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Aus der Apotheke, für die Apotheke (Teil 8)
Scholz online: Wechselwirkungen auf der Spur
Vor mehr als 40 Jahren entdeckte der Apotheker Wolfgang Scholz das Gebiet der Arzneimittelwechselwirkungen als Marktlücke. Im Selbstverlag gab er daraufhin die Scholz-Liste heraus, die es schnell zu Bekanntheit brachte und den Autor zum erfolgreichen Unternehmer machte. Mittlerweile ist daraus ein Onlinetool unter dem Dach des Deutschen Apotheker Verlags geworden, welches Apotheker in der Beratung von Patienten unterstützt.
Manchmal bestimmt ein Ereignis das gesamte weitere Leben. So wie im Fall von Wolfgang Scholz, dem Erfinder der gleichnamigen Liste und späteren Datenbank. Es war im Jahr 1979, als er die Medica-Messe besuchte. Mehrere Referenten beklagten auf der Veranstaltung, dass es zu wenige Informationen beziehungsweise Bücher über Arzneimittel-Wechselwirkungen gäbe. Eines der wenigen Produkte war „Mikropharm 2“, in den Augen von Scholz ein nicht sehr praktikables Werk.
„Auf der Messe kam mir plötzlich die Idee für die Liste“, sagt Scholz, heute 72, im Gespräch mit der DAZ. Doch bevor er ein Buch zu dem Thema schrieb, betrieb der Apotheker in vierter Generation, der nach seinem Studium der Pharmazie und Betriebswirtschaftslehre in München und in den 1970er-Jahren eine leitende Position beim Pharmaunternehmen Klinge innehatte, erstmal Marktforschung: „Ich schrieb alle Apotheken in Köln und Stuttgart an und machte auf die bevorstehende Herausgabe anhand einer Beispielseite meines Buches aufmerksam. Aus Köln erhielt ich 15 Prozent Rücklauf, aus Stuttgart 11 Prozent. Da dachte ich mir: wenn man das auf Deutschland hochrechnet, ist meine Unternehmensidee gesichert.“
550 Seiten für 84 D-Mark
1981 war sein Werk fertig. Der Titel: „Scholz-Liste Arzneimittelwechselwirkungen auf einen Blick.“ Das Buch zählte 550 Seiten, kostete 84 D-Mark und war von dem Apotheker „teilweise unter dem Weihnachtsbaum geschrieben“ worden. 5.000 Stück umfasste die erste Auflage, die er im Selbstverlag rausbrachte.
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Die Recherche gestaltete sich im Gegensatz zu den heutigen Möglichkeiten mühsam, erinnert sich Scholz. Neben seinem eigenen Wissen als Apotheker bezog er Informationen aus Fachzeitschriften. Zudem gab es die Zentralstelle für Medizinliteratur in Köln, bei der man postalisch Fachliteratur bestellen konnte. „Das dauerte jedes Mal Tage oder gar Wochen, bis der entsprechende Artikel da war.“ Nicht zuletzt nutzte Scholz für die Recherche seine Kontakte aus der Zeit bei Klinge.
Ein bisschen Computergeschichte
Mit der Erstellung seines Fachbuches schrieb Scholz auch ein bisschen Computergeschichte. Das erste Schreibprogramm war nur mit einem 26-Zeichen Display ausgestattet, allerdings war der dazugehörige Computer beziehungsweise Textautomat nach seinen Worten „ein Monster an Maschine“. Gesichert wurden die Dateien auf sogenannten Floppy-Disks, biegsamen 5 ¼-Zoll-Disketten. Am Ende druckte er sein Werk aus, setzte sich ins Auto und fuhr damit von München zur Druckerei ins oberbayerische Burghausen.
Der Aufwand hatte sich gelohnt, die erste Auflage verkaufte sich bestens. Allein auf dem Apothekertag 1981 wurde er auf einen Schlag 320 Exemplare los. Scholz: „Der Bedarf war da.“
1984 brachte der Autor die zweite Auflage heraus, ebenfalls 5.000 Stück. Dafür baute er erstmals eine Datenbank auf, basierend auf einer damals noch simplen Software. „Die mittlerweile verfügbare und etwas komfortablere Software Wordstar erleichterte die Texteingabe, aber an den Computerbildschirmen verbrannte man sich mit den Röntgenstrahlen die Augen“, berichtet der Apothekerunternehmer nicht ohne Ironie. „Das war eine echte Gründer- und Aufbruchzeit“, so Scholz.
Wirtschaftlich sah es nach goldenen Zeiten aus. Die ersten Scholz-Datenbanken der 1980er-Jahre verkaufte er für 2950 D-Mark pro Stück an innovationsbegeisterte Apotheker. Dafür bekamen die einen Stapel an mittlerweile kleiner gewordenen 3,5-Zoll-Disketten sowie regelmäßige Updates. Scholz erinnert sich, dass er später an eine Firma, die Arztsoftware vertrieb, auf einen Schlag 1000 Exemplare seiner Datenbank loswurde.
ABDA mit eigener Datenbank
Ende der 1980er-Jahre folgte für sein Business allerdings die große Ernüchterung. Die ABDA hatte mithilfe einer hohen Anschubfinanzierung begonnen, eine eigene Arzneimittel-Datenbank aufzubauen, bot diese nach Scholz´ Worten für einen Kampfpreis an und konnte durch ihre Stellung quasi aus dem Stand ein Monopol aufbauen. Dieses Vorgehen habe auch für den Wettbewerb auf dem Arztmarkt erhebliche negative Folgen gehabt. Scholz: „Eine Anfrage beim Kartellamt, dieses Wettbewerbsgebaren zu durchleuchten, ließ erkennen, dass man solche kleinen Märkte nicht auf dem Radar habe, da man sich lieber um die großen Märkte wie zum Beispiel den Benzinmarkt kümmern müsse.“ Das Geschäft von Scholz brach daraufhin massiv ein. „Einmal hat mich auch der damalige ABDA-Präsident besucht und mir nahegelegt, ich sollte aufhören. Das war ein bitterer Wettbewerb“, so das Fazit des Unternehmers.
