Erste spezifische Behandlungsoption zugelassen

Neue Indikation für Dupilumab: Prurigo nodularis

13.02.2023, 09:15 Uhr

Gelegentlich juckt es jeden mal. Prurigo-nodularis-Patientinnen und -Patienten leiden jedoch unter extrem starkem, lang anhaltendem Juckreiz. (Foto: Pormezz / Adobe Stock)

Gelegentlich juckt es jeden mal. Prurigo-nodularis-Patientinnen und -Patienten leiden jedoch unter extrem starkem, lang anhaltendem Juckreiz. (Foto: Pormezz / Adobe Stock)


Chronischer Juckreiz und sichtbare Hautknötchen, teils über Jahre – diese Symptome einer Prurigo nodularis sind für Patienten oft sehr belastend. Diagnostisch und therapeutisch stellt diese Erkrankung eine große Herausforderung dar. Bisher mangelte es an effektiven Behandlungsoptionen. Doch nun steht der erste zugelassene Wirkstoff zur Verfügung: Dupilumab (Dupixent).

Bei der Prurigo nodularis (PN), auch bezeichnet als chronische noduläre Prurigo, handelt es sich um eine chronisch progressive entzündliche Hauterkrankung. Sie kann über Jahre bis Jahrzehnte andauern. Ein extrem starker, anhaltender Juckreiz verleitet die Betroffenen zu intensivem und permanentem Kratzen auf zunächst unversehrter Haut. Daraus resultieren mit der Zeit schmerzhafte papulöse und knotige, bis zu zwei Zentimeter große Hautläsionen. Je nach Schweregrad bedecken bis zu hundert solcher entzündlichen, rotbraunen, verhornten Knötchen vor allem den Rumpf und die Streckseiten der Arme und Beine. Die isoliert stehenden, häufig symmetrisch angeordneten Knoten sind oft therapierefraktär und verursachen selbst wiederum Juckreiz – verbunden mit Stechen, Kribbeln, Brennen und Schmerzen. Somit entsteht ein Teufelskreis aus Juckreiz, Kratzen, Hautveränderungen und wieder Juckreiz. 

Die genannten Symptome wirken sich massiv auf die Lebensqualität aus. So leiden die Patienten häufig unter Schlafstörungen oder Depressionen und fühlen sich durch die sichtbaren Hautveränderungen stigmatisiert. Insgesamt gilt Prurigo nodularis als die „Maximalvariante“ unter allen Pruritus-Erkrankungen.

Mehr zum Thema

Chronischen Pruritus ursachenorientiert behandeln

Dem Juckreiz ein Ende bereiten

Neuigkeiten rund um die Haut

Im Mittelpunkt die Prävention

Die Pathophysiologie der Prurigo nodularis ist bis heute nicht abschließend geklärt. Angenommen wird derzeit ein komplexes Wechselspiel zwischen Haut-, Immun- und Nervensystem. Eine erhöhte Anzahl von Mastzellen, T-Lymphozyten und eosinophilen Granulozyten in der Haut sorgt für eine vermehrte Ausschüttung des Nervenwachstumsfaktors. Dadurch kommt es zu einer neuronalen Hyperplasie sensorischer Nervenfasern, die an der Entstehung des Juckreizes beteiligt sind. Eine Schlüsselrolle scheinen zudem die Interleukine 4, 13 und 31 zu spielen. Sie aktivieren sensorische Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks und befeuern damit den Pruritus. Zudem liegt eine Typ-2-Inflammation vor, mit einer Dysregulation des Immunsystems und gestörter epithelialer Barriere. Die Epidermis ist stark verbreitert und verhornt (Akanthose). Insgesamt sind die Signalwege für Epithel, Nervensystem, Gefäß-Entwicklung, Verhornung und Mesenchym fehlreguliert.

Bisherige Therapie

Eine Besserung der PN lässt sich trotz intensiver topischer und systemischer antipruriginöser Therapie meist nur schwer erreichen. Zu den derzeit angewendeten off-label Therapien zählen topische Glucocorticoide, UV-Phototherapie, Antihistaminika, Antidepressiva und Gabapentinoide. Ihnen allen ist gemeinsam: Sie zeigen meist keinen zufriedenstellenden Therapieerfolg und sind bei langfristiger Anwendung zum Teil mit Sicherheitsrisiken verbunden. Eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte unbedingt vor dem Einsatz systemischer Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Methotrexat oder Azathioprin. Neben diesen unspezifischen Wirkstoffen ruht die Hoffnung nun vor allem auf dem humanen monoklonalen Antikörper Dupilumab, der vor kurzem explizit auch zur Therapie der PN zugelassen wurde – und das als erste systemische Therapieoption im In-Label-Use bei dieser Hauterkrankung.

