Physikalische Schutzmaßnahmen bei Viruserkrankungen

Was es bedeutet, wenn Cochrane keine Evidenz für Masken feststellt

Stuttgart - 02.02.2023, 12:15 Uhr

Masken und Desinfektionsmittel – zwei aus den letzten Jahren nur allzu gut bekannte physikalische Schutzmaßnahmen. (Foto: imagebroker / IMAGO)

Masken und Desinfektionsmittel – zwei aus den letzten Jahren nur allzu gut bekannte physikalische Schutzmaßnahmen. (Foto: imagebroker / IMAGO)


Cochrane hat eine Übersichtsarbeit zum Thema „Physikalische Maßnahmen zur Unterbrechung der Ausbreitung von Viruserkrankungen“ aktualisiert und insbesondere die Wirksamkeit von Masken und Handhygiene beleuchtet. Querleser interpretieren die Ergebnisse als klare Absage für das Tragen von Masken – aber eigentlich fehlt es, besonders im Hinblick auf COVID-19, an entsprechenden randomisiert-kontrollierten Studien.

Das Tragen von Masken und die gründliche Handhygiene gehören zu den physikalischen Schutzmaßnahmen zur Prävention von Viruserkrankungen, inklusive COVID-19. Wie wirksam diese sind, hatten Cochrane-Wissenschaftler:innen 2020 in einer Übersichtsarbeit schon einmal untersucht. Nun wurde diese Arbeit aktualisiert. Zu der Datengrundlage von 2020 sind elf neue randomisiert-kontrollierte Studien und clusterrandomisiert-kontrollierte Studien hinzugekommen, sodass jetzt insgesamt 78 Studien vorlagen. Was sagen diese über medizinische Masken, N95/P2-Masken (vergleichbar mit den in Deutschland üblichen FFP2-Masken) und das regelmäßige Waschen und Desinfizieren der Hände aus?

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Für das Tragen von medizinischen Masken im Vergleich zu keiner Maske konnte in der Übersichtsarbeit eine nicht vorhandene bis geringe Reduktion der Ansteckungen mit grippe-/COVID-19-ähnlichen Erkrankungen sowie der im Labor bestätigten Fälle von Grippe und COVID-19 festgestellt werden. Für N95/P2-Masken im Vergleich zu medizinischen Masken konnte kein beziehungsweise ein geringer Unterschied hinsichtlich der Vermeidung von Grippe und grippalen Infekten gezeigt werden. Bezogen auf Handhygiene-Programme konnte hingegen eine mögliche Schutzwirkung vor Atemwegsinfekten und Grippe gezeigt werden.

Biases, Messunterschiede und geringe Adhärenz

Bedeuten diese Ergebnisse, dass die Schutzmaßnahmen, während der COVID-19-Pandemie völlig überflüssig waren? Beim raschen Überfliegen der Übersichtsarbeit kann tatsächlich solch ein Eindruck entstehen, und Berichterstatter aus den einschlägigen Kreisen, sind auch bereits auf diesen Zug aufgesprungen. Tatsächlich lässt sich aber genau diese Schlussfolgerung nicht aus der Übersichtsarbeit ableiten, denn unter der Zwischenunterschrift „Kernaussage“ ist zu lesen: „Auf der Grundlage der von uns ausgewerteten Studien sind wir uns nicht sicher, ob das Tragen von Masken oder N95/P2-Atemschutzmasken dazu beiträgt, die Verbreitung von Atemwegsviren zu verlangsamen.“ Zwar lagen den Autor:innen insgesamt 78 Studien vor, nur waren diese mit deutlichen Unsicherheiten behaftet, sodass die Wissenschaftler:innen die Verlässlichkeit ihrer Ergebnisse mit gering bis mäßig (low to moderate) angeben. Zu diesen Unsicherheiten zählen ein hohes Risiko für Verzerrungen (Biases) aufgrund der jeweiligen Studiendesigns, starke Unterschiede in der Messung der Ergebnisse, die das Zusammenfassen und Vergleichen der Studien erschweren sowie die geringe Adhärenz zu den Interventionen: Werden Proband:innen instruiert, Masken zu tragen, tun dies aber nur unzuverlässig, ist es wenig überraschend, dass keine Schutzwirkung gemessen werden kann.

Grippe ist nicht COVID-19

Für die Wirksamkeit von Masken während der COVID-19-Pandemie gelten die Ergebnisse der Übersichtsarbeit noch weniger. Von den 78 eingeschlossenen Studien hatten sich 76 mit Grippe, Atemwegs- und grippalen Infekten beschäftigt und gerade einmal zwei den Einsatz von Masken gegen SARS-CoV-2 untersucht (Abaluck et al. und Bundgaard et al.). In diesen beiden wird übrigens eine Schutzwirkung von Masken zur COVID-19-Prävention gezeigt, wenngleich diese geringer ausfällt als man anhand der Laborstudien zur Filterkraft von Masken erwarten würde. 

Apropros Laborstudien: Diese, ebenso wie viele andere Studientypen, haben keinen Einzug in die Cochrane-Übersichtsarbeit gefunden, da hier ausschließlich Ergebnisse von randomisiert-kontrollieren Studien berücksichtigt werden. Daher bedeutet das Ergebnis der Übersichtsarbeit auch nicht, dass es keinerlei Evidenz für die Wirksamkeit von Masken bei COVID-19 gibt, aber, wie auch die Studienautor:innen sagen, besteht Bedarf an großen, gut konzipierten randomisiert-kontrollierten Studien, die sich mit der Wirksamkeit von Masken und anderen physikalischen Maßnahmen „in verschiedenen Umfeldern und Bevölkerungsgruppen befassen, sowie mit den Auswirkungen der Adhärenz auf die Wirksamkeit, insbesondere bei denjenigen, die am stärksten von akuten Atemwegsinfektionen gefährdet sind.“


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Physikalische Schutzmaßnahme?

von Pillenpepi am 04.02.2023 um 21:34 Uhr

Desinfektionsmittel wirken physikalisch? Wirklich?

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Fehlende Studien

von Franz Emig am 03.02.2023 um 9:36 Uhr

Wird die DAZ jemals eingestehen, dass sie als „unabhängige“ Zeitung in den letzten Jahren einfach mehr oder weniger kritiklos jeglichen Unsinn, den BMG und RKI vorgaben, im Berufsstand weiterpropagiert haben? Die Kommentierung dieser Studie hier und im heutigen Newsletter lässt noch nicht hoffen. Das wird wohl erst passieren, wenn es „offizieller“ wird, d.h. die Politik vorangeht.

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