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Paracetamol plus Ibuprofen: Nutzen und Risiken der neuen Fixkombination

Waren (Müritz) - 26.01.2023, 07:00 Uhr

Aus der Schublade in die Sichtwahl: Das Kombinationspräparat Synofen (Paracetamol/Ibuprofen) ist nicht mehr rezeptpflichtig. (Quelle: ratiopharm | Voy_ager / AdobeStock)

Aus der Schublade in die Sichtwahl: Das Kombinationspräparat Synofen (Paracetamol/Ibuprofen) ist nicht mehr rezeptpflichtig. (Quelle: ratiopharm | Voy_ager / AdobeStock)


„Nehmen Sie Ibuprofen und Para­cetamol mit ausreichendem Abstand ein“ – dieser Beratungshinweis gehört im Handverkauf der Vergangenheit an. Die bisher verschreibungspflichtige Kombination beider Analgetika kann künftig rezeptfrei verkauft werden. Synofen® Film­tabletten stehen seit Anfang 2023 für die Indikation kurzzeitige Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen zur Verfügung. Wir haben uns die Sachlage etwas genauer angeschaut.

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hat bereits im Juli 2021 darüber entschieden, Präparate mit einer Kombination von Ibuprofen und Paracetamol in den OTC-Bereich zu entlassen [1]. Im Februar 2022 hat der Bundesrat einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) zugestimmt. Bevor als apothekenpflichtig deklarierte Packungen in den Handel kommen, musste das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zunächst die Anträge der Hersteller bewilligen. Nun ist die Marktein­führung erfolgt.

Was kommt?

Im Speziellen geht es um Präparate zur oralen Anwendung, die je Einzeldosis maximal 500 mg Paracetamol (Tageshöchstdosis 3000 mg) und 200 mg Ibuprofen (Tageshöchstdosis 1200 mg) enthalten. Je Packung darf eine Gesamtwirkstoffmenge von 10 g Paracetamol und 4 g Ibuprofen nicht überschritten werden. Das entspricht 20 Tabletten. Entsprechende Packungsgrößen wurden bereits zuvor von den bisherigen Rx-Arzneimitteln Duoval® sowie den Generika von Acino und Ratiopharm angeboten. Sie sind in Deutschland ab 18 Jahren zugelassen. Das Anwendungsgebiet umfasst die kurzzeitige symptomatische Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen. Laut der Fachinformation soll die Kombination speziell bei Schmerzen angewendet werden, die durch eine alleinige Anwendung von Ibuprofen oder Paracetamol nicht gelindert werden können [7].

Was sind die Vorteile?

Eine Kombination von Paracetamol und Ibuprofen gilt wegen der unterschiedlichen Wirkmechanismen als sinnvoll, da synergistische Effekte vermutet werden. Ibuprofen ist ein peripher wirkendes Analgetikum mit antientzündlichen Eigenschaften. Die schmerzlindernde Wirkung von Paracetamol kommt vermutlich auf zentraler Ebene im Gehirn und im Rückenmark zustande. Es gibt mehrere Studien, die eine Überlegenheit der Kombination im Vergleich zu den Einzelsubstanzen zeigen. Die bisherige Evidenz stammt hauptsächlich aus dem Rx-Bereich.

In einer Studie von Ostojic et al. bewirkte die Kombination von Ibuprofen und Paracetamol bei Patienten mit akuten Kreuzschmerzen eine schnel­lere und längere Schmerzlinderung als eine Ibuprofen-Monotherapie [2]. In Hinblick auf Schmerzen infolge von Verletzungen der Extremitäten (Frakturen, Verstauchungen, Zerrungen und Muskelschmerzen) vermochte die Kombination von 1000 mg Paracetamol plus 400 mg Ibuprofen eine vergleichbare Linderung zu erzielen wie die Kombination Oxycodon (5 mg) plus Paracetamol (325 mg) [3]. Auch nach einer Zahnextraktion bot die Kombination im Rahmen einer Dose Ranging Study eine sichere und bessere Schmerzlinderung als Placebo [4].

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 bescheinigte der Fixkombination von Ibuprofen und Paracetamol eine eindeutige Wirksamkeit in der Behandlung postoperativer Schmerzen im Vergleich zu Placebo [5]. Die Autoren beschreiben sie auch in höheren Dosen von bis 400 mg Ibuprofen und 1000 mg Paracetamol als gut verträglich. Allerdings waren die Ergebnisse zur Sicherheit in den eingeschlossenen Studien heterogen.