Dupilumab bei Prurigo nodularis 

Dupilumab (Dupixent®) hemmt die Signalweiterleitung der Interleukine IL-4 und IL-13. Diese gelten als Schlüsselzytokine der Typ-2-Inflammation. Die Europäische Kommission hat die Zulassung von Dupilumab in der Europäischen Union auf die Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Prurigo nodularis erweitert. Die Anfangsdosis liegt hier bei 600 mg, gefolgt von 300 mg alle zwei Wochen. Die subkutane Injektion kann mit Fertigspritze oder Fertigpen erfolgen. Zuvor war Dupilumab bereits zugelassen für Asthma, chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen und atopische Dermatitis.

Studien zu Dupilumab bei Prurigo nodularis 

Die EU-Zulassung basiert auf Daten aus zwei Phase-III-Studien, PRIME und PRIME2, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Dupilumab bei Erwachsenen mit unkontrollierter PN im Vergleich zu Placebo untersucht wurde. In beiden Studien erzielte Dupilumab im Vergleich zu Placebo eine signifikante Reduktion von Pruritus und Hautläsionen. Nach 24 Wochen wiesen etwa dreimal so viele Patienten unter Dupilumab (60 bzw. 58 Prozent) wie unter Placebo (18 bzw. 20 Prozent) eine klinisch bedeutsame Reduktion ihres Pruritus gegenüber dem Ausgangswert auf. Auch bezüglich der Hautläsionen zeigte sich der Antikörper vorteilhaft. Fast die Hälfte der Patienten der Dupilumab-Gruppe berichtete nach 24 Wochen über eine (nahezu) erscheinungsfreie Haut. Unter Placebo war nur etwa jeder fünfte Patient ohne Hautsymptome. Zudem verbesserte Dupilumab die gesundheitsbezogene Lebensqualität und verringerte gleichzeitig die Hautschmerzen sowie Symptome von Angst und Depression. Insgesamt wurde Dupilumab gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Nasopharyngitis und Kopfschmerz. Eine Konjunktivitis trat öfter auf als unter Placebo.

Erste systemische Therapie verspricht Ruhe für juckende Kinderhaut

Dupilumab auch für die Kleinen

Chronische Rhinosinusitis als weitere Indikation

Dupilumab – ein vielseitiger Antikörper

Trotz der Zulassung von Dupilumab bleibt noch viel Forschungsbedarf rund um die erfolgreiche Behandlung einer PN. Dabei zeichnen sich zwei Prinzipien ab: die zielgerichtete immunmodulatorische Behandlung des Pruritus sowie die Beeinflussung der neuronalen Achse. Im Fokus der Pruritus-Therapie stehen derzeit verschiedene Zielstrukturen. Zu den potenziellen Kandidaten zählen 

  • Nemolizumab und Vixarelimab als Hemmer des IL-31-Signalwegs, 
  • Januskinase-Inhibitoren sowie 
  • Substanzen mit partiell antagonisierender Wirkung an μ-Opioidrezeptoren und mit agonistischer Wirkung an κ-Opioidrezeptoren. Für Nalbuphin konnte in einer Phase-II-Studie bereits eine Pruritus-lindernde Wirkung bei Patienten mit moderatem bis schwerem Prurigo nodularis gezeigt werden.

Dr. Ines Winterhagen, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Leitlinie zu chronischem Pruritus aktualisiert

Es juckt!

Was man zum chronischen Pruritus wissen sollte

Zum aus der Haut fahren

Pruritus im Alter kann auch Symptom einer schweren systemischen Erkrankung sein

Wen juckt’s?

Das Handekzem ist die häufigste Berufsdermatose

Ein handfestes Problem

Psoriasis und Psyche – zwei entzündungsbedingte Komorbiditäten

Eine Krankheit kommt selten allein

Was sich hinter dem Sensitive Skin Syndrome verbirgt

Empfindlicher Haut auf der Spur

Aktualisierte europäische Leitlinie empfiehlt Biologika und JAK-Inhibitoren

Was gibt es Neues bei atopischer Dermatitis?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.