Eine Kolumne von #DerApotheker

50 Cent – get rich or die tryin‘

21.02.2023, 17:50 Uhr

Soviel wert, wie Brot vom Vortag: Arzneimittelmanagement. (Foto: TwilightArtPictures / AdobeStock)

Soviel wert, wie Brot vom Vortag: Arzneimittelmanagement. (Foto: TwilightArtPictures / AdobeStock)


Sagenhafte 50 Cent sollen die Apotheken für das Management bestimmter Lieferengpässe bekommen. So sieht es ein aktueller Gesetzentwurf aus dem Hause Lauterbach vor. #DerApotheker lässt schonmal die Korken knallen – Achtung, diese Kolumne kann Spuren von Sarkasmus enthalten!

Die freundliche ältere Dame jenseits der Plexiglasscheibe drückt mir ihre Rezepte mit den Worten „Meine gesammelten Werke“ in die Hand. Ich nehme sie entgegen und zähle sie. Sieben Stück. Juhu. Ich bin alleine in der Apotheke. Hinter ihr befinden sich noch drei weitere Personen, die darauf warten, dass ich mir Zeit für sie nehme. Der Scanner zieht die Rezepte ein, das System wählt für jedes Rezept die Rabattpartner aus, ich bestätige jeweils kurz und schon rumpelt es hinter mir mehrmals, während der Automat ein Arzneimittel nach dem anderen ausspuckt. Ich scanne alle Arzneimittel gegen, vergleiche sie mit den Rezepten, berate die Dame zu ihren Arzneimitteln und während ich sie alle lächelnd in die Papiertüte packe, reicht sie mir ihr Geld zum Bezahlen. Den Kassenbon packe ich in die Tüte, die ich ihr schließlich feierlich überreiche. Alles ging super schnell, keiner musste lange warten. Sie ist zufrieden, die Menschen in der Schlange sind zufrieden, ich bin zufrieden. Alle zufrieden. Juhu.

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Nein. Seit nun schon einer ganzen Weile läuft das Ganze anders ab. Wir spulen zurück zu der Stelle, an der ich die Rezepte einscanne und das System mir die Rabattpartner vorschlägt. Nicht lieferbar, nicht lieferbar, nicht lieferbar. Juhu. Ich drücke auf den Button, um mir die jeweiligen Rabattpartner anzeigen zu lassen. Auch die anderen Rabattpartner sind nicht lieferbar. Hmm, ich klicke auf den „aut-idem-Button“, um mir nun die Liste aller Präparate anzeigen zu lassen, mit denen ich das dringend benötigte Arzneimittel austauschen könnte. Hmm. Nicht lieferbar, nicht lieferbar, nicht lieferbar. Ah, da oben leuchtet was grün. Okay, das bekomme ich her. Heute Abend. Nächstes Arzneimittel, gleiches Spiel. Aus dem Verbund? Hmm. Morgen Nachmittag. Hmm. Okay. Hab ich schon erwähnt, dass ich alleine in der Apotheke bin, hinter ihr drei potenzielle Kunden darauf warten, ebenfalls dranzukommen? Oh, mittlerweile sind es ja schon fünf. Und das, obwohl die Frau, die eigentlich als Zweite an der Reihe gewesen wäre, nun nicht mehr in der Schlange steht. Hat ihr wohl zu lange gedauert.

Ich entschuldige mich bei meiner Kundin, dass sie jetzt so lange warten musste.

Von den 21 Arzneimitteln habe ich sieben da und den Rest würde ich bestellen. Eines kommt aus einem anderen Bundesland und ist deshalb erst morgen Nachmittag da. Ich hoffe, das ist kein Problem. Nein? Sie brauchen die Arzneimittel sofort und wollen die Rezepte zurück? Von dem einen Rezept hätte ich aber alle Arzneimittel da. Schauen Sie mal. Nicht die, die sie immer haben? Ja, das kann gut sein. Warum nicht? Ja, weil die sind leider alle nicht lieferbar. Nein, ich kann sie leider nicht bestellen. Sie sind ja nicht lieferbar. Aber diese hier wirken genauso gut. Sie wollen auch dieses Rezept wieder mitnehmen und alles in einer anderen Apotheke holen? Oh, okay. Aber die werden das wahrscheinlich auch nicht alles dahaben. Trotzdem? Okay. Hier, bitte schön. Auf Wiedersehen.

So läuft das schon seit Monaten ab. Fast den ganzen Tag lang. Sieben Rezepte auf einmal ist natürlich eher die Ausnahme, zugegeben, aber das spielt auch nicht wirklich eine Rolle. Fakt ist, dass man pro Kunde viel mehr Zeit benötigt, als vor diesen ganzen Lieferengpässen und man sie häufig ohne Arzneimittel wieder gehen lassen muss. Es ist eine Katastrophe. Es nervt.

Hinzukommt, dass das Problem einfach nicht besser, sondern immer schlimmer wird. Gefühlt ist fast gar nichts mehr lieferbar. Na ja, zum Glück hat unsere Bundesregierung jetzt die Lösung für das Problem gefunden, die sie Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) nennt. Super eingängiger Name. Respekt dafür. Genauso toll wie der Name ist auch das, was es alles mit sich bringen wird.

Das, was am meisten Aufmerksamkeit bekommt und alle Apothekeninhaberinnen und -inhaber für ausnahmslos alles entschädigen und sie vielleicht sogar reich machen wird, sind die 50 Cent (plus Mehrwertsteuer). 50 Cent, die angerechnet werden können, wenn wir ein rabattiertes Arzneimittel, das gerade nicht lieferbar ist, gegen ein wirkstoffgleiches austauschen müssen. Wow. 50 Cent. Get rich or die tryin'. Wenn man das Ganze hochrechnet, sind das sogar bis zu Einsfuchzig pro Rezept. Dadurch wird unser zusätzlicher Aufwand ziemlich gut entschädigt. Kann man also nicht meckern.

Ach, das gilt gar nicht immer, sondern nur für Wirkstoffe, die sich auf der Liste der versorgungskritischen Medikamente des BfArM befinden? Na, ja, gut. Aber es muss ja trotzdem toll sein, sonst hätten die Politiker das doch gar nicht beschlossen. Die wissen doch schließlich zu schätzen, wie wichtig wir für die Arzneimittelversorgung sind und was wir so alles in den letzten Jahren geleistet haben, oder nicht? Oder etwa nicht?

In Liebe,
#DerApotheker


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