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Kommentar
43 Sekunden für das Lieferengpass-Management
Für den Austausch von Arzneimitteln bei Lieferengpässen sollen Apotheken künftig 50 Cent erhalten. Nach den Honorarmaßstäben des Schiedsspruchs für pharmazeutische Dienstleistungen lassen sich damit 43 PTA-Sekunden finanzieren. Dies und andere Ungereimtheiten des 50-Cent-Vorschlags betrachtet DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.
Der Schiedsspruch, der im Frühjahr 2022 den Weg für die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen freigemacht hat, sieht ein Apothekerhonorar von 1,17 Euro pro Minute vor. Das ist viel zu wenig und liegt weit unter den Forderungen des Deutschen Apothekerverbands. Dazu gäbe es viel zu erklären. Doch es ist ein Schiedsspruch und dort sollte ein Kompromiss herauskommen. Immerhin gibt es damit eine neutrale Idee, was eine Apothekerminute für die GKV kosten sollte, auch wenn sie tatsächlich viel mehr wert ist. Für Leistungen, die an „qualifiziertes oder geschultes Personal der Apotheke“ delegiert werden können, sieht der Schiedsspruch ein auf 60 Prozent gemindertes Honorar vor, also 70 Cent pro Minute.
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Diese Vorgeschichte gilt es beim Blick auf den jüngsten Referentenentwurf für das „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ im Hinterkopf zu behalten. Er sieht ein Honorar von 50 Cent vor, wenn in der Apotheke ein Arzneimittel ausgetauscht wird, das auf einer neuen Lieferengpassliste steht. Gemessen an dem Schiedsspruch lassen sich damit 43 PTA-Sekunden finanzieren. Das Apothekenpersonal hat also 43 Sekunden Zeit, um festzustellen, dass das Arzneimittel nicht vorrätig ist und auf der neuen Liste steht und dass außerdem ein anderes Produkt vorhanden oder lieferbar ist, das die Austauschkriterien erfüllt. Der Austausch muss dem Patienten erklärt und auf dem Rezept dokumentiert werden. Außerdem müssen die 50 Cent auf dem Rezept taxiert werden. Wohlgemerkt, dies alles in 43 Sekunden, denn sonst wäre es kein Honorar für diese Sicherung der Versorgung. Da zeigt sich wieder einmal, wie weit bürokratisches Denken und Apothekenrealität voneinander entfernt sind.
Mühsamere Fälle weiter ohne Honorar
Dabei ist das Problem noch viel größer: Die 50 Cent soll es geben, wenn der Austausch anhand der neuen Liste möglich ist. Doch der Aufwand wird viel größer sein, wenn dies nicht möglich ist. Wenn der Lieferengpass nicht auf der Liste vermerkt ist oder kein vergleichbares Produkt verfügbar ist, wird eine Rücksprache mit dem Arzt nötig sein, vielleicht sogar ein neues Rezept. Auch andere Fälle werden mehr Arbeit machen. Davon wird es künftig wieder sehr viele geben, denn die erleichterten Austauschmöglichkeiten der Corona-Zeit sollen auf die Arzneimittel begrenzt werden, die auf der neuen Liste stehen. Für alle anderen Fälle, die viel mehr Mühe machen, soll es aber weiterhin kein Extrahonorar geben.
Noch mehr Bürokratie
Damit bleibt festzuhalten: Die guten Erfahrungen mit den erleichterten Austauschmöglichkeiten aus der Pandemie sollen künftig nur noch für einen Spezialfall genutzt werden. Insgesamt würde die Arbeit in den Apotheken damit erneut erschwert, aber für den Mehraufwand gäbe es keinen Ausgleich. Stattdessen soll ein unzureichendes Entgelt für einen neuen Spezialfall eingeführt werden, der zwar auch Mühe macht, aber weniger als die anderen Fälle. Obendrauf gibt es noch mehr Bürokratie als zuvor, weil noch mehr Fälle zu unterscheiden sind.
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