Was steckt dahinter?

Immer wieder Lieferprobleme bei Lokalanästhetika

Stuttgart - 16.02.2023, 13:45 Uhr

Beispielsweise für Lidocain gibt es laut CEP-Datenbank zahlreiche Wirkstoffhersteller – auch in Italien, Schweden, Spanien und den USA. (Symbolfoto: Felipe Caparrós / AdobeStock) 

Beispielsweise für Lidocain gibt es laut CEP-Datenbank zahlreiche Wirkstoffhersteller – auch in Italien, Schweden, Spanien und den USA. (Symbolfoto: Felipe Caparrós / AdobeStock) 


Dass es seit langem zahlreiche Arzneimittel-Lieferengpässe gibt, ist hinlänglich bekannt. Doch je nach Apotheken-Alltag fallen manche mehr ins Gewicht als andere. Wer zum Beispiel viele Hautarzt-Praxen versorgt, dem dürfte derzeit vor allem Probleme bereiten, dass zahlreiche Lokalanästhetika nicht lieferbar sind. 16 Einträge finden sich aktuell in der Engpass-Liste des BfArM zu Produkten, die (in Kombination) beispielsweise Lidocain, Prilocain, Articain, Ropivacain oder Mepivacain enthalten.

Bereits in den vergangenen Jahren hat ein Mangel an Lokalanästhetika für Negativschlagzeilen gesorgt. Seit einigen Monaten mehren sich nun wieder die Engpass-Meldungen beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Ende letzten Jahres wurden beispielsweise für drei „Xylonest“-Produkte von der Firma Aspen Engpass-Meldungen eingestellt. Nach aktueller Prognose sollen diese Lieferschwierigkeiten mit dem Februar enden. Als Grund wird ein Produktionsproblem angegeben. Alle drei Produkte enthalten neben dem Lokalanästhetikum Prilocain auch zur Wirkungsverlängerung den Vasokonstriktor Adrenalin. Doch auch bei „Xylonest 1 % Fl. 50 ml“ gibt es einen Engpass, darin ist nur Prilocain enthalten.

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Ebenfalls von der Firma Aspen fehlt derzeit „Scandicain“ mit dem Wirkstoff Mepivacain, aber auch „Xylocain“ mit dem Wirkstoff Lidocain sowie „Naropin“ mit dem Lokalanästhetikum Ropivacain. Letzterer Engpass wurde erst Anfang 2023 gemeldet, und soll auf unzureichende Produktionskapazitäten zurückzuführen sein. Als Alternative zu „Naropin 2mg/ml Amp. 20ml Injektionslösung“ wird die 10-ml-Variante angegeben. Dieser Engpass soll bis Ende März anhalten.

Neben Aspen ist beispielsweise auch die Firma Mibe betroffen. Bei ihr fehlen „Xylocitin“-Präparate mit Lidocain. Auch dort werden unzureichende Produktionskapazitäten als Grund angegeben. Und selbst die bekannte Pierre Fabre Dermo-Kosmetik GmbH hat bei der „Anesderm“-Creme offenbar Produktionsprobleme. Darin sind Lidocain und Prilocain in Kombination enthalten. Für beide Firmen sollen die Engpässe Anfang März enden.

Engpässe trotz ausreichender Reserven?

Das Infiltrationsanästhetikum Articain unter dem Handelsnamen „Ultracain“ bereitet wiederum der Firma Septodont Produktionsprobleme, deren Ende für den 20. Februar angekündigt ist. Laut einem Artikel von 2021 aus der Zeitschrift „Zahnarzt Wirtschaft Praxis“ (ZWP), konzentriert sich Septodont vor allem auf den Dentalmarkt und hatte bereits während der Corona-Pandemie 2019 mit Lieferengpässen bei Articain zu kämpfen. Septodont erklärte damals: „Die genauen Gründe für die Engpässe aufseiten anderer Marktteilnehmer sind uns nicht bekannt.“ Und: „Ähnlich wie bei dem Toilettenpapier hatten wir es aber mit einem Verteilungsproblem zu tun. Als Marktführer in Nordamerika und Europa können wir auf die größten Produktionskapazitäten weltweit zurückgreifen und hatten jederzeit ausreichende Reserven von Septanest auf Lager.“ Man habe sogar viele neue Kunden gewonnen, weil man es mit Anstrengungen geschafft habe, durchgängig lieferfähig zu sein. Die Lokalanästhetika für den europäischen Markt würden vor den Toren von Paris produziert, „nur 400 Kilometer Luftlinie“ vom deutschen Standort in Bonn entfernt, so Septodont.

