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Änderungen der Produktinformation
Biotin, Johanniskraut und PPI – neue Wechselwirkungshinweise für L-Thyroxin
Levothyroxin wird nicht umsonst morgens nüchtern mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen – es gibt zahlreiche mögliche Wechselwirkungen. Auf viele davon wird schon lange in den Produktinformationen hingewiesen. Nicht dabei war bislang jedoch Biotin, und auch an Johanniskraut und Protonenpumpeninhibitoren sollte bei der Einnahme von Schilddrüsenhormonen gedacht werden. Darauf machen geplante Änderungen der Produktinformation von L-Thyroxin aufmerksam.
Für Levothyroxin werden in den Fachinformationen (Euthyrox® Tabletten, Stand Februar 2022) zahlreiche mögliche Wechselwirkungen gelistet: Antidiabetika, Cumarinderivate, Protease-Inhibitoren, Phenytoin, Colestyramin/Colestipol, Aluminium, Eisen und Calcium, Salicylate, Dicumarol, Furosemid und Clofibrat, Protonenpumpenhemmer (PPI), Orlistat, Sevelamer, Tyrosinkinase-Inhibitoren, Propylthiouracil, Glucocorticoide, Beta-Sympatholytika, Amiodaron und iodhaltige Kontrastmittel, Sertralin, Chloroquin/ Proguanil, generell Arzneimittel mit enzyminduzierender Wirkung (wie Barbiturate oder Carbamazepin), Östrogene sowie Sojaprodukte. Doch wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mitteilt, werden es bald noch mehr.
So soll laut einer „Drug Safety Mail“ der AkdÄ von Ende letzten Jahres künftig auch Johanniskraut namentlich als Interaktion aufgeführt werden. Denn unter der Einnahme ist eine „reduzierte Serumkonzentration von L-Thyroxin möglich“.
Bei PPIs auch beim Absetzen aufpassen
„Die gleichzeitige Verabreichung mit PPIs kann aufgrund der Erhöhung des intragastrischen pH-Werts durch die PPIs zu einer Abnahme der Absorption der Schilddrüsenhormone führen“ – das konnte man bereits im Februar 2022 in der Fachinformation nachlesen. Eine regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenfunktion und klinische Untersuchung wird deshalb empfohlen. „Eventuell ist die Dosis der Schilddrüsenhormone zu erhöhen“, heißt es dort.
Künftig soll zudem darauf hingewiesen werden, dass auch beim Absetzen von PPIs aufgepasst werden sollte. Die AkdÄ verweist dazu auf eine Stellungnahme der CMDh (Co-ordination group for Mutual recognition and Decentralised procedures – human) von Ende 2022. Doch die größte Veränderung laut der Stellungnahme der CMDh und somit in den Produktinformationen von L-Thyroxin betrifft Biotin.
Wechselwirkungen von Biotin mit Streptavidin-Biotin-Immunoassays
Wie Apotheker:innen spätestens seit 2019 wissen, beeinflusst die Einnahme von Biotin Laborwerte. Denn damals hieß es seitens der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), dass klinische Studien und Fallberichte von falsch erhöhten Estradiolwerten sowie falsch erniedrigten Parathormon- oder TSH-Werten unter Biotin-Einnahme berichtet haben. Zur Vorsicht riet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) außerdem speziell auch bei schwangeren Frauen, die pränatale Nahrungsergänzungsmittel einnehmen – diese enthalten oft Biotin. So könnten nämlich durch eine fälschlich diagnostizierte Schilddrüsenüberfunktion antithyreoidale Arzneimittel (Carbimazol, Thiamazol) zum Einsatz kommen, was ein Risiko von Missbildungen für das Embryo darstellen würde.
Seit Mai 2019 wird in den Produktinformationen von biotinhaltigen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln bereits auf das Risiko hingewiesen:
„Biotin kann Auswirkungen auf Laboruntersuchungen haben, die auf einer Wechselwirkung zwischen Biotin und Streptavidin beruhen und die in Abhängigkeit von der Untersuchungsmethode entweder zu falsch erniedrigten oder falsch erhöhten Untersuchungsergebnissen führen können.“
In der Dezember-Ausgabe des „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ von 2022 wurde nun darauf hingewiesen, dass der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) zudem eine Änderung der Produktinformationen von Levothyroxin beschlossen hat, um auf die Wechselwirkungen von Biotin mit Streptavidin-Biotin-Immunoassays hinzuweisen. Denn „angesichts der Notwendigkeit von regelmäßigen Schilddrüsenfunktionstests zur Anpassung der Dosis“ bestehe „ein erhebliches Potenzial für eine unangemessene klinische Patientenbehandlung“.
Das Risiko einer Interferenz steigt bei höheren Dosen von Biotin
In der Stellungnahme der CMDh heißt es zudem:
„Die Kenntnis über die Einnahme von Biotin wäre besonders wichtig in Situationen, in denen eine genauere Einstellung der Dosis von Levothyroxin erforderlich ist, zum Beispiel bei Schwangeren, Kindern, älteren Menschen und Patienten, die hinsichtlich eines Resttumors bei Schilddrüsenkrebs oder rezidivierenden Schilddrüsenkrebses überwacht werden.“
Deshalb soll nun auch in den Produktinformationen von Levothyroxin auf die mögliche Wechselwirkung zwischen Biotin und Immunassays zur Beurteilung der Schilddrüsenfunktion hingewiesen werden. „Das Risiko einer Interferenz steigt bei höheren Dosen von Biotin“, heißt es dort beispielsweise künftig und:
„Bei Patienten, die biotinhaltige Arzneimittel oder Produkte einnehmen, sollte bei Anforderung eines Schilddrüsenfunktionstests das Laborpersonal entsprechend informiert werden. Falls verfügbar, sollten alternative Tests angewendet werden, die für eine Interferenz mit Biotin nicht anfällig sind.“
In der Packungsbeilage von L-Thyroxin sollen Patient:innen künftig darauf hingewiesen werden, dass Biotin auch als Vitamin H, Vitamin B7 oder Vitamin B8 bekannt ist und dass man sich bewusst sein sollte, dass auch Multivitaminpräparate oder Nahrungsergänzungsmittel für Haare, Haut und Nägel, Biotin enthalten können. „Ihr Arzt/Ihre Ärztin wird Sie möglicherweise bitten, die Einnahme von Biotin zu beenden, bevor die Laboruntersuchungen bei Ihnen durchgeführt werden“, lautet künftig ein weiterer Hinweis.
Die Änderung der Produktinformationen muss von den Zulassungsinhabern bis zum 26. Januar 2023 eingereicht werden.
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