zuletzt: Was spiegeln Ihnen die Ärztinnen und Ärzte in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft?

Ich habe alle Ärztinnen und Ärzte in meinem Umfeld angeschrieben. Einzelne Rückmeldungen gab es bisher nicht. Meinem Anschreiben folgte aber eine Einladung zum ört­lichen ärztlichen Qualitätszirkel. Hier werde ich im Februar ein Seminar über Polymedikation, arzneimittel­bezogene Probleme und AMTS mit anschließender Diskussion halten. Ich denke, Kommunikation auf lokaler Ebene ist ein Schlüssel des Erfolgs zur Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen.


Wir haben Spaß an den pharmazeutischen Dienst­leistungen und sogar aktuell eine kleine Challenge im Team, die ganz sicher mit einem großen Frühstück belohnt wird!“

Tatjana Buck


Was waren Ihre ganz persön­lichen Herausforderungen im Zusammenhang mit den pharmazeutischen Dienstleistungen bisher?

Die größte Herausforderung ist und bleibt, die Prozesse der pharmazeutischen Dienstleistungen so schlank wie möglich zu gestalten. Wir nutzen seit August eine neue Apotheken-Software, die uns hilft, alle Dokumente zu bündeln und die Durchführung der pharmazeutischen Dienstleistungen möglichst papierlos zu gestalten. Unsere Zeit ist wertvoll und muss richtig und sinnvoll ein­gesetzt werden.

Eine weitere Herausforderung ist für mich persönlich das Thema Sichtbarkeit der pharmazeutischen Dienstleistungen und somit unserer pharma­zeutischen Kompetenz. Hier versuche ich – zusammen mit meinem Team – eigene Lösungen zu finden.

Wie machen Sie auf das neue Angebot Ihrer Apotheke aufmerksam?

Neben der aktiven Kunden­ansprache haben wir eigene, schwäbische Werbemittel entworfen und verteilen unsere Postkarten gezielt an unsere Kundinnen und Kunden. Mit „Uffbassa!“, „Oifach amol schnaufa!“ und „Bassd scho!“ hoffen wir, nicht im Mülleimer, sondern an der Pinnwand zu landen, eben präsent zu sein. Auf der Rückseite der Postkarte findet sich eine kurze und einfache Information zur jeweiligen Dienstleistung. Außerdem biete ich einen Kundenvortrag an. „Mensch Alter“ klärt über Besonderheiten in der Arzneimitteltherapie vor allem im Alter und über pharmazeu­tische Dienstleistungen auf.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Standesvertretung, den Krankenkassen und der Politik?

Ganz klar Sichtbarkeit! Wir müssen überall und bei jedem und jeder kommunizieren, was wir, die Apotheken vor Ort, leisten und leisten können. Für mich ist übrigens auch klar: Diese fünf pharmazeutischen Dienstleistungen können nur ein erster Schritt sein.

Eine wichtige Unterstützergruppe fehlt mir im Übrigen noch in Ihrer Frage: die Ärzteschaft! Wir brauchen hier ein „Wir“! Inter­professionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe muss das Ziel sein! Eine Win-win-Situation, vor allem für unsere Patientinnen und Patienten!

Wie verlief der Start der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen?

Noch viel zu früh für eine Prognose

Mit welchen Vorsätzen auf die pharmazeutischen Dienstleistungen bezogen starten Sie in 2023?

Ich finde Vorsätze eher schwierig, weil ja eigentlich jeder Tag der beste Tag für Wachstum ist. Pharmazeutische Dienstleistungen sind ebenso wie das Impfen in Apotheken Teil des Wandels. Mein Ziel ist es, diese weiter in unserem Apothekenalltag zu etablieren, sie selbstverständlich sein zu lassen. Pharmazeutische Dienstleistungen sind das neue Normal.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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