Apotheker Dr. Franz Stadler hat seine Apotheke mittlerweile verkauft. Er ist aber weiterhin regelmäßiger Gastkommentator auf DAZ.online, hat zudem im Jahr 2020 das Buch „Medikamenten Monopoly“ herausgebracht und die „Stiftung für Arzneimittelsicherheit“ gegründet.
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Am Aschermittwoch ist alles vorbei – eine Liedzeile aus einem Karnevalsschlager trifft exakt die Gemütslage vieler Apotheker, die parenterale Infusionslösungen herstellen und mit der AOK Bayern abrechnen müssen. Seit vielen Jahren gab es massive Schwierigkeiten bei der Abrechnung von Verwürfen. Mit dem am gestrigen Mittwoch ergangenen Urteil des Bundessozialgerichtes dürften diese Schwierigkeiten vorbei sein, meint Dr. Franz Stadler in einem Gastkommentar.
Seit nunmehr zehn Jahren (!) führe ich einen Sozialgerichtsprozess mit der AOK Bayern. Dabei geht es um die Abrechnung von unvermeidlichen Verwürfen, die bei der patientenindividuellen Zubereitung von parenteralen Infusionslösungen zwangsläufig anfallen. Grund hierfür sind die verfügbaren Packungsgrößen, die in den Fachinformationen verbindlich angegebenen Haltbarkeiten, die Behandlungsschemata, die Anzahl und natürlich auch das Körpergewicht der zu behandelnden Patienten – ein komplexes Zusammenspiel, das Verwürfe für die herstellenden Apotheken in manchen Fällen unvermeidlich macht. In der Hilfstaxe Anlage 3 ist die Abrechnung dieser unvermeidlichen Verwürfe durch den GKV-Spitzenverband und den DAV als Vertragspartner aber eindeutig geregelt. Eigentlich war und ist alles klar.
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Trotzdem verweigert die AOK Bayern als einzige Krankenkasse seit Jahren systematisch die Bezahlung der unvermeidlichen Verwürfe. Sie begründete dies mit möglicherweise längeren Haltbarkeiten der Arzneimittelreste/Wirkstoffe – ohne jedoch genau zu sagen, wie lange diese denn haltbar sein sollen. Die Verantwortung sollte die zubereitende Apotheke tragen. In der Praxis hat dies zu vielen Sozialgerichtsprozessen um nicht bezahlte Verwürfe der betroffenen Apotheken gegen die AOK Bayern geführt. Diese Prozesse waren langwierig und konnten über mehrere Instanzen gehen.
Schließlich gab es auch noch Fälle von zubereitenden Apotheken, die sich mit der AOK Bayern – meist nach erstinstanzlich gewonnen Sozialgerichtsprozessen und einer angekündigten/angedrohten Revision – auf Abschlagszahlungen einließen, damit auf eine letztinstanzliche Klärung verzichteten und so im Prinzip über Jahre den Fortbestand dieses Systems ermöglichten. In die gleiche Kategorie fällt der Rückzug des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) und seiner finanziellen Unterstützung meines Musterprozesses. Nachdem wir die erste Instanz des Sozialgerichtsprozesses gemeinsam gewonnen hatten, teilte mir der BAV Mitte 2020 mit, dass ich die Weiterführung des Prozesses künftig allein zu finanzieren hätte – was ich auch getan habe.
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Am Aschermittwoch, den 22. Februar 2023, entschied das Bundessozialgericht nun in einem Verwurfsprozess, dass die Revision der Beklagten (also der AOK Bayern) unbegründet war. Zutreffend sei das (vorinstanzliche) Sozialgericht davon ausgegangen, dass ungenutzte Teilmengen zytostatikahaltiger Arzneimittelzubereitungen als sogenannter Verwurf gesondert zu vergüten sind, wenn diese nicht innerhalb von 24 Stunden in weiteren Rezepturen verwendet werden konnten und wirkstoffbezogene Sonderregelungen nicht vorgehen.
Damit endet vermutlich eine seit Jahren ausgeübte Praxis der AOK Bayern, die hauptsächlich finanziellen Erwägungen entsprang und nicht im Interesse ihrer Versicherten lag. Für die zubereitenden Apotheken herrscht wieder Rechtssicherheit.
Was lernen wir aus alledem?
Erstens gibt es noch so etwas wie Gerechtigkeit, auch wenn es manchmal lange dauert, bis sie erreicht wird.
Zweitens wären solidarisches Verhalten und eine gewisse mutige Hartnäckigkeit in den Handlungen unseres Berufsstands unabdingbare Notwendigkeiten zur Verteidigung unserer Positionen – gerade angesichts der momentanen Lage unseres Berufstands.
Drittens sollten unsere Positionen immer die Patient:innen im Blickpunkt behalten. Diese Positionen und damit unsere Existenzberechtigung haben wir zu verteidigen, egal wie groß und mächtig der Gegner ist.
Viertens sollte die Möglichkeit einer Sammelklage vor den Sozialgerichten durch unsere Berufsverbände mit Nachdruck angestrebt werden.
1 Kommentar
fehlende Solidarität
von norbert brand am 24.02.2023 um 8:06 Uhr
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