In einer randomisierten, doppelblinden, aktiv kontrollierten Studie mit 892 Probanden im Alter von 40 bis 84 Jahren wurden Wirksamkeit und Sicherheit einer kurz- und einer längerfristigen Einnahme von Paracetamol (dreimal täglich 1000 mg), Ibuprofen (dreimal täglich 400 mg) oder einer Kombination beider Wirkstoffe (dreimal täglich 500 mg Paracet­amol/200 mg Ibuprofen bzw. dreimal täglich 1000 mg Paracetamol/400 mg Ibuprofen) zur Linderung von Knieschmerzen in der Selbstmedikation untersucht [6]. Nach kurzfristiger Einnahme waren die Kombinationen (vor allem die hoch dosierte) wirksamer als Paracetamol, aber nicht wirksamer als Ibuprofen. Langfristig bewerteten die Patienten, die ein Kombinationspräparat eingenommen hatten, den Therapieerfolg besser als jene, die nur Paracet­amol erhalten hatten. Ibuprofen wurde besser bewertet als Paracet­amol. Unter der Kombina­tionstherapie traten aber mehr un­erwünschte Wirkungen auf als unter den Mono­therapien.

Was sind die Risiken?

Die Nebenwirkungen und Kontraindikationen der Kombination ergeben sich prinzipiell aus den Spektren der Einzelsubstanzen. Ibuprofen ist berüchtigt für seine gastrointestinalen, kardio- und zerebrovaskulären Effekte, Paracetamol für seine Hepatotoxizität. Das Auftreten von Nebenwirkungen ist generell abhängig vom Dosisbereich und der Anwendungsdauer. (Die bekannten Nebenwirkungen werden zeit- und dosisabhängig erhöht.)

Aus dem Protokoll des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht geht hervor, dass nicht alle Mitglieder von der Sicherheit der Fixkombination als OTC-Arzneimittel zweifelsfrei überzeugt waren [1]. Als Risiken wurden die Gefahr für akute Nierenfunktionseinschränkungen und erosive Gastritis genannt. Es gebe Arbeiten, die für die Kombination der beiden Wirkstoffe eine überadditive gastrointestinale Nebenwirkungsrate gezeigt hätten. Gefährdet seien ins­besondere Ältere und Patienten mit vielen Komorbiditäten.

Andere Ausschussmitglieder sahen unter der Voraussetzung der vorgesehenen Beschränkung der Einzeldosis sowie der Gesamtwirkstoffmenge pro Packung und der Kurzzeitanwendung die Kombination als sicher an. Der Ausschuss empfahl am Ende mehrheitlich die Entlassung der Kombina­tion aus der Verschreibungspflicht unter den Bedingungen einer Kurzzeitanwendung. Der Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Herdegen, Kiel, hält die Fixkombi in Bezug auf die Nierenfunktion sogar für sicherer als eine Monotherapie mit Ibuprofen, wie er im Interview erläutert (siehe unten "Vorteil für ältere Nierenkranke").

„Vorteil für ältere Nierenkranke“

Die Fixkombination von Ibuprofen und Paracetamol steht nun für die Selbstmedikation zur Verfügung. Wir fragten Prof. Dr. Thomas Herdegen, Pharmakologe am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie in Kiel, welche Patienten besonders von der neuen Therapieoption profitieren könnten. Das Interview lesen Sie in der aktuellen DAZ. 

Literatur:

[1] Ergebnisprotokoll der Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht am 13. Juli 2021. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Ausschuesse-und-Gremien/Verschreibungspflicht/Protokolle/84Sitzung/protokoll_84.html;jsessionid=10BE26EBA435E05551FAB93CCB2806C5.intranet262?nn=594592

[2] Ostojic P et al. Ibuprofen plus paracetamol versus ibuprofen in acute low back pain: a randomized open label multicenter clinical study. Acta Reumatol Port 2017;42(1):18-25

[3] Chang AK et al. Effect of a Single Dose of Oral Opioid and Nonopioid Analgesics on Acute Extremity Pain in the Emergency Department. JAMA 2017;318:1661-1667

[4 Arkinson HC et al. Combination paracetamol and ibuprofen for pain relief after oral surgery: a dose ranging study. Eur J Clin Pharmacol 2015;71(5):579-87

[5] Abushanab D et al. Efficacy and Safety of Ibuprofen Plus Paracetamol in a Fixed-Dose Combination for Acute Postoperative Pain in Adults: Meta-Analysis and a Trial Sequential Analysis. CNS Drugs 2021;35(1):105-120

[6] Doherty M et al. A randomised controlled trial of ibuprofen, paracetamol or a combination tablet of ibuprofen/paracetamol in community-derived people with knee pain. Ann Rheum Dis 2011;70:1534-1541

[7] Fachinformation Synofen Filmtabletten, Ratiopharm GmbH, Stand: Oktober 2022


Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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