Pflanzliche Arzneimittel für Kinder (Teil 2)

Halsschmerzen bei Kindern – gibt es da auch was Pflanzliches?

Stuttgart - 14.04.2023, 09:15 Uhr

Haben Halsschmerztabletten mit Wirkstoffen gegenüber „normalen“ Bonbons überhaupt einen Vorteil? (Foto: IMAGO / photothek)

Haben Halsschmerztabletten mit Wirkstoffen gegenüber „normalen“ Bonbons überhaupt einen Vorteil? (Foto: IMAGO / photothek)


Salbei, Isländisches Moos, Kamillenblüten, Eibischwurzel, Spitzwegerich und Wegraukenkraut – das alles sind Arzneidrogen, die potenziell bei gereizter Schleimhaut im Mund- und Rachenraum zum Einsatz kommen können. Aber sind sie auch für Kinder geeignet?

Pflanzliche Arzneimittel sind – entgegen der Annahme mancher Kund:innen in der Apotheke – nicht immer unbedenklich und somit auch nicht immer für Kinder geeignet. Gibt es überhaupt Arzneidrogen, die bei Kindern angewendet werden können? Das HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) bietet eine kürzlich aktualisierte, tabellarische Übersicht über die HMPC-Monographien zu genau jener Fragestellung.

Die Empfehlungen der Tabelle beziehen sich nur auf Arzneimittel, wird eine Arzneidroge für Kinder also grundsätzlich als geeignet oder ungeeignet betrachtet, lässt sich das nicht direkt auf Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel übertragen. In dieser Serie „Pflanzliche Arzneimittel für Kinder“ nimmt die DAZ die HMPC-Empfehlungen nach Indikationen geordnet unter die Lupe – heute geht es um Erkrankungen des Mund- und Rachenraums.

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In der S3-Leitlinie Halsschmerzen, kann man nachlesen, dass bakterielle Ursachen bei Halsschmerzen eher selten sind. Dennoch werden bei über 60 Prozent der Halsschmerzpatienten Antibiotika verschrieben, heißt es. Wäre etwas „Pflanzliches“ zur Linderung der Symptome also nicht viel häufiger zu empfehlen, gerade auch bei Kindern?

In der Leitlinie geht es neben Jugendlichen und Erwachsenen auch um die Behandlung von akuten Halsschmerzen bei Kindern ab dem dritten Lebensjahr. Doch als ziemlich klares Statement heißt es dort: „Für naturheilkundliche Präparate oder Homöopathika zur Behandlung von Halsschmerzen gibt es keinen gesicherten Wirkungsnachweis aus kontrollierten Studien.“ Bei ausgeprägtem Therapiewunsch dürften diese bei geringem Schadenpotenzial von erwachsenen Patienten mit akuten Halsschmerzen allerdings eingenommen werden. Konkret werden Salbei (Salvia officinalis) und Lakritz (Glycyrrhiza glabra, Vorsicht bei Hypertonie) genannt.

Ab zum Arzt – Warnsignale bei Halsschmerzen laut Leitlinie

  • Verdacht auf Scharlach-Erkrankung
  • Verdacht auf infektiöse Mononukleose
  • Infektion mit anderem Fokus (Pneumonie, Bronchitis, Otitis media, Sinusitis)
  • Typische Konditionen mit schwerer Immunsuppression:
    • Neutropenie (< 1000/μL Neutrophile)
    • Iatrogen-medikamentöse Immunsuppression (z. B. systemische Steroide, Chemotherapie)
    • Transplantation solider Organe
    • Stammzelltransplantation
    • AIDS
    • Antikörpermangelsyndrome
    • Angeborene oder erworbene Immundefekte
  • erhöhtes Risiko für ein akutes rheumatisches Fieber
  • Schwere Komorbiditäten

Auch in der HMPC-Übersicht werden Salbeiblätter in Form von Tee oder Lutschtabletten (Salviae officinalis folium) nur für Erwachsene für die symptomatische Behandlung von Entzündungen in Mund und Rachen empfohlen – im Sinne des „traditional use“. Für die Anwendung bei Kindern gibt es keine ausreichenden Daten, heißt es. Glycyrrhiza glabra wird in der HMPC-Übersicht hingegen gar nicht aufgeführt. 

Wenn es für Phytopharmaka bei Halsschmerzen aber kaum Evidenz gibt, was ist dann laut Leitlinie zur Linderung der Symptome empfehlenswert? 

Haben Halsschmerztabletten gegenüber Bonbons keinen Vorteil?

Die systemische Einnahme von Ibuprofen „zur kurzzeitigen symptomatischen Therapie von Halsschmerzen“ wird in der Leitlinie auch für Kinder als geeignet beschrieben. Wer jedoch keine Schmerztabletten einnehmen und seinen Kindern auch keine Zäpfchen oder Säfte verabreichen möchte, hat auch laut Leitlinie weitere Optionen, die Symptome lokal zu lindern. So heißt es dort: „Als Lokaltherapeutika können sowohl nicht-medikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/ oder Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, mit dem Ziel der Symptomlinderung empfohlen werden.“ Lokalantiseptika und/oder Antibiotika sollen hingegen nicht enthalten sein.

