Nur mit Rabattvertrag

Lieferengpässe: Wann trägt die Kasse die Mehrkosten?

Stuttgart - 17.04.2023, 17:50 Uhr

Auch bei Engpässen übernimmt die Kasse nicht immer die Mehrkosten. (Foto: contrastwerkstatt /AdobeStock)

Auch bei Engpässen übernimmt die Kasse nicht immer die Mehrkosten. (Foto: contrastwerkstatt /AdobeStock)


Die Kassen übernehmen die Kosten für ein Arzneimittel im Normalfall bis zum Festbetrag. Liegt der Abgabepreis darüber, hat die Patientin oder der Patient die Mehrkosten zu tragen. Was ist aber, wenn kein Arzneimittel zum Festbetrag lieferbar ist? Unter welchen Umständen übernimmt dann die Krankenkasse die Mehrkosten?

Lieferengpässe und kein Ende in Sicht: Ein erheblicher Teil der Arbeit in der Apotheke besteht aktuell darin, eine Versorgung überhaupt möglich zu machen. Manchmal bleibt da nur der Griff zum teuren Originalpräparat. Das wirft zwangsläufig die Frage auf, wer bei engpassbedingter Abgabe des Altoriginals (oder eines teuren Generikums) die Mehrkosten trägt. 

Denn: Liegt der Preis über dem Festbetrag, müssen die Patient:innen die Mehrkosten, also die Differenz zwischen Festbetrag und Apothekenabgabepreis, eigentlich selbst bezahlen. Das gilt auch für Kinder oder Personen, die von der Zuzahlung befreit sind. Bei manchen Präparaten können das weit mehr als 100 Euro sein. So fallen beispielsweise beim Original-Rosuvastatinpräparat Crestor 10 mg fast 230 Euro Merkosten an, beim Original-Brivudinpräparat Zostex sind es 65 Euro. Die gesetzliche Zuzahlung kommt gegebenenfalls noch on top.

Doch gilt das auch, wenn kein Präparat lieferbar ist, dessen Preis unter dem Festbetrag liegt? Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt darauf an. Und zwar darauf, ob es einen Rabattvertrag für den betreffenden Wirkstoff gibt. Ist das der Fall, übernimmt die Kasse, wenn kein Präparat zum Festbetrag verfügbar ist, die Mehrkosten. Geregelt ist das in § 11 Absatz 3 Rahmenvertrag. Die Zuzahlung richtet sich nach dem Abgabepreis. 

Kein Rabattvertrag, Retaxation über die Mehrkosten

Gibt es keinen Rabattvertrag, muss der Patient hingegen unter Umständen tief in die Tasche greifen. Welches Szenario zutrifft, kann von Kasse zu Kasse unterschiedlich sein. Je nachdem, welche Rabattverträge bestehen. Rechnen die Apotheken die Mehrkosten zulasten einer Krankenkasse ab, die keinen Rabattvertrag über den jeweiligen Wirkstoff hat, wird sie über diese Summe retaxiert werden.

Ausnahmen bis 30. April 2023

In zehn Festbetragsgruppen sind die Festbeträge für Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol und für Antibiotika, die als Zäpfchen oder in flüssiger Anwendungsform vorliegen, noch bis zum 30. April 2023 ausgesetzt. Die Kassen übernehmen also den vollen Preis, auch wenn dieser über dem Festbetrag liegt. Damit sollen Aufzahlungen für Eltern vermieden werden.

Betroffen sind folgende Gruppen:

Amoxicillin, Gruppe 2Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen

Cefalosporine, Gruppe 1

 

Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen,

Cefalosporine, Gruppe 2

 

Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen

Cefalosporine, Gruppe 3

 

Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen

Ibuprofen, Gruppe 1B

 

Sirup, Suspension zum Einnehmen

 

Makrolide, neuere, Gruppe 1

 

Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen

Paracetamol, Gruppe 1B

 

Lösung zum Einnehmen, Sirup

 

Paracetamol, Gruppe 2Suppositorien

Phenoxymethylpenicillin, Gruppe 2

 

Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen
Sulfamethoxazol und Trimethoprim, Gruppe2Suspension zum Einnehmen

Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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