Kommentar

Endlich deutliche Forderungen

Süsel - 01.03.2023, 13:45 Uhr

Mit ihrem kürzlich vorgelegten Forderungskatalog hat die ABDA einen Nerv bei vielen Apothekerinnen und Apothekern getroffen – auch bei DAZ-Autor Thomas Müller-Bohn. (b/Foto: IMAGO / Political-Moments)

Mit ihrem kürzlich vorgelegten Forderungskatalog hat die ABDA einen Nerv bei vielen Apothekerinnen und Apothekern getroffen – auch bei DAZ-Autor Thomas Müller-Bohn. (b/Foto: IMAGO / Political-Moments)


Die ABDA fordert für die Apotheken einen höheren Festzuschlag für Rx-Arzneimittel, eine regelmäßige Anpassung dafür und eine neue Strukturpauschale. Warum er alle drei Forderungen jetzt für richtig hält, erklärt DAZ-Wirtschaftsexperte Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Endlich hat die ABDA eine Honorarforderung mit einer Zahl aufgestellt. Nach jahrelanger Zurückhaltung aus diesen und jenen Gründen wurde der Druck von der Basis offenbar zu groß. Die ABDA hatte zwar schon oft gesagt, dass die Apotheken mehr Geld brauchen, aber eine Honorarforderung ohne eine Zahl nimmt niemand ernst. Jetzt sollen es 12 Euro für eine Rx-Packung sein sowie eine automatische Anpassung an die Kostenentwicklung und eine Pauschale für jede Betriebsstätte. Das alles ist richtig und überfällig.

12 Euro pro Rx-Packung sind 3,65 Euro mehr als die derzeitigen 8,35 Euro. Bei 740 Millionen Packungen wären das 2,7 Milliarden Euro pro Jahr, von denen ein Teil auf Selbstzahler und die PKV entfiele. Das ist viel Geld. Gemessen an den vielen Milliarden für viele andere Zwecke ist es aber ein überschaubarer Betrag für die Sicherung des existenziellen Arzneiversorgungssystems.

Darum brauchen Apotheken das Geld

Natürlich werden andere die Frage stellen, wofür die Apotheken so viel mehr brauchen und wie sie es bisher ohne dieses Geld geschafft haben. Die Apotheken existieren ohne dieses Geld, weil viele schon lange nicht mehr investieren und weil die Gehälter für die Apothekenteams kaum noch neues Personal in die Apotheken locken. Mit den steigenden Gehältern an anderer Stelle wird die Diskrepanz immer größer. Wenn demnächst die geburtenstärksten Jahrgänge in Rente gehen, müssen die Apotheken ganz andere Gehälter zahlen, wenn sie weiterhin flächendeckend bestehen sollen. Nur so können sie den demografischen Wandel in ihren Teams bewältigen.

Selbstverständlich müssen sich auch die Gewinne der Apothekeninhaber entsprechend entwickeln, wenn sich der Einsatz und das Risiko lohnen sollen. Aus allen diesen Gründen ist auch die automatische Anpassung für die Zukunft wichtig. Schon bei der Einführung der heutigen Honorierung wurde eine Art „halbautomatische“ Anpassung mitgedacht. Doch die hat einmal unzureichend und ansonsten gar nicht funktioniert. Diese jahrzehntelangen schlechten Erfahrungen lassen nur den Schluss zu, dass die Apotheken einen Automatismus brauchen.

Einheitspauschale ist einfach und hat ihre Logik

Außerdem fordert die ABDA eine zusätzliche Pauschale für jede Betriebsstätte. Das klingt etwas einfallslos, lässt sich aber ebenfalls gut begründen und hat einige Vorteile. Der Verfasser dieses Kommentars hat schon vor fünf Jahren in der DAZ 2018, Nr. 17 Vorschläge für ein Strukturhonorar formuliert.

Die einfachste Variante ist ein fester Betrag für jede Apotheke. Dahinter steckt die Idee, dass alle Apotheken im Interesse der Versorgung bestimmte Basisangebote vorhalten müssen. Dafür sollten sie auch ein Basishonorar erhalten. Das betrifft alle Apotheken gleichermaßen. Davon würden kleine Apotheken überproportional profitieren. Das wäre gut so, denn viele Apotheken sind deshalb klein, weil ein versorgungskritischer Standort nicht mehr hergibt. Kleine Apotheken an anderen Standorten haben hingegen meist schon längst geschlossen. Insofern ist auch ein solches einheitliches Honorar durchaus eine Strukturförderung.

Pro und Kontra Strukturpauschale

Dabei sind auch differenziertere Formen möglich. Diese haben manche Vor- und Nachteile. Für die einheitliche Pauschale sprechen auf jeden Fall die einfache Handhabung und die Vermeidung von schwierigen Verteilungsdebatten. Die Politik erwartet wohl eher einen Vorschlag für eine punktuelle Honorierung und vermutlich wird sich auch diese Diskussion weiterentwickeln. Doch die ABDA-Forderung ist ein Statement dazu, für das es gute Argumente gibt. 

