AVWL-Chef Rochell kritisiert ALBVVG-Entwurf

50-Cent-Vergütung „ist ein weiteres Zeichen der Missachtung der Apotheken-Leistungen“

Berlin - 15.02.2023, 16:45 Uhr

AVWL-Chef Rochell geht mit dem Entwurf eines ALBVVG hart ins Gericht. (Foto: DAZ / Schelbert)

AVWL-Chef Rochell geht mit dem Entwurf eines ALBVVG hart ins Gericht. (Foto: DAZ / Schelbert)


Das Management der Lieferengpässe verlangt den Apothekenteams alles ab. Nun klebt der Gesetzgeber ein Preisetikett an ihren Einsatz: 50 Cent ist es ihm wert, wenn Apotheker:innen und PTA bei dokumentierten Engpässen eine Lösung für die betroffenen Patienten finden. Das ist ein Skandal, findet AVWL-Chef Thomas Rochell und empfiehlt dem Minister, sich schleunigst einmal mit der Lebenswirklichkeit in den Apotheken zu befassen.

Sei dem gestrigen Dienstag liegt der Referentenentwurf für das sogenannte Lieferengpass-Gesetz vor. Das Werk mit dem sperrigen Namen „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ (ALBVVG) sieht unter anderem eine Vergütung der Apotheken in Höhe von 50 Cent für das Management von Lieferengpässen vor, sofern das BfArM einen solchen in einer neuen Engpass-Liste für Arzneimittel mit versorgungsrelevanten und versorgungskritischen Wirkstoffen vermerkt hat.

Der Vorsitzende des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, Thomas Rochell, ist alles andere als zufrieden mit dem Entwurf: Die geplanten Regelungen werden die Situation kaum verbessern, sondern eher verschlimmern, erwartet er. Auch dass der Gesetzgeber die während der Corona-Pandemie aufgestellten Abgabeerleichterungen bei der Rezeptbelieferung nun wieder deutlich beschneiden will, hält er für einen Fehler. „Ohne diese Sonderregeln hätten wir die Krise in diesem Winter überhaupt nicht stemmen können“, betont Rochell in einer Pressemitteilung des AVWL. „Statt die Regeln wieder zu verschärfen, brauchen wir in den Apotheken vor Ort noch viel mehr Flexibilität als bisher, um solch dramatische Engpässe wie in diesem Winter bewältigen zu können.“

Zudem unterstreicht der Verbandschef den Einsatz der Apothekenteams, die tagtäglich alles geben, um ihre Patientinnen und Patienten trotz des Medikamentenmangels adäquat zu versorgen. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken vor Ort haben in den vergangenen Wochen und Monaten von morgens bis abends Kopfstände vollführt, um kranke Kinder, aber auch erwachsene Patienten irgendwie mit Antibiotika, Husten- und Schmerzmitteln oder Insulin versorgen zu können“, sagt Rochell.

50 Cent sind „ein Skandal“

Jedes zweite Rezept sei derzeit von einem Engpass betroffen. Alternative Lösungen in Abstimmung mit dem Arzt zu finden, koste die Apothekenmitarbeitenden mitunter pro Rezept eine komplette Arbeitsstunde. „Dass ein Minister aus der Partei, die den Mindestlohn durchgesetzt hat, diesen Mehraufwand nun mit gerade einmal 50 Cent vergüten will, ist ein weiteres Zeichen der Missachtung der Apotheken-Leistungen – und ein Skandal.“ 50 Cent seien nicht ansatzweise kostendeckend. Die Kassen müssten für diesen Zuschlag Medienberichten zufolge eine einstellige Millionensumme jährlich aufwenden. Allein durch die Rabattverträge mit den Herstellern, die eine der Hauptursachen für die Engpassproblematik sind, haben die Kassen im Jahr 2021 hingegen 5,1 Milliarden Euro gespart.

„Wir weisen seit Jahren auf die zunehmenden Lieferengpässe sowie deren Ursachen hin“, erinnert der AVWL-Vorsitzende. „Seit Monaten warnen wir davor, dass sich die Lage immer weiter zuspitzt. Nachdem der Minister im Dezember erste Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt hatte, haben wir bereits auf die Schwachstellen darin aufmerksam gemacht. Wir haben mit vielen Abgeordneten gesprochen und unsere Argumente dargelegt. Dabei sind wir auf viel Verständnis getroffen.“

Lauterbach soll Lebenswirklichkeit der Apotheken kennenlernen

Dennoch sei im nun vorgelegten Gesetzentwurf nicht nachjustiert worden – und das kritisiert Rochell scharf. „Dass der Politik offenbar nichts Besseres einfällt als dieser Entwurf, ist schlicht ein Armutszeugnis. Es zeugt davon, dass den politisch Verantwortlichen entweder die ehrliche Bereitschaft fehlt, den Missständen wirklich abzuhelfen, oder aber ihnen fehlt das sachlich-fachliche Know-how dazu. Das eine wie das andere ist gleichsam erschreckend und wird politische Konsequenzen haben müssen. Wenn der Bundesgesundheitsminister wirklich wissen will, wie die Probleme zugunsten einer gesicherten Patientenversorgung zu lösen sind, sollte er sich schleunigst mit den Apothekerorganisationen in Verbindung setzen und die Lebenswirklichkeit in einer Apotheke vor Ort kennenlernen.“


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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2 Kommentare

Solange wir nix tun interessiert das halt keinen

von Rainer W. am 17.02.2023 um 9:28 Uhr

Ich bin dafür, die SEPA-Mandate für Kammern und Verbände zu widerrufen und die Rechnungen liegen zu lassen oder auf ein Treuhandkonto zu legen.

Wir bekommen immer weniger Geld aber sollen die für ihr nichtstun finanzieren?

Es kommen ja nicht mal Forderungen, wie es richtig ginge.

Mein Vorschlag: 2€ für JEDE Sonderpzn. Unbürokratisch, angemessen für den Arbeitsaufwand, dringend notwendig.

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Ausstieg

von Dr Radman am 15.02.2023 um 17:32 Uhr

Die Politiker haben gelernt, Apotheker nicht zu befürchten. Sie sind höchstens Geisterstimmen, die schnell verstummen werden. Patienten werden bestens versorgt ohne dass dafür einen Cent mehr ausgegeben wird. Apotheker werden es schon, -bis zur selbstaufgabe- richten. Wenn wir diese Ansicht ändern wollen, müssen wir die Politiker mit dem Ausstieg aus den Rahmenverträgen überraschen. Das manche glauben, die BMG ließ sich nicht erpressen, sag ich, wir uns auch nicht.

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