Paxlovid und Statine

Wechselwirkungen bei Paxlovid verhindern

Stuttgart - 21.02.2023, 15:15 Uhr

Bevor ein komplexes Medikationsschema um Paxlovid ergänzt werden kann, ist ein umfassender Interaktionscheck nötig. (Foto: Christian Grube / IMAGO)

Bevor ein komplexes Medikationsschema um Paxlovid ergänzt werden kann, ist ein umfassender Interaktionscheck nötig. (Foto: Christian Grube / IMAGO)


Paxlovid ist indiziert für COVID-19-Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Da die Risikofaktoren, wie beispielsweise Komorbiditäten, häufig mit dem Einsatz weiterer Arzneimittel einhergehen, besteht ein hohes Risiko für Wechselwirkungen. Diese lassen sich durch temporäre Therapieanpassungen vermeiden.

Fallbericht

Ein 72-jähriger Patient, der seit zwei Tagen an Symptomen wie Hals- und Muskelschmerzen sowie Fieber leidet, kontaktiert nach einem positiven COVID-19-Test seinen Hausarzt. Da bei dem Patienten Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf, wie eine kürzlich erfolgte Koronararterien-Bypass-Transplantation, Hypertonie und Diabetes, vorliegen, ordnet der Hausarzt eine fünftägige Paxlovid-Behandlung an. Die Medikation des Patienten, bestehend aus 1 x 80 mg Atorvastatin, 2 x 1000 mg Metformin, 1 x 81 mg Acetylsalicylsäure und 1 x 10 mg Dapagliflozin, bleibt unverändert. Nach zweitägiger Paxlovid-Behandlung kontaktiert der Patient erneut seinen Hausarzt, da sich die Myalgien verschlimmert haben. In der Konsequenz wird Paxlovid abgesetzt. Atorvastatin wird pausiert und nach dem Vorliegen eines unauffälligen Laborbefundes der Kreatinin-Kinase nach einer Woche wieder angesetzt.

Apothekenteams rätseln nicht lange, welche Wechselwirkung hinter diesem kürzlich im „JAMA Internal Medicine“ veröffentlichten Fallbericht stecken könnte: Bei PaxlovidTM handelt es sich um ein Kombinationspräparat aus dem Virusprotease-Inhibitor Nirmatrelvir und dem Booster Ritonavir. Letzterer hemmt insbesondere CYP3A4 und P-Glykoprotein – was zum einen den Abbau von Nirmatrelvir verlangsamt, zum anderen aber auch eine ganze Reihe möglicher Interaktionen mit sich bringt, denn CYP3A4 ist am Metabolismus vieler Arzneimittel entscheidend beteiligt

Eine Hemmung des Abbaus und somit erhöhte Spiegel von Statinen begünstigen ihrerseits das Auftreten von Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen oder sogar Rhabdomyolysen: Schätzungsweise 60 Prozent der Statin-induzierten Rhabdomyolysen sind auf Wechselwirkungen zurückzuführen. Grund genug, hier genau hinzuschauen.

Statininteraktionen richtig managen

Gemäß der Fachinfo Paxlovid (Stand Januar 2023) werden Lovastatin und Simvastatin in einem hohen Maße von CYP3A4 metabolisiert, weshalb die gleichzeitige Anwendung mit Paxlovid kontraindiziert ist. Atorvastatin wird nur in geringem Maße, Rosuvastatin nicht über CYP3A4 metabolisiert. Dennoch sind bei beiden Arzneimitteln erhöhte Plasmaspiegel unter Ritonavir bekannt. Auch wenn der Mechanismus im Fall von Rosuvastatin noch nicht geklärt ist, empfiehlt die Fachinformation für beide Präparate bei Paxlovid-Komedikation die Anwendung der kleinstmöglichen Dosis. Als weitere Alternative nennt sie die Anwendung von Pravastatin und Fluvastatin, für die keine Wechselwirkung mit Ritonavir bekannt ist. 

Das Forscher:innenteam um MD Roshni Culas weist mit Bezug auf den Fallbericht auf eine weitere Möglichkeit des Interaktionsmanagements hin. Da die Paxlovidtherapie nur für wenige Tage erforderlich ist und der enzymhemmende Effekt von Ritonavir innerhalb von 3–5 Tagen nach der letzten Einnahme abgeklungen ist, wäre in diesem Fall auch ein Pausieren der Statintherapie für 8–10 Tage eine sinnvolle Maßnahme.

Seitenweise Interaktionen

Nebst Statinen kommen aber auch eine ganze Reihe anderer Arzneimittel als potenzielle Interaktionspartner infrage, die Liste ist so lang, dass in der Fachinfo zu lesen ist, die „aufgeführten Arzneimittel stellen eine Orientierungshilfe dar. Es handelt sich nicht um eine vollständige Liste aller Arzneimittel, die kontraindiziert oder bei denen Wechselwirkungen mit Nirmatrelvir/ Ritonavir möglich sind“. 

Als zusätzliche Orientierungshilfe für Fachkräfte empfiehlt das BfArM daher mehrere online abrufbare Tools, wie beispielsweise die „Hinweise zu Arzneimittelwechselwirkungen von Paxlovid“, die von der Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut entwickelt wurden. Diese deutschsprachige Liste gibt für die aufgeführten Wirkstoffe an, ob von der gleichzeitigen Anwendung mit Paxlovid abzuraten ist, eine parallele Therapie unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist oder ob keine relevanten Wechselwirkungen bekannt sind. Weitere Arbeitshilfen in englischer Sprache können bei der University of Liverpool abgerufen werden.

Die zahlreichen Interaktionen bringen die Fallberichtsautor:innen zu zwei Schlussfolgerungen: Bei Hochrisikopatienten könne die Gabe von Paxlovid schwere Erkrankungen und Todesfälle vorbeugen, eine Behandlung sei daher indiziert, auch wenn sie einen umfassenden Wechselwirkungscheck und eine temporäre Therapieanpassung erfordere. Gleichzeitig sei das Risiko für Arzneimittelinteraktionen groß genug, um von einem Einsatz von Paxlovid bei gesunden und geimpften Patient:innen unter 40 Jahren abzuraten.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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