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Doch Scholz gab nicht auf. Mit Unterstützung vor allem schwäbischer Geschäftsleute und Apothekensoftwarespezialisten, die seine Datenbank vertrieben, entwickelte er das Produkt kontinuierlich weiter. Als er sich von 1996 bis 2004 in den USA aufhielt, baute er dort zudem eine internationale Fassung der Scholz-Datenbank auf. Die deutsche Version verkaufte er schließlich 2015 an den Deutschen Apotheker Verlag.
Doch dieses Ereignis war für den findigen Unternehmer, damals immerhin 65 Jahre alt, kein Grund, sich zur Ruhe zu setzen. Zum einen arbeitete er zunächst bis 2021 weiter als Geschäftsführer und danach als Berater für die deutsche Scholz-Datenbank. Zum anderen betreibt er in den USA die Scholz Databank Corporation, in der seine Tochter Chief Executive Officer (CEO) ist. Nicht zuletzt ist er auch weiterhin Inhaber der in vierter Generation von seinem Vater übernommenen Hirsch-Apotheke in Lüdenscheid. „Ich kann mir nicht vorstellen, einfach nur im Sessel zu sitzen oder Schach zu spielen.“ Solange die Gesundheit mitmacht, will er auch beruflich aktiv bleiben.
Wessinger leitet Scholz online seit 2018
Seit 2018 leitet Sarah Wessinger Scholz online. Auf der Grundlage der Scholz Datenbank ist mittlerweile die interaktive Online-Plattform Scholz online entstanden – oder wie es auf der Webseite heißt: „Medikationsanalyse und Therapieoptimierung im geführten Prozess mit integrierter Patientenverwaltung.“ Wenn die ausgebildete Apothekerin von den Möglichkeiten der Datenbank erzählt, ist sie in ihrem Element; Arzneimittel-Wechselwirkungen betrachtet sie als wichtiges Thema: „Das gilt bei der Einnahme von fünf verschiedenen Arzneimitteln, ist meines Erachtens aber auch schon ab drei unterschiedlichen Medikamenten wichtig.“ So könne es sein, dass zwei Wirkstoffe einen dritten blockieren. Mithilfe der Datenbank könne dies festgestellt und entsprechend darauf reagiert werden. „Scholz online verbessert die Therapiesicherheit der Patienten“, so Wessinger.
Dabei unterstützt Scholz online sowohl beim Gespräch mit dem Patienten als auch bei der Kommunikation mit dem behandelnden Arzt und erstellt ein Ergebnisprotokoll. Zudem können wahlweise eine einfache, eine erweiterte oder eine umfassende Medikationsanalyse durchgeführt werden. Doch Wessingers Anspruch geht noch darüber hinaus: „Wir betrachten in der Analyse den Patienten ganzheitlich: Wo lagert er seine Tabletten? Kann er Tabletten teilen? Kann er das Inhalationsgerät bedienen?“, so die Projektleiterin.
Die Apotheke ist für diese Tätigkeit nach Wessingers Ansicht genau die richtige Adresse: „Es gibt sonst niemandem, der den Bereich der Medikationsbetreuung abdeckt.“ Auch die Ärzte könnten dies vielfach nicht leisten, da kaum einer den Gesamtüberblick habe.
Die Anwendung läuft dabei wie folgt ab: Der Apotheker führt mit dem Patienten ein etwa 20 Minuten dauerndes Gespräch. Dabei blicken beide auf einen Bildschirm, der sie mit interaktiven Elementen durch einen Fragenkatalog führt. „Das standardisierte Programm dient als Leitfaden, auch um keine Fragen zu vergessen“, so Wessinger. In einem weiteren Schritt werden dann mögliche arzneimittelbezogene Probleme wie Anwendung, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen analysiert. Dieser Prozess nimmt nochmal etwa 45 Minuten in Anspruch.
Fokusschwenk: Vom Arzt zum Apotheker
Apotheken kostet die Nutzung von Scholz online 66 Euro pro Monat. Die Medikationsanalyse als erweiterte Medikationsberatung wiederum wird bekanntermaßen seit dem Sommer 2022 als pharmazeutische Dienstleitung anerkannt, die von den Kassen honoriert wird.
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Während die Software ursprünglich stark auf Ärzte ausgerichtet gewesen ist und in den Hochzeiten um das Jahr 2005 sehr viele Arztpraxen die Datenbank nutzten, haben die Praxissoftware-Anbieter mit eigenen Angeboten die Scholz Datenbank schließlich weitgehend aus den Praxen verdrängt. Daraufhin, so Wessinger, sei der Fokus auf Apotheken gelegt worden.
Das Ziel ist es heute, Scholz online als niederschwelligen Einstieg in die Medikationsanalyse für jede Apotheke bereitzustellen. Einen Teil des Kuchens beanspruchen dabei allerdings auch die Produkte Medicheck von Pharma4u sowie Medinspektor von Viandar für sich.
Wessingers Lieblingsfunktion ist übrigens die symptomatische Nebenwirkungsanalyse: Damit, so die Managerin, ließen sich beispielsweise Gelenkbeschwerden auf die Einnahme von Janumet zurückführen oder Zahnfleischwucherungen bei der Nutzung von Verapamil. Wessingers Fazit: „Ich sehe ganz klar den Nutzen für den Patienten.“
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