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Antibiotikaresistenzen
Antibiotikaforschung: Mit optimierten Darobactinen zu neuen Therapeutika
Im Jahr 2019 waren Forscher der Universität Gießen und des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) an der Entwicklung der Darobactine beteiligt, einer neuen Antibiotika-Gruppe, die erstmals aus tierischem Mikrobiom stammt. Nun ist es ihnen gelungen, biotechnologisch diese Wirkstoffklasse gegen Pseudomonaden zu optimieren.
Die Waffen der Menschheit gegen bakterielle Krankheitserreger drohen stumpf zu werden. Immer weiter verbreiten sich Resistenzen auch gegen die letzten Reserveantibiotika – weil Antibiotika insgesamt zu oft oder grundlos verschrieben wurden und werden oder gar an günstigen Produktionsstandorten in Indien und China mit den Produktionsrückständen in großen Mengen einfach so in die Umwelt gelangen. Außerdem tragen viele ubiquitäre Erreger wie etwa Pseudomonas aeruginosa bereits von Natur aus eine ganze Reihe von Resistenzgenen.
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Dennoch gibt es neue vielversprechende Kandidaten, die als medizinisch einsetzbare Antibiotika auch multiresistente Erreger zurückschlagen können. Beispiele sind die 2019 von US-Forschern im Fachmagazin Nature publizierten Darobactine (oder deren Verwandte, die Dynobactine). Darobactine stammen aus Bakterien der Gattung Photorhabdus, die symbiotisch im Darm von insektenbefallenden Fadenwürmern (Nematoden) leben. Sie wirken gegen konkurrierende, insbesondere gram-negative Bakterien.
„Darobactine erschlagen nicht das ganze Mikrobiom“
An der Entdeckung der Darobactine waren damals auch Forscher der Justus-Liebig Universität Gießen (JLU) sowie des Gießener Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) beteiligt. Nun haben sich Forscher aus der Gruppe von Professor Till Schäberle, Leiter der Abteilung Naturstoffforschung des IME und Professor am Institut für Insektenbiotechnologie der JLU, damit beschäftigt, die Darobactine zu optimieren, um ihre Wirkung insbesondere gegen den gefährlichen Erreger nosokomialer Infektionen Pseudomonas aeruginosa zu erhöhen.
Die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt im Fachmagazin Microbiology Spectrum. Dazu erklärt Schäberle:
„Das Interessante an den Darobactinen ist, dass sie mit dem Protein BamA ein bisher nicht adressiertes Target hemmen. Es gibt somit keinerlei Kreuzresistenzen zu Substanzen, die in der Anwendung sind. Dazu sind die Darobactine spezifisch für gram-negative pathogene Bakterien und erschlagen nicht das ganze Mikrobiom“
Damit wirkt das relativ große Peptid Darobactin nicht im Inneren der Bakterien, sondern von außen: BamA gehört zu einem wichtigen Transmembran-Proteinkomplex gram-negativer Bakterien und ist die äußere A-Komponente dieser „β-barrel assembly machinery“. Dieser aus fünf Komponenten (Bam A-E) bestehende Komplex reguliert und katalysiert den Zusammenbau der äußeren Membran der Bakterien. Außer bei gram-negativen Bakterien findet sich dieser Komplex auch in Zellorganellen von Eukaryonten wie Mitochondrien und Chloroplasten, die evolutionär von Bakterien abstammen. Auch das verwandte Dynobactin wirkt an dieser Stelle.
Großes Potenzial bei BamA-Inhibitoren wie Darobactin
„Ich sehe bei diesen BamA-Inhibitoren ein sehr großes Potenzial. Erste in vivo Experimente mit Darobactin A waren sehr erfolgreich. Jetzt müssen die BamA Inhibitoren noch weiter profiliert werden. Das heißt, es muss abgeklopft werden, ob die ADME-Werte (in der Pharmakokinetik „Absorption“, „Distribution“, „Metabolismus“ und „Elimination“) im gewünschten Bereich sind und keine Toxizität zu beobachten ist. Dazu werden nun weitere in vivo Experimente gegen unterschiedliche Indikationen, wie zum Beispiel Lungenentzündung, folgen“, sagt der Professor. „Bisher zeigen die Darobactine, bei sehr guter antimikrobieller Aktivität in-vivo, keine Zelltoxizität – eine Kernvoraussetzung für den Einsatz als Antibiotikum“, erläutert Schäberle.