Die Studienlage zur lokalen Therapie von Halsschmerzen sei allerdings insgesamt oft von geringer Qualität, ihre Bedeutung liege vor allem in der Annahme, „eine wirksame lokale Schmerztherapie könnte den Verzicht auf Antibiotika fördern“. Zudem wird in der Leitlinie darauf verwiesen, dass es sich bei wirkstofffreien Lutschtabletten nicht um reine Placebos handelt, „da Lutschtabletten beim Lutschen die Speichelproduktion anregen und dies schmerzlindernd wirkt“. Tabletten mit Lokalanästhetika und lokalen NSAR seien den wirkstofffreien Lutschtabletten in Studien zwar überlegen, „die Unterschiede waren aber meist gering im Bereich von ca. 1 Punkt auf einer 11-stufigen numerischen Schmerzskala“, heißt es.

Salbei-Bonbons scheinen also für Erwachsene eine gute Option zu sein – aber auch Thymian wird beispielhaft als Phytotherapeutikum in der Leitlinie genannt, das traditionell als schmerzlindernd gelte. In der HMPC-Liste wird Thymian allerdings nicht speziell bei Halsschmerzen empfohlen, sondern als Expektorans bei Husten und Erkältung – und zwar für zwei bestimmte Extrakte ab vier Jahren.

Gibt es pflanzliche Halsschmerzpräparate für Kinder unter sechs Jahren?

Wann Kinder Bonbons lutschen (und Tabletten) schlucken können, kann sich von Kind zu Kind stark unterscheiden. Die Marke Neo-angin bietet aber beispielsweise extra für Kinder konzipierte Präparate an: Während die Halstabletten laut Hersteller erst ab vier Jahren geeignet sind, wird der entsprechende „Halsschmerzlutscher“ bereits ab drei Jahren beworben und der Halsschmerzsaft sogar bereits ab einem Jahr. Allen diesen drei Produkten gemeinsam ist, dass es sich um Medizinprodukte handelt und sie einen (Trocken-)Extrakt aus Isländischem Moos enthalten.

Für zwei wässrige Extrakt-Arten gibt auch die HMPC-Tabelle bei Isländischem Moos für Kinder ab sechs Jahren grünes Licht. Diese Extrakte sollen oromukosal in fester Darreichungsform (also Lutschtabletten) zum Einsatz kommen. Dass in der HMPC-Tabelle keine jüngeren Kinder genannt werden, wird mit der Darreichungsform begründet.

Auch die Marke Isla® wirbt mit dem pflanzlichen Wirkstoff in ihrem „Junior“-Präparat. Dies ist ebenfalls ein Medizinprodukt, allerdings mit einem der beiden vom HMPC für Kinder empfohlenen wässrigen Extrakte. Die Halspastillen sollen entgegen der HMPC-Tabelle laut Hersteller bereits ab vier Jahren angewendet werden können. Zusätzlich heißt es auf der Internetseite der Marke jedoch: „Bitte achten Sie darauf, dass Ihr Kind die Fähigkeit des kontrollierten Lutschens erworben hat.“ 

Kamillenblüten-Tee beziehungsweise ein ethanolischer Extrakt ist laut HMPC ebenfalls bereits ab sechs Jahren bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum geeignet. Zu jüngeren Kindern fehlen Daten. Beispielsweise das „Mund- und Rachenspray“ mit dem Namen Kamillosan ist ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, das laut Lauer-Taxe (Stand 13.4.2023) nicht bei Kindern unter sechs Jahren angewendet werden darf. Zudem heißt es dort: „Für Kinder unter 12 Jahren liegen keine Erfahrungen vor. Das Arzneimittel sollte daher bei Kindern unter 12 Jahren nicht angewendet werden“.

Phytos für Kinder unter drei Jahren bei Halsschmerzen?

Eibischwurzel beziehungsweise bestimmte Extrakte und Darreichungsformen daraus werden in der HMPC-Tabelle bereits für Kinder ab drei Jahren als geeignet angegeben. Jüngere Kinder sollen laut HMPC immer einem Arzt oder einer Ärztin vorgestellt werden. Feste Darreichungsformen werden wie bei Isländischem Moos erst ab sechs Jahren empfohlen. Eine bekannte Marke aus der Apotheke mit Eibischwurzel ist Phytohustil. Die „Hustenreizstiller Pastillen“ von Phytohustil enthalten den Trockenextrakt und sind entsprechend der HMPC-Tabelle ab sechs Jahren geeignet. Der entsprechende Sirup enthält einen wässrigen Extrakt, der auch vom HMPC für Kinder ab drei Jahren als geeignet angegeben wird. Laut Hersteller kann der Sirup aber bereits ab einem Jahr angewendet werden. Bei beiden Präparaten handelt es sich um apothekenpflichtige Arzneimittel, die auch gegen Reizhusten wirken.

Spitzwegerichblätter-Tee ist wie Eibischwurzel bei Schleimhautreizungen verbunden mit Reizhusten indiziert und soll nicht bei Kindern unter drei Jahren angewendet werden. Weniger bekannt dürfte das Wegraukenkraut sein. Dessen wässriger Extrakt gilt laut HMPC für Kinder ab drei Jahren in flüssiger Form als geeignet, in fester Form ab sechs Jahren. Laut Lauer-Taxe ist es jedoch in keinem Fertigarzneimittel enthalten. 

Damit stehen für Kinder ab drei Jahren in der Selbstmedikation bei Halsschmerzen auch pflanzliche Präparate zur Verfügung. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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