Als Gegenargument werden interessierte Kreise anführen, das sei eine unerwünschte Förderung mit der Gießkanne. Doch das ist ein Argument von vorgestern. Denn die Zahl der Apotheken sinkt seit etwa 15 Jahren. Jede Apotheke, die noch übrig ist und die den demografischen Wandel beim Personal übersteht, ist für die Versorgung wichtig. Einige sind aufgrund ihres Standorts sicherlich noch wichtiger als andere, aber alle verdienen eine Förderung. Darum ist auch die Forderung der ABDA nach einer Pauschale für alle Apotheken jetzt richtig. Es sind harte Diskussionen zu erwarten, aber das gehört dazu.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

2,7 Mrd. sind ein Minimum

von Dorf-Apothekerin am 02.03.2023 um 18:57 Uhr

Vor Jahren habe ich in Kommentaren schon auf die Notwendigkeit von 80 000 Euro pro Apotheke hingewiesen. Bei damals 20 000 Apotheken wären das 1,6 Mrd Euro. Das entspricht dem Gehalt einer (m) Approbierten. Der Aufwand für Technik, Datenschutz, Qualitätsmanagement in der Apotheke, in der Kasse, im Büro, der Aufwand für ungerechtfertigte Retaxationen, für Genehmigungsanträge, für Beratung bei Selbstmedikation, die früher der Arztpraxis vergütet wurde u.s.w. bedarf locker solcher Personalkosten.
Da es mittlerweile ein Beruf ist, der überwiegend von Frauen ausgeübt wird sind auch Kosten für eine Haushaltshilfe einzuplanen.
Im Übrigen sind alle betrieblich notwendigen Reserven von der Politik und den Krankenkassen in den letzten 20 Jahren abgeschöpft worden. Meine Apotheke hätte eine Zukunft gehabt, wenn es die AvP-Pleite nicht gegeben hätte. Diese enormen wirtschaftlichen Risiken, die ja noch nicht vom Tisch sind, machen es notwendig Reserven wieder aufzubauen.
Und wer in der Wirtschaft zögert hat schon verloren. Höflichkeit gehört hier nicht zu den Spielregeln: Maximale Forderungen um das Notwendige zu erreichen, möglichst am Rande der Legalität (siehe DOC-Morris) Und davon sind wir ja noch meilenweit entfernt.
Die 2,7 Mrd. holen den Patienten nur von der Intensivstation. Die Herausforderungen in der Zukunft sind da noch nicht einmal eingerechnet.

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Endlich Forderungen

von Otto Wel. am 01.03.2023 um 18:52 Uhr

Zu was führen diese Forderungen?

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2,7 Mrd. €? Ist noch etwas mehr ...

von Reinhard Herzog am 01.03.2023 um 16:43 Uhr

Mehrwertsteuer nicht vergessen.
Dann sind wir bei einem Delta von (3,65 € x 740 Mio. Packungen) + 19% Mehrwertsteuer = gut 3,2 Mrd. € für die Kostenträger.

Delta Rohertrag je Apotheke = ca. 150.000 € oder rund +22% im Schnitt.

Die Gehälter stocken wir z.B. um gut 15% oder 50.000 € je Apotheke auf, bleiben immer noch 100.000 €. Selbst wenn wir inflationäre Sachkostenaufschläge anrechnen (Energie sinkt ja schon wieder), würde der durchschnittliche Gewinn wohl über der 200.000 €-Marke landen.

Über den Geldsegen für Apotheken / Verbünde mit sechsstelligen Rx-Zahlen schweigen wir besser. Aber das haben die Verantwortlichen auf dem Schirm.

Das muss man, auch gegenüber den Ärzten, erstmal politisch dargestellt bekommen.

Zur Strukturpauschale oder "Landförderung":
Mit vergleichsweise geringen Beträgen im niedrig dreistelligen Mio.-Bereich lässt sich schon eine vierstellige Zahl an Solitär-Standorten sehr schön fördern ...

Und:
Geld ist das eine. Aber auch mit noch so viel Geld backe ich mir zumindest kurz-/mittelfristig keine neuen Mitarbeiter. Deshalb ist der Punkt zeitliche Entlastung / Bürokratieabbau / einfache Abgaberegeln mindestens ebenso wichtig.

Fordern kann und soll man.
Der Grad, dabei die Realitäten aus den Augen zu verlieren, ist jedoch schmal. Weihnachten und Ostern auf einen Tag gibt es nicht.
Und als Tiger mit 12 € zu starten, und dann mit vielleicht 9 € zu landen, stärkt nicht gerade Position und Ansehen.

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AW: 2,7 Mrd. €? Ist noch etwas mehr

von Thomas Müller-Bohn am 02.03.2023 um 10:20 Uhr

Lieber Herr Herzog, vergessen habe ich die Mehrwertsteuer nicht. Mir ging und geht es um die Perspektive der Apotheke, also um das, was bei der Apotheke ankommt. - Und was Ihr Fazit angeht: 9 € zu fordern, wenn man weiß, dass 12 € nötig sind, wäre wohl auch keine Alternative. Darum finde ich den Ansatz der ABDA richtig.

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