Industrielle Produktion noch weit entfernt
In ihrer Forschungsarbeit haben die Forscher verschiedene Analoga und Derivate der Darobactine hergestellt. Dazu entwickelten sie eine biotechnologische Plattform, um die Substanzen aus der Naturstoffklasse der Darobactine herzustellen und entsprechend zu verändern. „Wir haben einen biotechnologischen, also fermentativen Zugang. Hierbei können wir auch die Aminosäuresequenz des Heptapeptids variieren. Ein chemisch-synthetischer Zugang zu den Molekülen wird weiter geprüft, erste Studien haben bereits den proof-of-concept erbracht. Allerdings sind wir noch weit von einer industriellen Produktion entfernt“, sagt Schäberle.
Mögliches Einsatzgebiet: Mukoviszidose
Die optimierten Substanzen testeten die Forscher zusammen mit einem Wissenschaftlerteam im Dr. von Haunerschen Kinderspital am LMU Klinikum München gegen multiresistente Erreger, die von Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose (CF, Mukoviszidose) stammten. „Gegen multiresistente gramnegative (MRGN) Erreger wirken nur noch die letzten Reserveantibiotika. Insbesondere bei der wichtigen unterstützenden antibiotischen Behandlung von Cystischer Fibrose bedeutet dies oft ein deutlich erhöhtes Risiko an toxischen Nebenwirkungen für die Patientinnen und Patienten“, erklärt PD Dr. Ulrich von Both, pädiatrischer Infektiologe und Wissenschaftler am LMU Klinikum München dazu.
Vergleich mit anderen neu zugelassenen Antibiotika-Kombinationen
Die Gießener und Münchener Forscher verbanden ihre Arbeit mit den Darobactinen mit einem Vergleich der Wirksamkeit verschiedener anderer bereits zugelassener Antibiotika oder auch neu zugelassener Antibiotika-Kombinationen gegen die Pseudomonas-Isolate aus den CF-Patienten. Die untersuchten Wirkstoffe waren dabei neben den Darobactin-Analoga
„Jeder zweite hier untersuchte, von CF-Patientinnen und -Patienten isolierte Pseudomonas-Keim ist bereits gegen die neuen Reserveantibiotika-Kombinationspräparate Ceftazidim/Avibactam und Ceftolozan/Tazobactam resistent. Der Wirkstoff Cefiderocol war nur noch gegen zwei Drittel der Isolate in vitro wirksam“, sagt die Medizinerin Laura Kolberg vom LMU Klinikum München, eine Mitautorin der Studie.
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„Dahingegen ist die neue Substanzklasse der Darobactine sehr vielversprechend, da sie nicht nur gegen Pseudomonas-Erreger, sondern auch gegen weitere klinisch relevante Erreger wie Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumannii wirksam ist“, sagt Michael Marner, Mitautor aus der Arbeitsgruppe von Schäberle in Gießen.
„Auch gegen diese Antibiotika werden sich Resistenzen entwickeln“, schränkt Schäberle ein. „Somit müssen wir beim Einsatz einer neuen Klasse – wenn es so weit kommt – mit Umsicht agieren, um die Wirkstoffe als effektive Behandlungsoption zu behalten“, sagt er.
Forscher fordern beschleunigte Zulassungsverfahren für neue Antibiotika
In ihrer Veröffentlichung setzen sich die Forscher auch explizit für beschleunigte Prüfungs- und Zulassungsverfahren für neue Antibiotika ein. „Prüfungs- und Zulassungsverfahren müssen neue Wirkstoffe und Verfahren detailliert untersuchen und es ergibt auch Sinn, dass heutzutage einige Medikamente so nicht mehr zugelassen werden würden. Allerdings haben wir jüngst durch die Corona-Pandemie gesehen, wie schnell es gehen kann, wenn Not am Mann ist. Wir hoffen einfach, dass wir bei antimikrobieller Resistenz (AMR) nicht so weit kommen müssen. Allerdings ist natürlich das wirtschaftliche Risiko bei Antibiotika extrem hoch. Wenn ein neuer Wirkstoff als Reserveantibiotikum in der Hinterhand gehalten wird, ist das eine weise Entscheidung. Allerdings müssten Anreize geschaffen werden, dass Pharmaunternehmen trotzdem eine Entwicklung bis zur Markteinführung vorantreiben“, sagt der Professor.
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