Juristische Prüfung

Dürfen Apotheken Heimbewohnern pharmazeutische Dienstleistungen anbieten?

Berlin - 27.02.2023, 12:15 Uhr

Auch Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen dürfen Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen wie die Medikationsanalyse anbieten. (Foto: Ingo Bartussek / Adobe Stock)

Auch Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen dürfen Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen wie die Medikationsanalyse anbieten. (Foto: Ingo Bartussek / Adobe Stock)


Ob Apotheken auch Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen pharmazeutische Dienstleistungen anbieten dürfen, ist umstritten. Eine juristische Prüfung kommt nun zu einem klaren Ergebnis, wie der Apothekerverband Schleswig-Holstein informiert.

Seit Juni 2022 dürfen Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) anbieten und abrechnen. Bisher laufen sie jedoch eher schleppend an – als Gründe nennen Kolleginnen und Kollegen unter anderem Personalmangel, eine zu niedrige Vergütung und den hohen bürokratischen Aufwand, der mit der Abrechnung und Dokumentation verbunden ist.

Zudem gibt es an der einen oder anderen Stelle Zweifel, wem Apotheken wann eine solche Leistung anbieten dürfen. So sind zum Beispiel Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen eine Gruppe von Menschen, die von den Diensten der Apotheken profitieren könnten. Denn viele von ihnen leiden an mehreren Grunderkrankungen und müssen mehrere Medikamente dauerhaft einnehmen. Doch es herrschten Zweifel, ob diese Personengruppe grundsätzlich anspruchsberechtig ist oder nicht.

Hintergrund ist die Formulierung in Anlage 11 des Rahmenvertrags nach § 129 Absatz 2 SGB V zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband:


„Anspruchsberechtigt sind Versicherte in der ambulanten, häuslichen Versorgung, die aktuell und voraussichtlich auch über die nächsten 28 Tage mindestens 5 Arzneimittel (verschiedene, ärztlich verordnete, systemisch wirkende Arzneimittel / Inhalativa) in der Dauermedikation einnehmen bzw. anwenden.“

Anlage 11 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V (§ 3 Definition anspruchsberechtigte Versicherte), Stand: 15. Juli 2022


Für Verunsicherung sorgt insbesondere die Vorgabe, anspruchsberechtigt seien „Versicherte in der ambulanten, häuslichen Versorgung“: Sind damit Heimbewohner:innen ausgeschlossen? Laut einem Rundschreiben des Apothekerverbands Schleswig-Holstein (AVSH) lautet die Antwort: Nein. „Das Merkmal der ‚ambulanten, häuslichen‘ Versorgung ist auch bei der Versorgung im Pflege- und Altenheim erfüllt, weil diese für den Versicherten mangels eines privat bewohnten ‚Zuhauses‘ seine häusliche Umgebung darstellen“, schreibt der Verband. So laute das Ergebnis einer juristischen Prüfung.

Nach dem Apothekenrecht müssten zudem bestimmte Dienstleistungen der Apotheke nicht zwingend in den Betriebsräumen erbracht werden, heißt es weiter. „Dies ergibt sich zumeist aus der Natur der Leistung, insbesondere bei der Versorgung vom Heimbewohnern (§ 12a ApoG)“, legt der AVSH dar. „Die Vereinbarung zur ‚Erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation‘ formuliert zudem, dass diese pDL in Apotheken bzw. in der Häuslichkeit der Patienten erbracht werden kann (§ 2 Absatz 6 Satz 3). Da die Art des Wohnens bzw. der Grad der Betreuung somit keinen Einfluss auf die Anspruchsberechtigung haben, besteht auch für Versicherte im Alten- und Pflegeheim ein Anspruch auf die Erbringung von pDL.“

Im Klartext: Wer im Heim lebt, für den ist das sein Zuhause – und das Erbringen pharmazeutischer Dienstleistungen kann auch bei den Patientinnen und Patienten daheim erfolgen. Das gelte übrigens nicht nur für die Medikationsanalyse, sondern für alle fünf pDL, hebt der AVSH hervor. Die Leistungen dürfen somit auch Heimbewohnerinnen und -bewohnern angeboten und mit der jeweiligen Krankenkasse abgerechnet werden, sofern die üblichen Voraussetzungen erfüllt sind. 


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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