Berichte in den Publikumsmedien während der Corona-Pandemie

Auch die Firma Aspen hatte es bereits 2019 in die Medien geschafft. „Focus“ berichtete mit Verweis auf das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ von unnötigen Vollnarkosen, aufgrund fehlender Lokalanästhetika. Aspen erklärte die Ursache damals mit produktionstechnischen Problemen und limitierten Produktionskapazitäten. Speziell in Baden-Württemberg warf der Engpass 2019 Fragen in der Politik auf. Dort äußerte sich das Ministerium für Soziales und Integration beispielsweise so: „Die Ursachen für einen Lieferengpass mit einhergehendem Versorgungsmangel sind vielfältig, aus diesem Grund spielen auch viele Faktoren eine Rolle bei der Behebung dieses Mangels. Demnach ist es sehr schwer einzuschätzen, bis wann der Mangel behoben sein wird.“

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Spätestens seit der Nitrosamin-Krise haben auch Apotheker:innen in öffentlichen Apotheken schon einmal von der CEP-Datenbank gehört. CEP steht für „Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia“. Wurde dieses Zertifikat erteilt, gilt es als belegt, dass eine Monographie des Europäischen Arzneibuchs geeignet ist, die Qualität eines Wirkstoffs angemessen zu prüfen. Und verfügt ein Wirkstoffhersteller über ein CEP, kann auf dessen Basis in Europa und einigen weiteren Ländern die Zulassung für ein Arzneimittel erteilt werden. Wirkstoffhersteller mit einem CEP sind also grundsätzlich für den europäischen Markt geeignet. 

Lokalanästhetika werden auch in Europa hergestellt, aber ...

Ein Blick in die CEP-Datenbank (Stand 16.2.2023) verrät für Prilocain, dass (nur) drei verschiedene Hersteller über ein solches Zertifikat verfügen – darunter auch ein Schweizer Standort in Evionnaz. Für Articain werden hingegen acht gültige CEP gelistet, eines darunter gilt auch für den Schweizer Standort. Bis 2021 gab es außerdem mit der Firma Sanofi sogar einen deutschen Produktionsstandort für Articain. Auch für Lidocain gibt es laut CEP-Datenbank zahlreiche Wirkstoffhersteller – beispielsweise auch in Italien, Schweden, Spanien und den USA. Und auch für Ropivacain wird ein italienischer Produktionsstandort gelistet. Für Mepivacain werden insgesamt nur vier Hersteller gelistet, allerdings sind alle in Spanien, Italien, Frankreich oder der Schweiz angesiedelt.

... ein weltweites Lieferproblem?

Man könnte also hoffen, dass sich durch die Produktion in Europa die Engpässe wieder schnell auflösen werden. Allerdings gibt es beispielsweise auch in den USA derzeit offenbar Lieferprobleme bei Lokalanästhetika. Das geht aus Meldungen einer US-amerikanischen Apotheker-Organisation hervor (ashp, pharmacists advancing healthcare). Im Januar dieses Jahres titelte etwa eine US-amerikanische Nachrichtenseite „Versorgung mit Lokalanästhetika: 132 Engpässe, 13 verfügbar“. Dort scheint neben Lidocain allerdings vor allem Bupivacain von Engpässen betroffen zu sein. Laut CEP-Datenbank gibt es für Letzteres sogar einen deutschen Wirkstoffhersteller. 

In den USA sollen laut ASHP etwa 90 Prozent der landesweiten Vorräte an Lokalanästhetika nicht verfügbar sein. Die Verfügbarkeit von Lidocain schwanke schon seit 2015, berichtet „Becker’s Hospital Review“. In den USA sind die Engpässe offenbar außerdem noch immer die Folge von einem Hurrikan 2017 und es haben sich offenbar immer mehr Hersteller dort aus der Lidocain-Produktion zurückgezogen

Damit zeigt sich wieder einmal, dass die Lieferketten von Arzneimitteln (weltweit) komplex und nicht leicht zu durchschauen sind. Beginn und Ende von Lieferengpässen sind also (häufig) schwer vorherzusagen. Bleibt nur zur hoffen, dass die prognostizierten Enden für die Lokalanästhetika-Engpässe in Deutschland zutreffen werden – was auch immer die genauen Gründe für die Engpässe sein mögen.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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