Referentenentwurf für ein Generika-Gesetz

Lieferengpass-Frühwarnsystem und mehr Geld für Kinderarzneien

Berlin - 14.02.2023, 13:45 Uhr

Säfte sind in der Herstellung aufwendiger als Tabletten für Erwachsenen, das soll künftig bei der Preisbildung berücksichtigt werden. (s / Foto: Schelbert)

Säfte sind in der Herstellung aufwendiger als Tabletten für Erwachsenen, das soll künftig bei der Preisbildung berücksichtigt werden. (s / Foto: Schelbert)


Lange hat die Fachöffentlichkeit darauf gewartet, nun ist er da: der Entwurf eines Generika-Gesetzes aus dem BMG. Neben der Aufwandspauschale in Höhe von 50 Cent für das Lieferengpass-Management der Apotheken geht das Ministerium unter anderem die Festbeträge für Kinderarzneimittel an. Zudem will es ein Lieferengpass-Frühwarnsystem beim BfArM schaffen.

Im Kampf gegen Lieferengpässe wird das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) jetzt konkret: Seit dem heutigen Dienstag liegt der lang ersehnte Referentenentwurf für ein sogenanntes Generika-Gesetz vor. Für die Apothekerinnen und Apotheker dürfte der Entwurf enttäuschend sein: Es bleibt, wie schon in den Eckpunkten angelegt, bei einer Aufwandspauschale in Höhe für 50 Cent für das Management bestimmter Lieferengpässe. Überdies legt das Ministerium sie im Vergleich zu den Pandemie-Sonderregeln wieder an die kurze Leine, was ihren Handlungsspielraum betrifft – auch wenn es ihnen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten etwas mehr Beinfreiheit zugesteht.

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Im Kern des Gesetzes geht es aber vor allem darum, Lieferengpässen vorzubeugen, statt sie zu managen. Und zu diesem Zweck nimmt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unter anderem das bestehende Festbetragssystem vor. Dieses soll etwa Hersteller von Kinderarzneimitteln besser stellen als bisher, denn die Produktion kindgerechter Darreichungsformen ist naturgemäß aufwendiger als das Pressen von Tabletten für Erwachsene.

Daher plant der Minister, mit einer entsprechenden Anpassung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (§ 35 Abs. 1a) altersgerechte Darreichungsformen für Kinder künftig von der Festbetragsgruppenbildung auszunehmen. Der Hersteller soll demnach den Abgabepreis für ein solches Arzneimittel um bis zu 50 Prozent über dem vom GKV-Spitzenverband zu berechnenden Festbetrag anheben, der bei einer fiktiven Eingruppierung in eine Festbetragsgruppe gelten würde.

„Darreichungsformen wie Säfte, Zäpfchen oder geringe Wirkstärken sind für pharmazeutische Unternehme aufwendiger in der Produktion und weniger wirtschaftlich attraktiv im Vergleich zu Tabletten in Wirkstärken für Erwachsene“, schreibt das BMG dazu in der Begründung zum Entwurf. Um Lieferengpässen aus ökonomischer Sicht zu begegnen und Anreize für die Herstellung durch pharmazeutische Unternehmer zu schaffen, soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zunächst eine Liste von Arzneimitteln unter Berücksichtigung altersgerechter Darreichungsformen und Wirkstärken erstellen, die insbesondere zur Behandlung von Kindern bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs notwendig sind. „Dies betrifft sowohl verschreibungspflichtige als auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel“, stellt das Ministerium klar.

Auf Grundlage dieser Liste werden für die sich daraus ergebenden Arzneimittel die jeweiligen Preise neu festgesetzt. Bei Arzneimitteln, für die ein Festbetrag festgeschrieben ist, muss der GKV-Spitzenverband diesen innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntmachung der Liste im Bundesanzeiger aufheben. Der pharmazeutische Unternehmer kann seinen Abgabepreis anschließend um bis zu 50 Prozent vom zuletzt geltenden Festbetrag anheben. Dieser Preis gilt fortan als neue Preisobergrenze. Bei Arzneimitteln, für die kein Festbetrag festgesetzt ist und das Preismoratorium gilt, kann der pharmazeutische Unternehmer seinen Abgabepreis um bis zu 50 Prozent anheben.

BfArM soll Lieferengpass-Frühwarnsystem auf den Weg bringen

Darüber hinaus will Lauterbach die Aufgaben des BfArM beim Monitoring der Arzneimittel-Versorgungslage ausweiten. Es soll unter anderem Kriterien erarbeiten, die sich für das Einrichten eines Frühwarnsystems bei drohenden Lieferengpässen eignen. „Kriterien können u.a. die Vielfalt der Produktionsstätten der benötigten Wirkstoffe und gegebenenfalls Hilfsstoffe, die Anzahl der aktiven Zulassungsinhaber und Bedarfsanalysen für den Markt in Deutschland sein“, erläutert das Ministerium dazu.

Zudem soll das BfArM zum einen die ihm gemeldeten Lieferengpässe und zum anderen eine aktuelle Liste der Lieferengpässe bei Arzneimitteln mit versorgungrelevanten und versorgungskritischen Wirkstoffen auf seiner Internetseite bekannt machen. Als versorgungsrelevant definiert das BMG Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen, die „verordnungsfähig und für die Versorgung der Bevölkerung insbesondere aus Mangel an Therapiealternativen von besonderer Bedeutung sind“. Versorgungskritisch sind die versorgungsrelevanten Wirkstoffe, für die es eine geringe Anzahl an Zulassungsinhabern, Herstellern oder Wirkstoffherstellern gibt, oder für die bereits in der Vergangenheit ein Versorgungsmangel eingetreten ist.

In diesem Zuge sollen überdies die Auskunftspflichten auf Arzneimittelhersteller, krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken ausgeweitet werden. Die Regelung wird zudem um eine Auskunftspflicht über Informationen zur Bezugsquelle der bei der Herstellung tatsächlich verwendeten Wirkstoffe ergänzt. „Diese Ergänzung schafft Transparenz und hilft der zuständigen Bundesoberbehörde einen Überblick über die verwendeten Bezugsquellen für Wirkstoffe zu erhalten“, begründet das Ministerium sein Vorhaben. „Diese Informationen sind wichtig, um drohende Engpässe zu erkennen, wenn beispielsweise eine Wirkstoffherstellungsstätte von verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen und Herstellern genutzt wird.“ Das BfArM soll tagesaktuelle Mitteilungen der Daten, insbesondere auch zu den Lagerbeständen beim pharmazeutischen Unternehmer und bei Arzneimittelgroßhandlungen, anfordern können.

Das BfArM soll dem Ministerium bis Ende 2025 eine Evaluation vorlegen, wie sich die Regelungen auf die Versorgungslage mit Arzneimitteln ausgewirkt haben. Der GKV-Spitzenverband ist aufgefordert, ebenfalls bis Ende 2025 einen Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes auf die Ausgaben der Krankenkassen zu erstellen.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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